Teure Weihnachtsgeschenke sind out. Stattdessen heißt der Geschenke-Trend 2022: gemeinsam verbrachte Zeit. Das muss nicht immer gutgehen ...
Es gibt ja seit Jahren den weihnachtlichen Trend zu einer neuen Bescheidenheit. Kein großer Pomp mehr bei der häuslichen Dekoration, kein übermäßiger Glitter und Glitzer am Christbaum, stattdessen naturnahe Kränze, echte Zweige und Kiefernzapfen auf der Fensterbank und die altmodischen, leicht abgeblätterten Anhänger aus dem großmütterlichen Bestand als traditionsumwobener Baumschmuck. Auch beim Thema Geschenke hat sich ein Paradigmenwechsel vollzogen, der sich mit dem Motto „Mehr Qualität statt Quantität“ umschreiben lässt. Wobei in diesem Fall Qualität eben nicht für Hochpreisiges oder gar Luxus, sondern, ganz im Gegenteil, für „nichts“ steht. Was heißt, dass man sich gegenseitig nicht mit Materiellem beglückt, sondern mit dem, was man neudeutsch „Quality Time“ nennt. In den sozialen Netzwerken begegnen einem ständig Leute (und zwar in der Regel finanziell gut gestellte), die bekunden, dass sie schon seit Jahren an Weihnachten lieber für gute Zwecke spenden (absolut ehrenwert) und der Familie – völlig unabhängig von Krisen, Inflation und anderen äußeren Lebenseinwirkungen, sondern aus ganz bewusster Entscheidung – statt Präsenten an den Festtagen ihre Zeit schenken. Es ist allerdings anzunehmen, dass in diesen Familien keine kleinen Kinder leben, ansonsten dürfte die Enttäuschung unausweichlich programmiert sein, da hülfen dann wohl auch keine Erklärungen zum Übermaß der Kommerzialisierung.
Wichtigstes Mitbringsel: Harmonie
Ansonsten klingen solche Konzepte wirklich wundervoll, ja nahezu betörend. Theoretisch.
Leider fehlt mir zu sowas die Konsequenz. Und ein bisschen auch die Überzeugung. Denn fühlt es sich nicht doch schöner an, wenn man bei Müttern und Vätern, Tanten, Onkeln, Großeltern, Geschwistern oder längst erwachsenen Kindern vor der Tür steht, um gemeinsam zu feiern, und ein Mitbringsel im Gepäck hat, so man es sich leisten kann? Und sei es nur ein kleines? Nun ja, sagen wir, ein verhältnismäßig kleines. Würde man ja zu allen anderen Anlässen im Jahr auch tun. Es muss sich ja nicht zwangsläufig zu einem Geschenke-Happening im Stil eines Loriot-Sketches zuspitzen.
Denn, mal ganz unter uns, familiäre Zeit schenken sich viele über die Feiertage ja sowieso, quasi automatisch, (weniger gesellige Naturen behaupten gar: mehr, als man eigentlich verkraften kann), wenn man zwischen Heiligabend und dem zweiten Feiertag nahezu ohne Pause zwischen diversen Familienzweigen und in allen möglichen verwandtschaftlichen Konstellationen hin und her mäandert. Bedauerlicherweise führt in der Realität das Konglomerat aus zu viel Essen, zu viel Gequassel und zu viel Nähe häufiger zu Konflikten als zu gemeinsam erlebter „Quality Time“.
Deshalb sollten wir in jedem Fall ein Geschenk mitbringen, und zwar allen, denen wir in diesen Tagen begegnen: Es heißt: Harmonie.