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Was tut der Mensch nicht alles, um zufrieden, ruhig und glücklich zu werden? Mancher verkauft gar seine Seele. Ja, die Geschichte von Faust, sie ist schon alt und der unterirdische Pakt, den Goethe beschrieb, wurde unzählige Male in die Jetztzeit gebracht. Auch einem gewissen Felix Görner sitzt der Faust im Nacken.
Der Comicerzähler, der längst unter dem Kürzel Flix etabliert ist, hat sich schon vor zwölf Jahren mit einer Mischung aus anarchischem Witz und kongenialem Dilettantismus einen Comic namens „Who The Fuck Is Faust?“ vorgenommen. Was ihm ordentliche Beachtung bescherte, doch den intellektuell nicht unambitionierten Schöpfer keineswegs ruhig und befriedigt zurückließ. Zumal Flix seinerzeit noch nicht ganz zu seinem Stil und der heutigen Unaufgeregtheit des Erzählens gefunden hatte.
Drum macht er sich nun zum zweiten Mal an Goethes Meisterstück: „Faust – Der Tragödie erster Teil“. Und siehe da: Er ist ihm wohlgelungen, der echt verflixte Faust. Wenn auch mit kleinen Einschränkungen. Denn Flix dampft die Saga um das Streben nach Erfüllung in Geist und Seele ein. Im Kern steht eine Berliner Lovestory, in die sanft die Frage spielt: „Wie hast du’s mit der Religion?“.
So ist der Himmel über Berlin dreigeteilt zwischen den Weltreligionen, während die Unterwelt nur von Mephisto bearbeitet wird. Und während der christliche Gott über das Universum waltet wie über eine MySpace-Seite, leistet Mephi böses Werk vor Ort, um das verkorkste Leben und die Seele des armen Faust in die Klauen zu bekommen.
Nun kommt auch noch, wie es sich für Berliner Verhältnisse gehört, eine Multikulti-Komponente ins Spiel: Gretchen ist Türkin – und heißt nur Margarete, weil ihr Vater einst für die Schreinemakers schwärmte. Und Grete macht es kompliziert, weil sie ja längst versprochen ist . . .
Da fragt man sich: Was hat Flix, was Goethe nicht hat? Zunächst: Der Comiczeichner ist bekannt für seinen bestechend einfachen Stil, sein Faust ist einer, den man schon im Alter von zwölf Jahren versteht, der aber schon so viel der Faustschen Substanz vermittelt, dass man ihn als leichten, detailverliebten Einstieg gut empfehlen kann. Darüber hinaus: Flix macht mehr Spaß, schließlich sind seine Zeichnungen gespickt mit comiceigenem Humor, etwa wenn Faust sich so sehr anstrengt, mit dem Herzen zu denken, dass die Denkblase, die dem Gefühlsmuskel entspringt, zerplatzt. Leider bedient sich Flix mit seinen Texten zweimal zu oft beim Fernsehen, er zitiert Stromberg („Kannichnich wohnt in der Willichnich-Straße“) oder Monty Python („Knickknack“).
So sehr sich Flixens „Faust“ in dieser „Version 2.0“ auch dem Dichterfürsten angenähert hat, so weit ist er noch von dessen Brillanz entfernt. Wen also würde es wundern, wenn Flix in zehn, zwölf Jahren noch einmal nachdächte und erneut zur Faust-Feder griffe. Schließlich gilt: „Es irrt der Mensch, solang er strebt“.
Flix „Faust – Der Tragödie erster Teil“, Carlsen, 96 S., 14,90 €