Mit ihrem Roman „Gezeichnet” feiert das Mutter-Tochter-Gespann Cast einen Verkaufserfolg. Da geht es wieder mal um Vampire und steile Zähne. Stil und Geschichte sind jedoch wenig ausgefeilt.

Noch vor wenigen Jahren war das Vampir-Genre blutleer. Doch seit Stephenie Meyer ihren Traum von der Liebe eines schönen Vampirs zu einem Mädchen zu Papier brachte und damit die ganze Welt in ihren Bann zog, sind Blutsauger Popstars. Produktionsfirmen stecken Millionen in Filme und Serien, Buchhandlungen haben ganze Regale blutiger Geschichten – und diese Goldader möchten viele Autoren anzapfen. Das Mutter-Tochter-Gespann P.C. und Kristin Cast gehört mit dem Roman „Gezeichnet“, der jetzt als erster der bereits sechsteiligen Reihe auf Deutsch erschienen ist, dazu. Leider.

Die Idee muss dem Verlag großartig erschienen sein: „Harry Potter” ging weltweit mehr als 400 Millionen Mal über den Ladentisch, die „Twilight”-Reihe immerhin über 85 Millionen Mal. Wenn man die beiden Geschichten mixt, muss einfach der Rubel rollen. Doch wer einmal versucht hat zu kochen, weiß, dass gute Zutaten nicht automatisch ein leckeres Gericht ergeben. Denn auf die Gewürze kommt es an.

Zum Langzahn dank Hormonen

Zoey ist ein 16-jähriges Mädchen, das seit der Scheidung ihrer Eltern im Haus ihres Stiefvaters lebt, eines verbohrten und herzlosen Mannes, der sich als Kirchenältester seiner Gemeinde für den Maßstab aller Moral hält. Mit ihren Geschwistern kommt sie nicht klar und ihre Mutter hat sich seit ihrer Heirat in ein Anhängsel ihres Mannes ohne eigene Meinung verwandelt. In der Schule wird sie eines Tages von einem Vampir-Späher erkannt und auf ihrer Stirn erscheint der Umriss eines blauen Halbmondes (hier wird man nicht durchs Beißen, sondern durch Hormonveränderungen zum Langzahn).

Von da an ändert sich alles für sie: Ihre Freunde halten sie für einen Freak, ihre Eltern lassen sie fallen und ihr Körper rebelliert gegen die neue Macht in ihr. Ihre einzige Chance ist das Internat „House of Night“, in dem Jungvampire auf ihr neues Leben vorbereitet werden – wenn sie nicht sterben, weil ihr Körper die Verwandlung nicht aushält. Doch vorher wird ausgerechnet sie von der Vampirgöttin Nyx auserwählt und mit Fähigkeiten ausgestattet, die noch kein Jungvampir hatte, und ihr in den ersten Tagen schon voll ausgeprägtes Halbmond-Tattoo macht sie auf den ersten Blick zu etwas Besonderem. Ein Schelm, wer da an Harry Potter denkt.

Auf Jugendsprech gedrillt

Auch wenn die Idee spannend ist, scheitern die Autorinnen kolossal: Sie hetzen durch die Geschichte, als gäbe es kein Morgen. Da bleibt keine Zeit für die Entwicklung der Charaktere. Und sprachlich ist „Gezeichnet” eine Zumutung, was vor allem daran liegt, dass der Roman auf Jugend-Sprech gedrillt wurde. So darf sich der Leser an der endlos langen Beschreibung der makellosen Schönheit der Vampir-Hohepriesterin Neferet laben, an ihren moosgrünen, mandelförmigen Augen, der cremefarbenen Haut, ihrem tiefroten, welligen Haar, die schließlich mit einer überraschenden Perle endet: „Und sie hatte tolle Möpse.” Egal was Zoey Gruseliges geschieht, sie reagiert mit einem belesenen „Hä?” oder wirft ihrer besorgten Freundin an den Kopf, sie glotze wie ein Karpfen.

„Gezeichnet” und ihre fünf Fortsetzungen werden vom Verlag als „einzige legitime Nachfolge der Bis(s)-Romane” beworben. Völlig zu Unrecht, denn Stephenie Meyer kann Geschichten erzählen – bei allem, was man auch bei ihr in sprachlicher und ideologischer Hinsicht kritisieren kann. Aber die Werbung war erfolgreich: Schon jetzt haben die Casts, von denen der S. Fischer Verlag auf seiner Homepage nur erzählen kann, dass sie in Oklahoma wohnen, über acht Millionen Bücher verkauft, der erste Film ist schon in Planung.

Blutsauger sind eben in – und Geschmäcker zum Glück verschieden. P.C. und Kristin Cast, Gezeichnet. House of Night 1, FJB, 464 Seiten, 16,95 Euro