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Andrea Camilleris neuer Wurf „Der geraubte Himmel“ ist ein geheimnisvoller Briefwechsel, eine Liebesgeschichte und ein Kunst-Krimi. Ohne Commissario Montalbano und trotzdem spannend.

Michele Riotta, ein älterer und gut situierter Notar, lebt im sizilianischen Agrigent ein beschauliches Leben. Das ändert sich, als ihn der Brief einer unbekannten Frau erreicht, die sich Alma nennt.

Zunächst geht es in dem folgenden Briefwechsel um geheimnisvolle, unentdeckte Gemälde des Malers Jean Renoir, über die Riotta einst ein Buch schrieb. Alsbald aber verfällt der liebestolle Riotta seiner Briefpartnerin; erst recht, als beide sich erstmals zum Rendezvous treffen. Erst langsam erahnt der Leser (nicht aber Riotta), dass die Dame keine zarten Bande knüpfen will, sondern mit der vermeintlichen Liaison knallharte Interessen verfolgt.

Ein Genuss

An dieser Stelle mehr zu verraten, hieße das Lesevergnügen, das nicht zuletzt von den überraschenden Wendungen in der Handlung lebt, zu zerstören. Nur so viel: Immer wenn man meint, nun sei man am Kern der Geschichte angelangt, kommt es doch wieder anders. Wie Andrea Camilleri dieses Wechselbad auf viel zu kurzen 112 Seiten komponiert, wie er Liebesgeschichte, Familiendrama und Kriminalfall miteinander verwebt, ist meisterhaft und sprachlich ein Genuss.

Andrea Camilleri, der in dem schmalen Band „Der geraubte Himmel“ wieder beweist, dass er keinen Commissario Montalbano braucht, um seine Leser zu fesseln, überrascht diesmal mit einem Kunstgriff: Er beschreibt den Briefwechsel allein aus der Sicht des Notars – die Briefe der Unbekannten bleiben im Dunkeln. Erst nach und nach setzt sich somit für den Leser das Puzzle zusammen.

Letztlich wird deutlich, dass nicht nur Alma, sondern auch der vermeintlich überkorrekte Notar Michele Riotta ein gefährliches Geheimnis hütet – und dass die Briefschreiberin nicht die einzige Gefahr für Riotta ist, sondern ganz in seiner Nähe eine weitere Bedrohung lauert.

  • Andrea Camilleri: Der geraubte Himmel. Wagenbach Verlag, 112 Seiten, 14,90 Euro