Essen. . Die Spielzeit einer CD soll sich angeblich nach der 9. Sinfonie von Beethoven gerichtet haben – und zwar in ihrer langsamsten Einspielung. Ein allzu schöner Mythos, der das anspruchsvolle Klassik-Publikum geschickt an den neuen Tonträger heranführen sollte.

Es ist ein Mythos, zu schön um wahr zu sein: Der damalige Sony-Vizechef Norio Ohga soll das Format der CD nicht von Kriterien der Vermarktbarkeit, sondern von seinen musikalischen Vorlieben abhängig gemacht haben. Mindestens die 9. Sinfonie von Beethoven sollte auf eine Silberscheibe passen. Entspräche dies der Wahrheit, wäre eine CD heute wohl 66 Minuten lang, denn Karajan-Fan Ohga hätte sich sicherlich für die Version des Stardirigenten mit den Berliner Symphonikern entschieden. Das Verdienst, die CD stattdessen auf 74 Minuten Spielzeit ausgedehnt zu haben, was der langsamsten Aufnahme der Sinfonie unter Wilhelm Furtwängler (1951, Bayreuth) entsprach, wird wechselweise Ohgas Frau oder Technikern von Sony zugeschrieben.

Die Schlacht um die Sakkotasche

Wahrscheinlich stimmt keine dieser Versionen, denn den Entscheidungsträgern von Sony und Philips war bewusst, dass sie hier mutmaßlich den Standard für ein weltweites Massenprodukt festlegen. Da ist es ebenso wahrscheinlich, dass es in den Marketing-Abteilungen der Konzerne eine Schlacht darum gegeben hat, ob die CD nun mit 12 Zentimetern Durchmesser noch in eine normale Sakkotasche passt.

Länger als ein Album, kürzer als zwei

Das wahrscheinlichste Szenario ist folgendes: Managern beider Konzerne war klar, dass auf eine CD mindestens ein Album passen sollte, also 40 bis 45 Minuten Spielzeit. Außerdem: Auf keinen Fall sollten zwei Alben darauf genug Platz finden, das käme einer Verramschung der wertvollen Musik gleich.

Schon früh stand fest, dass man auf anspruchsvolles Klassikpublikum schielte: Diese Leute hatten das Geld, sich CDs und die entsprechenden Abspielgeräte leisten zu können. Da kam die Marketing-Mär von der Beethoven-Sinfonie allzu gelegen. Und sie hat funktioniert. Glückwunsch, alte Scheibe.