Speyer. .

Die Ausstellung „Amazonen – Geheimnisvolle Kriegerinnen“ erzählt von Frauen, die schön und zugleich graumsam waren. Die Schau spürt einem Volk nach, das es jedoch nie gegeben hat.

Bis vor wenigen Jahrzehnten war die Bestimmung ja recht einfach, ob man es bei dem antiken Skelett da mit dem einer Frau zu tun habe oder dem eines Mannes. Archäologen nahmen an dieser Stelle gern eine Umleitung und beugten sich einfach über die Grabbeigaben: Wenn das Waffen waren, muss es sich um einen Mann gehandelt haben. Und um eine Frau, wenn das Schmuckstücke waren oder Löffel – von einem Spiegel ganz zu schweigen.

Skelette mit Kampfverletzungen

Leider macht der Fortschritt beliebter Wissenschaftszweige wie der Paläogenetik oder der Steppenarchäologie diese schlüssige Geschlechtsbestimmung für die weitere Zukunft zunichte: Sie haben nämlich waffenstarrende Gräber aufgetan, 2000 Jahre alt, 2500, in denen eindeutig Frauen lagen. „Hunderte Frauengräber mit Waffenfunden zwischen dem Schwarzen Meer und der heutigen mongolisch-russischen Grenze“, sagt Alexander Koch, der Direktor des „Historischen Museums der Pfalz“ in Speyer. Da viele der Skelette auch noch Kampfverletzungen zeigen oder die knochenerweichenden Folgen ständigen Reitens oder Bogenschießens, muss man folgern: Diese Frauen haben gekämpft.

Amazonen also? Jenes geheimnisvolle Frauenvolk, von dem die antiken Griechen schaudernd schrieben, wohl mit einer Prise Angstlust – Exotik trifft Erotik? Da sollte es ja ein Volk geben am Rand der griechischen Welt, schön und grausam, lauter Frauen; einmal im Jahr trafen sie sich mit Männern zum Zweck der Fortpflanzung, töteten Jungen oder gaben sie den Vätern und zogen die Töchter zu neuen Kriegerinnen heran.

„Die Männergleichen“, so hat Homer schon im 8. Jahrhundert die Amazonen beschrieben. Doch so tapfer sie auch waren: Wenn die Helden der griechischen Mythologie auf Amazonen stießen, so besiegten sie sie jedes Mal. Für Projektleiter Lars Börner ist die Sache damit klar: Der Mythos der Amazonen sollte die Überlegenheit der griechischen Gesellschaftsordnung zeigen – Männer machen Politik, Krieg und Demokratie, Frauen gefälligst das Haus. Und wenn Männer gerade nicht Politik, Krieg und Demokratie machten, tranken sie Wein und erfreuten sich an Trinkschalen, die Amazonen in erotischen Posen zeigten.

Gibt es eigentlich Fortschritt?

Die Trinkschalen und die Spieße, den Schmuck und die Schwerter, die Bilder und Texte zeigt das Museum in Speyer. Und „Amazonen – Geheimnisvolle Kriegerinnen“ kommt dabei zu folgendem Schluss: „Ein Amazonenvolk hat es nie gegeben, wohl aber einzelne Frauen, die kämpften, die geachtet und die gefürchtet waren“, sagt Alexander Koch, der Direktor. Vermutlich gehörten sie den skythischen Völkern an, nordöstlichen Nachbarn der Griechen, wenn man es nicht allzu genau nimmt.

„Der Kern des Mythos ist kein Frauenvolk, sondern das Kriegertum einzelner Frauen“, sagt ähnlich Börner – und daraus zimmerten die befremdeten Griechen das Bild eines eigenen Amazonen-Volkes. Das immerhin die Jahrtausende überdauerte, schwankend zwischen Männerfantasie und Frauenfortschritt. Oder wäre es nicht doch ein Rückschritt?

Amazonenschlacht (1856/57)von Anselm Feuerbach, Öl auf Leinwand. Leihgeber: Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg. Foto: S. Adelaide
Amazonenschlacht (1856/57)von Anselm Feuerbach, Öl auf Leinwand. Leihgeber: Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg. Foto: S. Adelaide © S. Adelaide

Und so spannt die Ausstellung sozusagen den Bogen bis in die Gegenwart. Da gab es Frauen in Sachsen oder in Frankreich, die anders lebten und sich Amazonen nannten; indes keine Kriege führten, sondern zum Beispiel jagten. Da gab es eine der wenigen kriegerischen Frauen-Einheiten, von denen man wirklich weiß: Die Garde des afrikanischen Königs von Dahomey war erfolgreich und weiblich.

Kriegerin Gumma – 20 Pfennige extra

Schlussendlich aber unterlagen sie der französischen Kolonialarmee und machten danach in Völkerschauen Europas Jahrmärkte unsicher: „Im Zoologischen Garten 1. bis 17. August 1891. Das Amazonencorps unter Führung der Oberkriegerin Gumma. 20 Pfennige extra!“

Dabei gehört zum Kern der Amazonengeschichte, dass sie immer an einem unbekannten Ort lebten. Die Griechen verorteten sie in der nicht näher bekannten Nachbarschaft, doch je größer die griechische Welt wurde, desto weiter weg mussten auch die Amazonen wohnen. Das ging immer so weiter: Das Mittelalter vermutete sie in Afrika oder Indien, die frühe Neuzeit am Amazonas (!). Heute steht fest: Auf der Erde sind sie nicht. Man darf sie auf der Venus vermuten, ach, Entschuldigung: natürlich auf dem Mars.

  • „Amazonen – Geheimnisvolle Kriegerinnen“ bis 13. Februar 2011 im Historischen Museum der Pfalz. Speyer, Domplatz 4, dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr. Tel. 06232 620 222

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