Dortmund. . Als echter Könner an der Mundharmonika muss der Dortmunder immer noch Überzeugungsarbeit für sein Instrument leisten. Aber wenn er erstmal anfängt zu spielen, hat er gewonnen. Zurzeit spürt Kramer einen ordentlichen Rückenwind, den er nicht zuletzt Peter Maffay zu verdanken hat.

Dass der Mann, der da gerade vor mir steht, in seinem Bungalow kaum zwei Steinwürfe hinter der Stadtgrenze zu Schwerte, ein Virtuose an seinem Instrument ist, dürfte sich nach zig Jahren herumgesprochen haben. Dass er dennoch von Zeit zu Zeit mit diesem Instrument hadert, dürfte daran liegen, dass er ausgerechnet Mundharmonika spielt. „Das Instrument ist so negativ besetzt“, klagt er, „da ist man ein ewiger David.“

Wir stehen in seinem Wohnzimmer im Dortmunder Süden, um zwei Gitarren herum hat er unzählige Blues-Harps verstreut, für jede Stimmung eine, weil er gerade experimentiert. „Im Bewusstsein der meisten ist die Mundharmonika eher ein Spielzeug als ein ernstzunehmendes Instrument“, sagt er und verweist auf Bob Dylan, der zwar ohne das Stück Blech an den Lippen kaum vorstellbar wäre, aber doch eher für Songwriting, Gitarrenspiel, Gesang und Texte gerühmt wird. „Das ist der Fluch des Instruments“, sagt Kramer, der aber weiß, wie er überzeugen kann: „Wenn ich nämlich komme und spiele, dann wird aus diesem Fluch oft ein Segen. Weil die Zuhörer dann sagen: Boh, aus so einem kleinen Stück Blech holt der so viele Töne? Da kann der Typ mit der Gitarre ja nach Hause gehen.“

Er sagt’s und schickt gleich eine bluesige kleine Melodie hinterher. Tatsächlich erfreut sich Kramer gerade einer Beliebtheit, die ihm viele Jahre verwehrt war. „Das liegt auch daran, dass ich auf der letzten Tour mit Peter Maffay unterwegs war und mich so viele Menschen haben spielen sehen“, sagt er. Selbst bei den Radiosendern, die sich früher nicht ansatzweise mit seinem Sound beschäftigt haben, schmilzt der Widerstand.

Heute bin ich mehr ich

Es liegt allerdings auch daran, dass Kramer mittlerweile genau weiß, was er will. Auf der CD „Kramer kommt!“ beweist er das gerade: Geradliniger Rock mit einer Überdosis Blues und Funk, Stücke, die nach vorn gehen – und auf Deutsch gesungen werden. „Früher wollte ich immer der beste Afroamerikaner aus dem Ruhrgebiet sein“, sagt er und dass dies für ihn das schönste Kompliment gewesen sei. „Heute bin ich mehr ich, ich öffne mich mit den Texten. Und das kommt spürbar besser an.“

Tatsächlich gelingt es ihm, eingängige Melodien und Texte mit musikalisch komplexen Arrangements zu kombinieren. Und mit ungewöhnlichen Ideen: „Ich benutze jetzt Effektgeräte wie bei der Gitarre“, sagt er und lacht stolz.

Mehrere Bands gleichzeitig

Kramer hat schon vieles ausprobiert: Blues­projekte, Kirchenchoräle, Weltmusik. „Ich hatte oft mehrere Bands gleichzeitig. Irgendwann wussten die Leute nicht mehr, was ich jetzt eigentlich mache. Es hat ein wenig gedauert, bis ich begriffen hatte: Fünfmal 20 Prozent sind nicht 100 Prozent.“