Köln. . Eine Ausstellung rätselt mit am Mythos des Lawrence von Arabien, der selbst genug tat, um geheimnisvoll zu bleiben. Berühmt wurde er erst durch eine gigantische Unterhaltungsshow, die den echten Archäologen gehörig verklärte.
Einen Fachmann für Terrakotten und keramische Weihrauchgefäße zum Kriegshelden hochzujubeln, muss man als Meisterleistung von Propaganda einfach anerkennen. Thomas Edward Lawrence war ein schüchterner Oxford-Intellektueller, er neigte zu Archäologie und Literatur und ist trotz einiger Verdienste völlig vergessen; überlebt hat nur seine mediale Gestalt als Lawrence von Arabien, als genialer Stratege und Soldat, als Befreier Arabiens – der er nie war.
Quellenlage schummrig
Man weiß es nicht so ganz genau, denn die arabische Quellenlage ist schummrig wie immer; und Lawrence selbst „hat aus seinem Leben eine Geheimakte gemacht“, schreibt Werner Koch in einer 1995 erschienenen Biographie. Das war 60 Jahre nach dem Tod des Walisers, also darf man schon mal prophezeien: Da kommen keine neuen Fakten mehr nach. Interpretationen bestimmt noch, aber Lawrence lebt ja auch nur in solchen.
Es gibt da eine Ausstellung in aufklärerischer Absicht, die bereits in Oldenburg war und die demnächst nach Köln kommt. Sie heißt „Lawrence von Arabien – Genese eines Mythos“ und macht sich überaus verdient, weil sie nicht nur das Leben von Thomas Edward Lawrence (1888 – 1935) darstellt, sondern noch mehr den Mythos und, besonders spannend: wie er in die Welt kam . . . Wie war es möglich, dass ein Mensch, den zum Kriegsende 1918 niemand kennt, schon zwei, drei Jahre später dasteht als Lichtgestalt romantischen Soldatentums, die sich dramatisch abhebt von der Realität des Ersten Weltkrieges, von diesem namenlosen Schlachtfest in Schützengräben.
Er war immer irgendwie dabei
Schnell durch die Fakten, es dauert auch nicht lange. Lawrence ist als Archäologe im Nahen Osten, als der 1. Weltkrieg ausbricht. Er wird der britische Verbindungsoffizier zu den aufständischen Arabern, die
gegen die Herrschaft der mit Deutschland verbündeten Türkei herumrebellieren – so, das war nun schon die komplizierteste Stelle. Bei Angriffen auf Eisenbahnen und Nachschub ist er, soviel steht fest, irgendwie dabei. Und auch beim siegreichen Einmarsch in Damaskus, indes nicht als Triumphator an der Spitze der Truppen, wie die Medien später nahelegen. Auf den wenigen Fotos und Filmschnipseln aus jener Zeit sieht man ihn dagegen mal als Fahrer des arabischen Anführers Emir Feisal, mal als seinen Übersetzer oder als Fotografen.
Einer aber sah das Potenzial für eine richtig große Geschichte: der amerikanische (!) Journalist (!!!) Lowell Thomas, der im letzten Kriegsjahr 1918 den Nahen Osten bereiste. Er entwickelte die „Lawrence Of Arabia-Show“, ein Multimedia-Spektakel mit sensationell neuen Medien wie Film und Luftbild und sensationell alten Erfolgsrezepten wie nachlässig verschleierten orientalischen Tänzerinnen. Die Show, ohne des echten Lawrence’ Beteiligung, war vier Jahre auf Welttournee und wurde von vier Millionen Menschen gesehen. Danach war der Kriegsheld geboren und der Gelehrte vergessen.
Flucht vor dem eigenen Mythos
Der echte Lawrence erscheint nach dem Ende des großen Krieges noch auf verschienenen Friedenskongressen. Danach flüchtet er vor dem eigenen Mythos in unterschiedliche Pseudonyme und unterschiedliche Berufe, wird aber immer wieder enttarnt. Thomas Edward Lawrence stirbt am 19. Mai 1935 an den Folgen eines Motorradunfalls. Die Zeitungen schreiben: „Lawrence der Krieger stirbt, um ewig zu leben.“ Nun hat die Legendenbildung endgültig die Wahrheit überwuchert.
Und so läuft man gegen Ende der Ausstellung an einem Fernsehbildschirm vorbei, auf dem einige Playmobil-Figuren ihr ruckendes Unwesen treiben. Unten läuft die Zeile: „Demnächst hier ,Lawrence von Arabien – Ein Kinderfilm’“. Alles geht also in diesem Rätselspiel, „meine Rolle war sehr gering“, hat Lawrence einmal gesagt und mit einem anderen Satz sofort wieder dafür gesorgt, dass das Rätsel bleibt: „Im Allgemeinen ziehe ich die Lüge der Wahrheit vor, insbesondere, wenn es um mich geht.“
Und was, wenn dieser Satz gelogen ist?
- „Genese eines Mythos“ vom 29. April bis 11. September 2011 im Rautenstrauch-Joest-Museum Kulturen der Welt in Köln, Cäcilienstraße 29 - 33. Dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr