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Der Spiegel-Journalist Markus Feldenkirchen erzählt mit der Stimme seiner Generation von der Einheit, der Finanzkrise und der Liebe in „Was zusammengehört“. Ein großartiger Debüt-Roman.

Benjamin zählt zur Helmut-Kohl-Jugend, die „Birne“ als ein Synonym für Bundeskanzler verstand. Deutschland war nicht vereint und es gab auch keine Globalisierung. „Die E-Mail war noch nicht erfunden, weil das Internet fehlte, die Kurznachricht hieß noch Telegramm und Didi Hallervorden galt als lustig.“ In dieser Zeit reist der 16-jährige Benjamin zum Schüleraustausch nach Irland, um dort seine große Liebe kennen zu lernen, während in Berlin die Mauer fällt. 20 Jahre später bekommt der Banker Benjamin einen Brief, der so aussieht wie die irischen Liebesbriefe von damals.

Wahre, sehnsüchtige, unkitschige Liebe

Damit beginnt der Debüt-Roman des Spiegel-Journalisten Markus Feldenkirchen, Jahrgang 1975. Das Buch sieht nicht einladend aus. Bild und Klappentext lassen eine Liebesgeschichte wie viele vermuten. „Was zusammengehört“ handelt auch von Liebe, von wahrer, sehnsüchtiger, unkitschiger Liebe. Überdies ist dieser großartige Erstling aber noch so viel mehr!

Feldenkirchen zeichnet einen Menschen, der seinen Alltag in Kompromissen überlebt statt zu leben. Benjamin, der eine Freundin und eine Geliebte hat, soll von Frankfurt nach Dublin fliegen, in das kurzzeitige Finanzparadies. Der Banker soll Bericht erstatten, wie es nun dort aussieht, nachdem die Finanz-Blase geplatzt ist. Den Brief nimmt Benjamin mit. Er traut sich aber lange nicht, ihn zu öffnen.

Licht ins Liebes-Dunkel

Rückblicke bringen langsam Licht ins Liebes-Dunkel, steigern die Spannung, zeigen das Leben damals, als Benjamin die Euphorie seines Lehrers Boell über die fallende Mauer nicht teilen konnte. Der Altachtundsechziger machte sich dagegen stets Sorgen über die Sorglosigkeit der Jugend in den 80ern.

Feldenkirchen entlarvt sie: die Generationen mit ihren unterschiedlichen Weltanschauungen, die frommen Gläubigen des Katholizismus und auch die des Kapitalismus. Bissig und intelligent geht er vor, ohne intellektuell abzuschweifen. Dabei fängt er die Stimmung der erwachsenen Kohl-Jugend ein, die mitten auf dem Arbeitsmarkt steckt und doch nicht im Leben angekommen ist.

Wie in Heinrich Bölls „Irisches Tagebuch“

Der Autor zeigt viel von Irland, von der Geschichte, der Kultur. Dass man fast den Torf riecht und die Flöte spielen hört. Wie in Heinrich Bölls „Irisches Tagebuch“ ist auch bei Feldenkirchen eine kritische Liebe zur Insel spürbar. Ähnlich wie der Nobelpreisträger sieht er Irland im Vergleich zu Deutschland. Die Mauer fällt, doch in Irland ist nicht mehr zu denken an: „Wir sind ein Volk“.

Tiefgründig ist dieser Roman. Und trotzdem mit großer Leichtigkeit geschrieben. Er lässt einen lachen – und auch ein bisschen weinen. Er hält einen fest. Bis zur letzten Zeile. Man schlägt das Buch traurig zu, weil die Geschichte trotz offenen Endes erzählt ist. Und dann wünscht man sich: Bitte mehr davon!

  • Markus Feldenkirchen: Was zusammengehört, Kein & Aber. 319 Seiten, 19,90 Euro