Sie waren mehr als eine Krautband: Grobschnitt feiert 40. Geburtstag, mit Drei-Stunden-Show und deutlich verjüngt.
Wenn ihr Name fällt, geraten alte Konzert-Kämpen ins Schwärmen. „Egal, wo die gespielt haben, es hat nie lange gedauert, dann war die Feuerwehr da! Aber es ist nie was passiert!“ „Die hatten eine Super-PA, aber alles war selbst gebastelt!“. „Die waren sich für nichts zu schade, die sind überall aufgetreten, im winzigsten Kaff, im kleinsten Saal – das war die beste Dorfkapelle der Welt!“ Ihr Name katapultiert verzückte Menschen jenseits der 50 zurück in eine Zeit, als es noch Langspielplatten gab, Konzertkarten für unter sieben Mark zu haben waren und die Gigs drei Stunden dauerten. Mindestens.
Grobschnitt, gegründet 1970 in Hagen und 1989 aufgelöst, war nie bloß eine Krautrockband. Grobschnitt war ein Gefühl. Eine Gemeinschaft. Und live – als Mix aus Musik, Feuerzauber, und Theater, psychedelischer Lightshow, Improvisation und Sprach-Comical, ein Gesamtkunstwerk.
17 Jahre mussten die Fans darben. Zwar vertrieben sie sich die Zeit mit intensivem Austausch über Fansites und Internet-Foren, sie veranstalteten Grobschnitt-Partys, sahen sich alte Videos auf Leinwand an und sammelten akribisch die immer neuen CDs mit Live-Material, die ein gewisser Joachim Ehrig, besser bekannt als Eroc, in seinem Studio bei Hagen restauriert und digitalisiert herausgab – aber ans echte Erlebnis reichte das alles nicht heran.
Im Mai 2007 ereignete sich dann ein Wunder. Grobschnitt, in neuer Formation, starteten in Aschaffenburg einen zweitägigen Testlauf. „Nee, ein Wunder war das nicht“, sagt Stefan Danielak alias Willi Wildschwein, Gründungsmitglied und bis 1989 Sänger und Gitarrist der Band, „das waren unsere Söhne.“
Mit Prog-Rock im Herzen
Manu Kapolke, Sohn von Michael „Milla“ Kapolke, ab 1979 der Mann am Bass bei Grobschnitt und Stefan „Nuki“ Danielak jr. lernten sich durch Zufall kennen. Beide waren von der Musik ihrer Väter „schon pränatal geschädigt“, wurden groß mit Prog-Rock im Herzen und Scheiben von Pink Floyd, Genesis und Yes auf dem Plattenteller.
Wie würde sich Grobschnitt heute anhören? Fragte sich der Nachwuchs. Und: Können wir das spielen? „Irgendwie kam unser alter Schlagzeuger dazu, dann haben die klammheimlich angefangen zu proben.“ Mit Demian Hache, Sohn von Millas Ex-WG-Mitbewohner Deva Tattva, gab’s auch einen, der fähig war, das Tastenwerk zu bedienen: „Und damit waren die fast eine komplette Band.“ Fast. Denn eine Kleinigkeit fehlte: der Sänger. „Mit der Musik hatte ich eigentlich abgeschlossen“, sagt Danielak senior, „aber die sind mir dermaßen auf den Nerv gegangen, die haben so gebohrt, dass ich eines Tages dann doch hingefahren bin.“ Ein bisschen hat er mitgesungen, „und nach einer halben Stunde ist es passiert – auf einmal war ich mitten drin, und es hat mich wieder gepackt.“
Beim Testlauf in Aschaffenburg dabei: Willi Wildschwein (Gesang, Gitarre), Milla Kapolke (Gesang, Bass, Moog Taurus), Rolf „Admiral Top Sahne“ Möller (Schlagzeug), Rainer Loskand alias Toni Moff Mollo (Gesang, Lightshow), Deva „Tatti“ Tattva (Tasteninstrumente), Stefan „Nuki“ Danielak jr. (E-Gitarre, Gesang), Manu Kapolke (E-Gitarre, Akustikgitarre, Gesang) und Demian „Demi“ Hache (Trommeln, Tasten). Acht Musiker, zwei Generationen. Väter und Söhne.
„Die Arbeit mit den Kindern ist eine faszinierende und fantastische Sache“, sagt Wildschwein, „da profitieren wir alle von. Wir können über Grenzen gehen, für die wir allein nicht die Traute hätten und den Kindern wird klar, wie gnadenlos lang man üben muss, bis ein Stück richtig passt. Nicht nur rhythmisch stimmt, sondern groovt.“
Ein Geschenk an uns selbst
2010 ist es 40 Jahre her, dass Grobschnitt gegründet wurde. Anlass für zehn Konzerte: „Als Geschenk an uns selbst.“ Und die Fans. Denn die erwartet eine Drei-Stunden-Live-Show. Mit dem Kultwerk „Rockpommel’s Land“, nicht nur, erstmalig seit 1978, in voller Länge, sondern ergänzt durch Prelude, Einleitung, neue Teile und Epilog (das man vor Ort unter dem Titel „Grobschnitt 2010“ als Live-Aufnahme kaufen kann), um „anschließend zwei Stunden Party zu machen“.
Alles so wie früher? „Wir machen nicht mehr Klamauk um jeden Preis, aber bei Stücken wie ,Solar Music’ da muss es einfach nebeln und räuchern, und bei ,Rockpommel’s Land’ müssen die bösen Steinmänner über die Bühne wanken.“
Die Zeiten, sagt der Sänger, sind andere: „Früher konnten wir eine Tour mit 20 Auftritten durch Hagen machen, so viele Jugendclubs, Gemeindehäuser und Kneipen gab es. Heute kennt man alles schon vorher, von Videos, DVDs, übers Internet.“ Aber das Gefühl, so der 58-Jährige, ist das gleiche wie damals: „Du stehst auf der Bühne und aus dem Saal kommt dir ein Schwall Energie entgegen, dass es dich fast gegen die Wand drückt. Das geht durch und durch, von oben bis unten“. Das berühmte Feuer ist wieder da.
Grobschnitt live: 15. Mai, Volkshalle Lendringen, Menden, 5. Juni, Mehrzweckhalle Hückeswagen, 9. Oktober, Westfalenhalle Dortmund.
www.grobschnitt-band.de