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Wer jemandem sein Ohr leiht, erfährt nicht nur mehr, sondern streitet auch weniger. Die Technik für das richtige Zuhören kann man lernen. Das Interesse an den Menschen muss man aber mitbringen.

Kinder hängen uns auch dann noch an den Lippen, wenn wir ihnen zum fünften Mal dieselbe Geschichte erzählen. Sie hören so gut zu, dass sie immer wieder etwas Neues entdecken. Doch je älter man wird, desto weniger sind die Menschen bereit, zuzuhören. Viele denken, dass sie nicht mehr erfahren. Und verschenken die Chance, überrascht zu werden.

Zuhören gehört zum guten Gespräch

Dabei sind die meisten Menschen überzeugt, dass Zuhören zu einem guten Gespräch gehört. Das bestätigen bei einer Allensbach-Studie 80 Prozent der Befragten. Nur „Vertrauen“ wird noch wichtiger eingeschätzt. Wobei Vertrauen und Zuhören zusammenhängen: Wenn wir einander zuhören, ohne uns von Stress und Vorurteilen die Gehörgänge verstopfen zu lassen, geben wir auch dem Gesprächspartner das Gefühl, dass wir ihm auf Augenhöhe begegnen. Er wird eher geneigt sein, „sich offen und ehrlich mitzuteilen . . . und nicht etwas vorzumachen, nur um gut dazustehen oder etwas zu verbergen, nur um nicht kritisiert zu werden“, schreiben die Gesprächsexperten Renate Motschnig und Ladislav Nykl in ihrem Buch „Konstruktive Kommunikation“.

Beim oberflächlichen Hinhören wird ein sehnsüchtiger Satz, wie „Ich vermisse dich“, schon mal in einen Vorwurf verwandelt: „Was kann ich dafür, dass ich wieder auf Dienstreise muss“. Und der Konflikt ist da: „Das habe ich doch nicht so gemeint!“ Aber gemeint ist noch nicht gesagt, gesagt ist noch nicht gehört und gehört noch nicht verstanden.

Versteckte Botschaften

Jede Botschaft, so der Psychologe Friedemann Schulz von Thun, beinhaltet mehrere Ebenen, auf denen es zu Missverständnissen kommen kann. Neben dem sachlichen Inhalt oder einem Appell, suchen viele Menschen auch versteckte Botschaften, wie die Person zu einem steht. Da wird aus dem Lob: „Das haben Sie aber heute gut gemacht“ schnell eine Kritik: „Sonst bin ich wohl nicht so gut?“. Vielleicht ließ sich der Kollege aber auch nur zu diesem Lob hinreißen, weil er sich selbst solch eine gute Arbeit nicht zutraut? Auch diese „Selbstauskunft“ könnte hinter dem Gesagten stecken. Es gibt somit viele verschiedene Möglichkeiten, einen Satz aufzunehmen. Um richtig zu verstehen, muss man schon genau hinhören.

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Von Maren Schürmann

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold? Da widerspricht die Sozialwissenschaftlerin Christina Thürmer-Rohr. Denn Zuhören ist nicht Schweigen. „Zuhören ist ein Akt der Zuwendung.“ Beim Zuhören möchte man eine andere Perspektive kennen lernen, man will dem Gesagten auf den Grund gehen. Nachfragen gehört dazu: „Das habe ich noch nicht verstanden.“ oder „Haben Sie das so gemeint . . ?“ Auch wenn jemand sich wiederholt, darf man und sollte man unterbrechen: „Das haben Sie bereits erwähnt, was möchten Sie genau damit sagen?“

Nachfragen – und das Gespräch bekommt mehr Tiefe

Durch offene Fragen bekommt das Gespräch mehr Tiefe, sagt die Psychologin Katja Dietrichkeit: „Auch im Konflikt ist es wichtig, aktiv zuzuhören, nicht aneinander vorbeizuhören.“ Dabei sei es hilfreich, die emotionale Ebene des Gesprächspartners zu erkunden: „Inwiefern habe ich Sie verärgert?“ Katja Dietrichkeit: „Der Redner kann dadurch seine Position noch mal überdenken, sie wird ihm durch aktives Zuhören klarer.“

Gutes Zuhören ist also lernbar? „Die Technik kann man lernen“, sagt Katja Dietrichkeit. „Aber es kommt auf die Haltung an. Wenn es einen nicht wirklich interessiert, was der andere sagt, dann hilft auch die Technik nicht.“ Thürmer-Rohr nennt dies „innere Gastfreundschaft“. Wenn die nicht gegeben ist, wird der Gesprächspartner das spüren und sich nicht öffnen.

Dabei kann ein gutes Gespräch äußerst inspirierend sein. Christina Thürmer-Rohr: „Zuhören kann jeder Mensch zu jeder Zeit. Gespräche verändern sich, wenn Menschen zuhören. Sie werden interessanter.“