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Die Stillende in Kunst und Alltag – gerade ist eine vielseitige Abhandlung über die Bedeutung der Mutterbrust erschienen. Ein Thema, das delikat erscheint, aber doch das Natürlichste der Welt ist.

Zu den großen Fragen unserer Existenz kommen immer wieder neue Überlegungen: Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin? Und: Habe ich als Kind die Brust bekommen?

Rund 50 Prozent der Neugeborenen weltweit werden nach Schätzungen von Unicef zwei Jahre oder mehr gestillt. In den Industrieländern sind es nach sechs Monaten allerdings nur noch zehn Prozent. „Maria Lactans“, das Buch zur Ausstellung im Wiener Dom Museum über „Die Stillende in Kunst und Alltag“ ist ein Plädoyer für die intensivere Hinwendung zur Mutterbrust.

Wem das Thema bislang ein wenig delikat erschien, der findet auf 126 Seiten allerlei gute Gründe, über die Bedeutung der Muttermilch nachzudenken. Über ihren gesundheitlichen Effekt als natürlicher Schutz vor Allergien, Bluthochdruck und Diabetes sowieso; vor allem auch als Basis eines tiefen Urvertrauens und damit als Beitrag zur Gewaltprävention, wie es der österreichische Mediziner und Kinderschutzbund-Begründer Hans Czermak erklärt. Aber wer hat Friedensnobelpreisträger schon danach gefragt, wie lange sie als Baby zur Brust genommen wurden.

Gegen Schnupfen, Magenstechen, Schwindsucht

Dafür bieten die Autoren eine etwas verworrene, aber umfassende Betrachtung des Themas zwischen bildender Kunst und der Erfindung der Kinderkrippe, zwischen religiöser Symbolik und den am Wolfsbusen gesäugten Rom-Begründern Romulus und Remus. Vom alten Ägypten geht es da ins byzantinische Reich, wo Ammen das Stillen in wohlhabenden Haushalten übernehmen. Vom Mittelalter, als Frauenmilch selbst gegen Schnupfen, Magenstechen und Schwindsucht eingesetzt wird, geht es zur Kunst, die das Urbild der innigen Mutter-Kind-Verbindung, die Gottesmutter als Maria lactans in Meisterwerken verherrlicht: Angefangen bei Lucas Cranachs „Maria lactans“ bis zu Pablo Picassos „Mutterschaft“. Dass die vermeintlich natürlichste Nahrungszufuhr wechselnden Moden und Wertvorstellungen ausgesetzt ist, erfährt man auch. Mal gilt Stillen als Zeichen der Armut, mal gehört es zum großbürgerlichen Lebensentwurf. Mal ist Stillen selbst bei Ärzten als altmodisch verpönt, wie in den an Konsum und Freiheit orientierten Nachkriegs-Jahren, dann wird es in den Kliniken gefördert mit „Rooming-in“. So zeigt das Buch das Still-Leben aus allen Blickwinkeln.

  • Maria Lactans, Die Stillende in Kunst und Alltag, Wiener Dom Verlag. 126 S., 19,90 Euro