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Wie eine Biografie verkauft, aber wie ein Blick in die Gedankenwelt von Karl Marx geschrieben ist Rolf Hosfelds Buch „Die Geister, die er rief“. Enttäuscht wird allenfalls, wer hier anekdotenhafte Schilderungen aus dem Leben des rastlosen Revolutionärs erwartet.
Karl Marx. Ach ja, auch so ein Verlierer der Geschichte. In den 20 Jahren nach dem Zusammenbruch der letzten realsozialistischen Systeme in Osteuropa, die sich auf den weißbärtigen Mann aus Trier beriefen, war der Urvater des Kommunismus immer mehr in Vergessenheit geraten.
Ein grober Fehler.
Als die große Bankenkrise einsetzte und mit ihr die Angst, auch die realwirtschaftliche Welt könne zusammenbrechen, erinnerte man sich dann zumindest in einigen Publikationen wieder der Thesen des Alt-Sozialisten. Der hatte schon im 19. Jahrhundert genau solche Krisen als Bestandteil des gerade aufblühenden Kapitalismus vorhergesagt. Und er hatte auch wissenschaftlich begründet, dass dieser Kapitalismus nur eine Übergangsphase der Menschheitsgeschichte darstellen könne. Hatten sich die Marx’schen Thesen nicht spätestens in den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts als völlig falsch herausgestellt? Hatte sich nicht der Markt als wesentlich robuster dargestellt als Marx?
Enttäuscht wird, wer anekdotenhafte Schilderungen aus Marx’ Leben erwartet
So mögen Menschen denken, die das FDP-Parteiprogramm für den Endpunkt der Geschichte halten und den Media-Markt für das Paradies auf Erden.
Seit dem Zusammenbruch der sozialistischen Staaten hat das kapitalistische System zwei schwere Krisen durchlebt, die ganze Volkswirtschaften an den Rand des Ruins brachten. Die dritte – manche sagen auch finale –, Krise ist da nur eine Frage der Zeit.
Es lohnt also, sich mal wieder ein wenig intensiver mit Marx und seinen Analysen zu beschäftigen. Und hier bietet die „neue Karl-Marx-Biografie” von Rolf Hosfeld einen guten Einstieg. Enttäuscht wird allenfalls, wer in „Die Geister, die er rief“ anekdotenhafte Schilderungen aus dem Leben des rastlosen Revolutionärs erwartet. Alles Private rückt in dieser Biografie weit in den Hintergrund.
Das liest sich bei Hosfeld sehr gebildet, sehr informativ und nicht zuletzt auch spannend
Stattdessen stellt Hosfeld die materiellen und gedanklichen Einflüsse vor, die Marx zu seinen Werken getrieben haben, deren berühmteste – das „Manifest der Kommunistischen Partei” und „Das Kapital” – einst zur Pflichtlektüre jedes Studenten jenseits der Jungen Union gehörten. Hegel, Feuerbach, Saint-Simon, Proudhon und viele viele andere – das alles liest sich bei Hosfeld sehr gebildet, sehr informativ. Und nicht zuletzt auch durchaus spannend. Es beweist, dass Marx – bei allem Genie – natürlich ein Kind seiner Zeit war.
In weiteren Kapiteln zeigt Hosfeld auf, welchen gigantischen Einfluss Marx seinerseits ausübte – auf deutsche Sozialdemokraten wie auf russische Kommunisten.
Dass Hosfeld dabei kein unkritischer Jünger des alten Marx’ ist, merkt man spätestens im letzten Teil der Arbeit. Der von Marx ausgehende „Größenwahn der Machbarkeit von Geschichte forderte allerdings Millionen Opfer”, schreibt der Autor und fragt: „Sind sie Marx anzukreiden? Ja und nein. Hielt man an seiner Überzeugung fest, dass der Kommunismus das notwendige Ergebnis der Geschichte war, musste man ihn gewaltsam herstellen, wenn sich Marx’ Prognosen als unrealistisch herausstellen sollten.” Eine ebenso klare wie wohl umstrittene Schuldzuweisung.
Und dass Hosfeld an anderer Stelle Marx gar mit Nietzsches Zarathrustra in einem Atemzug nennt – zumindest das hat der Mann aus Trier nun wahrlich nicht verdient.
- Rolf Hosfeld: Die Geister, die er rief. Eine neue Karl-Marx-Biografie, Piper. 260 Seiten, 19,95 Euro
Was Sie
wissen sollten: Marx im Original, das lohnt sich immer. Als Einstieg: Das Manifest der Kommunistischen Partei - gibt’s auch als Hörbuch.