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Gerichts-Krimi-Meister Scott Turow bringt einen alten Bekannten erneut vors Gericht. Rusty Sabich, der in „Aus Mangel an Beweisen“ seine Geliebte ermordet haben sollte, wird in „Der letzte Beweis“ beschuldigt, seine Frau getötet zu haben.
Heute prägt eine Handvoll Fernsehrichter die Vorstellung davon, wie es in Gerichtssälen wohl zugeht; nämlich lustigerweise ebenso prollig wie in den Talkshows derselben Sender. Doch vor Barbara Salesch war das auch nicht besser, da vermittelten amerikanische Gerichtskrimis ein anderes falsches Bild; Laien waren dann überrascht, dass in einem deutschen Landgericht der vollendete Dialog „Einspruch, Euer Ehren“ – „Einspruch abgelehnt“ so gut wie nie vorkommt.
Ein Genre ,Deutscher Gerichtskrimi’ gibt es bis heute nicht, dazu sind die Gefühle vor Gericht zu heruntergeregelt und die Prozesse zu sachlich, oder literarisch betrachtet: zu langweilig. In den USA mit ihrem konfrontativen Rechtssystem aber lebt der Gerichtskrimi. Einer seiner Könner, der Anwalt und Autor Scott Turow (61), hat jetzt „Der letzte Beweis“ vorgelegt; und das einzige Manko ist, dass die Handlung den Gerichtssaal erst nach empörenden 252 Seiten betritt. Dann freilich mit einem anderen vollendeten Satz: „Nennen Sie bitte Ihren vollständigen Namen!“
Richter Rusty Sabich auf der Anklagebank
Da sitzt dann endlich der Richter Rusty Sabich auf der Anklagebank, der seine Frau ermordet haben soll. Vor 21 Jahren stand Sabich schon einmal vor Gericht, damals sollte er seine Geliebte umgebracht haben. In jenem Prozess war Sabich freigesprochen worden, und nun sieht der Staatsanwalt Tommy Molto seine zweite Chance gekommen, den verhassten Rusty Sabich ins Gefängnis zu argumentieren.
Irgendwas kommt Ihnen bekannt vor? Nun, Sabich, Molto und die tote Geliebte, das war die Lage in Turows erstem Roman „Aus Mangel an Beweisen“. Seitdem ist Turow aber stärker geworden und über den reinen Gerichtskrimi hinausgewachsen (siehe auch „nach 252 Seiten“).
Bei ihm gibt es tatsächlich ein Leben außerhalb des Gerichts, und auch guten Menschen geht normal viel schief. Die Klischees der Branche umschifft Turow auch, die besagen: Der Staatsanwalt ist ein Schurke, die Jury eine manipulierte Bande von Trotteln, der Richter hart, aber fair, der Amwalt ist jedoch der Held; so hat es Erle Stanley Gardner gewollt, der Gottvater des Gerichtskrimis, Autor von über 80 Perry-Mason-Romanen – und Anwalt. Und hunderte Autoren schrieben ihm das nach. In Turows Roman jedoch liest es sich so: „Die meisten Gäste waren Prozessanwälte, ein von Hause aus liebenswerter Menschenschlag.“ Ironie, versteht sich.
Einspruch abgelehnt.
- Scott Turow: Der letzte Beweis, Karl Blessing Verlag, 576 Seiten, 21,95 Euro