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Sarah Glidden, eine Amerikanerin mit jüdischen Wurzeln, hat einen beeindruckenden Comic-Bericht über ihre Reise ins Heilige Land abgeliefert: „Israel verstehen in 60 Tagen oder weniger“.

Es scheint, sobald ein Comiczeichner seinen Fuß auf den Boden des Heiligen Landes setzt, kann er den Stift nicht mehr stillhalten, an Israel-Erzählungen herrscht auch im Reich der Sprechblasen kein Mangel. Spätestens seit Joe Saccos herausragender Comic-Reportage „Palästina“ meinte man auch, das erzählerische Nonplusultra zum Nahostkonflikt gefunden zu haben. Doch nun gelingt es der New Yorkerin Sarah Glidden mit einem harmlosen Ansatz, eine ebenso fesselnde Geschichte zu erzählen.

Die Rolle Israels im Palästina-Konflikt

Die Ausgangslage der autobiografischen Story scheint so langweilig wie vorhersehbar: Wie so viele amerikanische Juden hat auch Sarah kaum einen Bezug zu ihrer Religion und erst recht nicht zu ihren jüdischen Wurzeln; wie so viele reist sie in ein Land, das ihr Rätsel und Widersprüche bereitet – und das ihr wegen des Palästina-Konflikts mehr als unsympathisch erscheint. Sie nimmt an einer „Birthright“-Reise teil, die es jungen Juden ermöglicht, erstmals Israel kennen zu lernen, natürlich mit dem Ziel, Sympathien zu wecken und vielleicht sogar Einwanderer zu rekrutieren. Sie hat sich gut vorbereitet – und ist der populären Meinung, dass Israel im Palästina-Konflikt die größere Schuld trägt, allein weil es die größere Macht besitzt.

Ihre Zweifel wachsen

Doch so einfach ist die Schuldfrage in dem seit Jahrzehnten schwelenden Konflikt nicht zu beantworten. Und auch wenn sich Glidden resistent gegenüber den Propaganda-Bemühungen zeigt, die manchmal allzu offensichtlich werden, so wachsen doch ihre Zweifel: „Ich bin Jüdin, darum wird von mir erwartet, dass ich für Israel bin, egal, was ist, ja? Andererseits finden viele Leute, dass man nicht für Israel ist, wenn man an die Palästinenser denkt“, beschreibt sie ihren Zwiespalt. Sie geht mit sich selbst ins Gericht – und erhält am Ende etwas vollkommen anderes, als sie am Anfang erwartete.

Sarah Glidden. Foto: Dom S
Sarah Glidden. Foto: Dom S © Sarah Glidden

„Wenn ich zurück bin, ist alles kristallklar!“, tönt sie noch zu Beginn. Das Gegenteil ist der Fall: Ihr Bild von Israel wird immer differenzierter, die Klarheit weicht der Einsicht, dass es zahllose verschiedene Standpunkte gibt, die alle ihre Berechtigung haben.

Schlicht und doch subtil

Gliddens Zeichenstil mag schlicht und wenig eindrucksvoll wirken, doch gerade dadurch gelingt es ihr, subtile Akzente zu setzen.

Die Amerikanische Ausgabe ist bei Vertigo erschienen, dem Erwachsenen-Verlag von DC-Comics, die deutsche erscheint bei Panini, die ihr Geld zuerst mit Superhelden und den Simp­sons verdienen und hier den Schritt ins Feuilleton wagen. Vielleicht hielten sie es deshalb für nötig, das Wort „Graphic Novel“ aufs Cover zu pappen, damit auch der Begriffsstutzigste kapiert, dass hier nicht Superman die Konflikte mit der Stalfaust löst. Mit solchem Marketing unterschätzt der Verlag seine Leser – auch die von Superman.

  • Sarah Glidden: Israel verstehen in 60 Tagen oder weniger, Panini, 206 Seiten, 24,95 Euro