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Frauen planen heute erst die Karriere und suchen dann erst einen Partner. Wenn sie soweit sind, sehen sie sich oft einer dramatischen Schieflage auf dem Heiratsmarkt gegenüber. Und viele Frauen jagen ein Phantom.

Annette ist das, was man neidlos eine beeindruckende Erscheinung nennen muss; neidlos, weil sie fröhlich ist und gerne lacht, sogar über sich selbst. Eine große, dunkelhaarige Schöne im Kostüm – sie könnte selbst in einem jener Werbespots auftreten, die die 37-Jährige verantwortet. Nur eines passt nicht ins perfekte Bild: Annette ist Single. „Die treuen, aufrichtigen Männer langweilen mich sehr schnell“, sagt sie, „die aufregenden bleiben nie lange.“

Nadine arbeitet zehn, elf Stunden am Tag, die 35-Jährige ist in der Personalabteilung eines Konzerns beschäftigt. Vor fünf Jahren begann sie mit der Partnersuche im Internet. Viele fühlten sich von den strahlenden Augen auf ihrem Profilfoto angesprochen. Vielleicht zu viele. Die Augen haben heute ein wenig an Glanz verloren: „Ich weiß nicht, welchen Versprechen ich noch glauben kann – und ob ich selbst noch spüren würde, wann ich verliebt bin.“

Bevor Maria bei einem Fernsehsender als „Freie“ unterkam, war die 51-Jährige Schauspielerin, Lebenskünstlerin, Zirkusartistin. Und hat auch mit Männern, nun ja, jongliert. Hat ein Leben geführt, das ewig neu, ewig jung schien. Vor zwei Jahren, als andere sich längst scheiden ließen, hat sie geheiratet: „Jetzt wäre ich an dem Punkt, an dem ich mir Kinder vorstellen könnte.“ Es klingt bedauernd.

Eine Welt, in der Frauen Männer nicht mehr brauchen

Annette, Nadine und Maria heißen in Wahrheit anders – Singlesein ist eines der letzten peinlichen Tabuthemen. Dabei leben wir doch erstmals in einer Zeit, einer Welt, in der Frauen Männer nicht mehr brauchen. Weil sie alles alleine können: Regale aufhängen, Karriere machen, One-Night-Stands haben, sogar eine Familie gründen (zur Not eben mit einer Samenspende). Frauen sind so frei wie nie zuvor!

Und wollen: sich binden. Wollen nicht mehr „nur für mich kochen“ (Nadine), nicht mehr „Clubreisen buchen“ (Annette). „Als Single hatte ich das Gefühl, nicht komplett zu sein“, sagt Juli, 28: „Ich will geliebt werden, ganz pauschal und umfassend.“ Auch Juli ist ein Pseudonym: Als „Juli Rautenberg“ ließ die Frankfurterin auf „das-single-experiment.de“ die Welt an ihrer Liebesfahndung teilhaben, im April erscheint im Eichborn-Verlag das Buch zum Blog. Was Juli nach „12 Monaten und 17 Kerlen“ erkannte: Single-Sein ist kein persönliches Manko – „das ist ein gesellschaftliches Problem“.

Warum ist die Partnersuche für Frauen heute so schwierig? Das Problem liegt darin: wann, wen und wie sie suchen.

Wann Frauen suchen: erst nach der Karriere

Frauen können heute alles, aber nicht alles gleichzeitig. Also entscheiden sie sich zunächst für die Karriere – vielmehr dafür, überhaupt einen Job zu finden. In der Studie „Frauen auf dem Sprung“ von 2009 gaben 91 Prozent der tausend Befragten an, ein sicherer Arbeitsplatz sei ihnen wichtig. Wenn diese Frauen einige Jahre später Zeit für eine Beziehung haben, sehen sie sich einer dramatischen Schieflage gegenüber. Während Frauen sich bei Männern von Dienstwagen, und Gehalt beeindruckt zeigen – schreckt Männer dies bei Frauen ab; 52 Prozent wollen „mehr verdienen als die Partnerin“.

Und: 41 Prozent der Männer legen Wert auf „gutes Aussehen“ der Partnerin. Evolutionsbiologen haben dafür eine feine Entschuldigung: Die klassischen Schönheitsmerkmale – eine „weibliche“ Figur, glänzende Haare, ein ebenmäßiges Gesicht – deuten auf gute Gebärfähigkeit hin. Und darauf fliegen Männer unbewusst. Nur: Nach jahrelangem Karrierespurt und ab einem gewissen Alter braucht es schon viel Aufwand, um diese biologischen Signale zu simulieren. Und das alles nur, weil Männer genetisch zu verblendet sind, die Schönheit eines Gesichts mit Geschichte zu erkennen! Oder auch: die Klasse eines Körpers mit Rundungen. „Ein Mann sagte mir: Wenn du zehn Kilo weniger wiegen würdest, würde ich mich verlieben“, erzählt Juli.

Wen Frauen suchen: ein Phantom

Die Welt hat sich gewandelt, Frauen wollen einen modernen Mann. Nur elf Prozent der Frauen ist das Einkommen des Mannes wichtig – aber 37 Prozent wollen einen, der sich Zeit für die Familie nimmt. Ist das ehrlich? Denn neben dem Bild vom neuen existiert ja noch das alte Rollenverständnis, welches die Ü-30-Generation von ihren Eltern kennt. Viele Frauen erträumen sich das Beste aus beiden Welten. Der Mann soll die Spülmaschine ausräumen und sexy sein. Er soll Elternzeit nehmen und für die Familie ein Häuschen herbeizaubern. Sie merken schon: Die kursiven Stellen markieren das Problem.

Hinzu kommt: Die alte Mär vom geselligen „gleich und gleich“ stimmt nicht immer – für Sprünge über den eigenen Horizont hinaus aber fehlt Frauen oft der Mut. Erst bei ihrer Intensiv-Suche erkannte Juli Rautenberg dieses Problem: „Ich habe jemanden gesucht, der auch glänzt und schillert, einen künstlerischen Typen. Aber: So jemand steht in Konkurrenz zu mir, und er ist vielleicht zu individualistisch, um sich zu binden.“

Als Pauschallösung für Single-Akademikerinnen wird oft empfohlen: mal in anderen Bildungsschichten gucken, oder gleich auf dem Land, wo mehr Männer als Frauen leben (in manch’ ostdeutschen Dörfern mit Traumquoten von 70 Frauen auf 100 Männer!). Bei Annette aber scheiterte die Leidenschaft für einen bodenständigen Nicht-Akademiker auf seiner bunten Couch: „Als ich in seine Wohnung kam, war es aus: so Achtziger-Jahre-Möbel, das geht gar nicht!“

Wie Frauen suchen: im Netz der Worthülsen

Fünf Millionen Deutsche suchen im Netz einen Partner; da sollte doch wohl was dabei sein! In Wahrheit potenzieren schier unendliche Möglichkeiten oft die Verzweiflung. Denn im Netz sehen wir nur den Ausschnitt eines Menschen. Sich in ein Lachen, einen Geruch, eine Stimme zu verlieben, ist nicht möglich. Stattdessen sollen getippte Wortwechsel jenen Funken überspringen lassen, der das Herz bekehrt. Der Kontakt per Mail schraubt Erwartungen hoch und höher. Zumal Frauen geradezu geschult darin sind, noch kleinste männliche Wortkrumen mit Bedeutung aufzuladen: Drei Zeilen, die mit „Dein“ Markus enden, erscheinen ihnen gleich wie ein Shakespeare-Sonett.

Wenn nun jede Mail, jede SMS eine Lebenswende bedeuten kann, jeder Smiley verheißungsvolle Zweideutigkeit, heißt das auch: Am Horizont wartet immer schon die nächste Textnachricht. „Unsere Generation legt sich nicht mehr fest“, sagt Juli: „Ich kenne nicht mehr viele, die einen Festnetzanschluss haben.“

Umso beeindruckender, wenn doch einer Klartext redet. Nach einem Jahr gab es für Juli ein „Happy End“. Was IHN unterschied? „Der wollte mich, ganz. Ohne Hintertürchen. Er hat sein Herz auf den Tisch gelegt.“ Manchmal braucht es so wenig.

Und so geht's Single-Männern