Barcelona. .

Ildefonso Falcones, Autor von „Die Kathedrale des Meeres“, schreibt in seinem neuen Epos über das Schicksal der spanischen Muslime. Im Gespräch erklärt der Anwalt, warum er keinen Justizroman schreiben möchte.

„Ich bin kein Rockstar“, erklärt Ildefonso Falcones bescheiden. Gleichwohl wird der 51-jährige Anwalt, der in Barcelona eine Kanzlei führt, in seiner spanischen Heimat als Star gefeiert, seit er vor vier Jahren mit seinem Debütroman die Literaturszene eroberte: „Die Kathedrale des Meeres“ verkaufte sich mehr als vier Millionen Mal in 46 Ländern. Damit sicherte sich der „katalanische Ken Follett“ den konstruierten Superlativ „Spaniens umsatzstärkster Autor historischer Romane“.

Wir treffen Falcones im „Real Club de Polo de Barcelona“. Hier verbringt der ehemalige spanische Juniorenmeister im Springreiten seine Freizeit. Soeben ist er aus dem Sattel gestiegen (elegant über ein Treppchen). Im lässig geöffneten blauweißen Hemd, das ein Goldkettchen samt Kreuzanhänger aufblitzen lässt, bittet er uns auf eine Terrasse und zündet sich eine Zigarette an. Endlich Besuch aus Deutschland. Obwohl „Die Kathedrale des Meeres“ hierzulande wochenlang die Buchcharts anführte, gab es weder Interview-Anfragen noch deutsche Fanpost. Das wird sich ändern, mit dem nun erschienen Epos „Die Pfeiler des Glaubens“ über das Schicksal der spanischen Muslime.

Die Vertreibung der Muslime in Spanien

„La mano de Fátima“ (Die Hand der Fatima), so der Originaltitel, erschien 2009 in Spanien zu einem Zeitpunkt, als sich die Vertreibung der Muslime zum 400. Mal jährte. Was Falcones zunächst nicht bewusst war: „Hätte ich daran gedacht, hätte ich das Buch nicht begonnen, weil ich mit ähnlichen Romanen rechnen musste.“ Doch nur Falcones schrieb über den Aufstand 1568, die Vertreibung der Mauren 1609 sowie über die grausame Spirale der Gewalt: „Dass allein ich mich darum gekümmert habe, zeigt einmal mehr, wie wenig das Thema bei uns interessiert.“

Es war eine Herzensangelegenheit, sich mit den blutigen Auseinandersetzungen zwischen Christen und Morisken (die abwertende Bezeichnung für die zwangsgetauften Mauren und deren Nachfahren in Spanien) zu beschäftigen: „Die historischen Tatsachen sind kaum bekannt.“ Der Autor kämpfte sich durch etwa 200 Bücher und viele historische Dokumente. Mit dem jungen Hernando erschuf er seinen markanten Protagonisten. „Er war der Sohn eines christlichen Geistlichen“, heißt es in dem mit suggestiver Kraft verfassten Roman, „der eine Moriskin geschändet hatte“ und damit die Frucht einer Vergewaltigung. Als Junge wollen ihn Muslime umbringen, weil sie ihn für einen Christen halten. Später wird er als Christ versklavt und muss seine Religion verleugnen. Er versucht zwischen Christen und Muslimen zu vermitteln. Ein dramatischer Konflikt, der kaum aktueller sein könnte und den Falcones in einer schlichten Sprache mitreißend schildert.

Falcones möchte unterhalten, aber mit Fakten

Angesichts der moralischen Wucht, mit der der Roman über den Leser hereinbricht, überrascht Falcones’ Antwort auf die Frage nach seinem Hauptanliegen: „Ich will unterhalten.“ Keine schlechte Basis, um Geschichte massenkompatibel aufzuarbeiten. Zumal der Autor betont: „Aber es müssen alle Fakten stimmen. Darauf haben die Leser ein Anrecht.“ Falcones historische Präzision geht ins kleinste Detail: Viel ist von Pferden die Rede, weil der spanische König einst eine neue höfische Pferderasse züchten ließ. Im Roman ist Hernando ein spanischer Pferdeflüsterer. Andere Details verblüffen. Die Gitter in Beichtstühlen, erzählt Falcones, „wurden vom Vatikan zur Pflicht gemacht, um Frauen vor den Übergriffen der Priester zu schützen.“ Auch erfuhr Falcones, dass in Tunesien Nachkommen vertriebener Morisken leben, die immer noch die Schlüssel zu jenen Häusern besitzen, aus denen ihre Ahnen vor Jahrhunderten in Granada vertrieben wurden.

Woher nimmt ein erfolgreicher Anwalt die Zeit, dickleibige Romane zu verfassen? Diszipliniert schreibt der Jurist „ein, zwei Stunden jeden Morgen.“ Eine Leidenschaft, der er bereits als Jugendlicher frönte. Roman folgte auf Roman, immer für die Schublade. Selbst als „Die Kathedrale des Meeres“ von acht spanischen Verlagen abgelehnt wurde, ließ er sich nicht beirren. Dann lachte das Glück, erinnert sich Falcones: Durch den Freund eines Freundes, der wiederum jemanden kannte, fand er endlich einen Verlag. Auch in Zukunft will der Experte für Zivilrecht historische Romane schreiben. Warum keine Justizromane? Das Vorbild von Kollegen wie Scott Turow oder John Grisham reizt den Vater von vier Kindern nicht: „Schreiben soll nicht die Fortsetzung meiner Arbeit sein, sondern gut gegen Stress.“

  • Ildefonso Falcones: Die Pfeiler des Glaubens, Bertelsmann. 926 Seiten, 24,99 Euro