Vier Mittdreißiger führen ein Leben auf Sparflamme. Doch dann lässt Lucy Fricke sie für neue Wege brennen. Ihr Roman „Ich habe Freunde mitgebracht“ erzählt von jungen Erfolgreichen, die eigentlich alles haben, und sich doch leer fühlen.
Eigentlich haben sie doch das erreicht, was sie sich immer gewünscht haben: Hippe Jobs in einer noch hipperen kreativen Branche. Doch das Leben mit Mitte 30 fühlt sich trotzdem nicht so an, wie sie es sich erträumt hatten. Lucy Fricke, die Autorin von „Durst ist schlimmer als Heimweh“, erzählt von diesen geplatzten Träumen in ihrem neuen Roman: „Ich habe Freunde mitgebracht“.
Dass Martha und Henning, Betty und Jon Freunde sind, erkennen sie erst viel später – kurz bevor es zu spät ist. Zunächst geht jeder seinen eigenen (Leidens-)Weg: Die Radiomoderatorin Martha, die Henning seit zehn Jahren regelmäßig verlässt, um dann doch wieder zu ihm zurückzukommen, verspürt auf einmal einen Kinderwunsch. Henning, der fremde Comicfiguren zeichnet, ist seit zwei Jahren müde und möchte auch endlich mal seinen eigenen Helden in den Buchläden sehen. Dann ist da noch Jon, der gut aussehende Schauspieler, der leider immer nur eine Regieanweisung hört: „Bitte sterben Sie jetzt!“ Er hätte so gerne eine Charakterrolle – und wird dann doch wieder nur als Leiche engagiert. „Manche haben es als Geist geschafft, als Untote, aber als Leiche niemand.“
Du musst brennen
Und Betty, die ebenfalls beim Film arbeitet. Als „Continuity“ im Regieteam passt sie während der Dreharbeiten darauf auf, dass die Anschlüsse nicht verpasst werden.
„Du musst brennen“, hatte man Betty bereits vor Jahren als Rat für ihre Arbeit mitgegeben. Doch heute brennt sie nur noch für den verheirateten Produzenten und nicht mehr für ihren Job. Nicht so wie der Praktikant, den sie zurecht misstrauisch beäugt. Später wird er ein Video von ihrem Wutausbruch im Internet auf YouTube veröffentlichen.
Obwohl Lucy Fricke von einem Krisengebeutelten zum nächsten springt, verpasst sie die Anschlüsse nicht. Die Autorin hat selbst einst als Continuity gearbeitet und erzählt die Geschichte mit großer Leichtigkeit. Dabei lässt sie Martha und Henning, Jon und Betty ordentlich im Selbstmitleid wühlen. So stellt etwa Hennig fest: „Selbst wenn er sich nicht bewegte, ging es bergab.“
Aus Melancholie wird der Burnout
Das „Hätte-würde-könnte“ überzeichnet Fricke an manchen Stellen derart gekonnt, dass man unweigerlich laut lachen muss. Galgenhumor. Bis einem das Lachen dann doch im Hals stecken bleibt, weil sich bei Betty die anfängliche Melancholie in einen Burnout steigert, in eine Depression mit Selbstmordgedanken.
So schält Fricke nach und nach den wahren Kern jeder Geschichte heraus und führt die Menschen an ihre Grenzen. Dabei bietet die Autorin keine echten Lösungen für die Sorgen der Mittdreißiger. Sie betont lediglich, wie wichtig Freundschaft ist, und empfiehlt das, was wohl jeder Psychologe zu jedem Problem serviert: Nicht die Umwelt kann man ändern, aber die Einstellung zum Leben.
Und dann lässt Lucy Fricke doch noch die Rettung in Form eines Busses in Tukanblau anrollen. Eine Einladung für einen neuen Weg, einen gemeinsamen, mit Freunden. Das ist zwar unrealistisch – aber zugleich auch sehr schön. Man wird ja wohl noch träumen dürfen!
- Lucy Fricke: Ich habe Freunde mitgebracht, Rowohlt. 189 Seiten, 16,95 Euro