Dortmund. Beim Pralinenseminar von „Pott au Chocolat“ in Dortmund lernen die Teilnehmer, wie man Pralinen selber macht: von der Hülle bis zur Verzierung.

Es ist zum Niederknien, nein, zum Drunterlegen! Und erst der Duft: nach Kindheit, Weihnachten, Gemütlichkeit. Es riecht … irgendwie unbeschreiblich. Eben so, wie nur Schokolade riecht. In der Manufaktur von „Pott au Chocolat“ fließt sie in Strömen: dunkle, weiße und Milchschokolade. Mit ihrem Summen untermalen die Schoko-Brunnen die Begrüßung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim Pralinenseminar.

In den nächsten Stunden sollen acht Hobby-Chocolatiers hier ins Pralinenkredenzen eingeführt werden. Von der Hülle bis zur Füllung bringt Patissier Manfred Glatzel ihnen die Regeln seiner Kunst bei. „Es muss nicht immer Kuchen sein“, findet er. Und auch keine Plätzchen. Warum nicht mal Familie und Freunde beim adventssonntäglichen Kaffeekränzchen mit selbst gemachten Pralinen überraschen? Beeindruckend – wenn man’s kann.

Dortmunder Patissier: „Schokolade ist eine Diva“

Am Anfang war die Füllung – oder die Ganache, wie der Meister sie nennt. Eierlikör soll es sein, passt so schön zur Vorweihnachtszeit. Dafür schmilzt Glatzel zuallererst weiße Schokolade. Klingt simpel, will aber gelernt sein: die Schoki in der Mikrowelle schmelzen, nicht im Wasserbad („zu viel Feuchte mag sie nicht“); danach die Masse unbedingt bewegen („das hat was mit den Fetten zu tun“), aber bloß nicht ständig rühren, sonst wird sie sandig.

Anschließend Sahne aufkochen („zwei Minuten reichen völlig“) und Glukose dazugeben („macht sich übrigens auch gut im Kuchenteig“); alles vermischen („mit dem Rührbesen, nicht mit dem Schneebesen“), dann Butter hinterher und zum Schluss noch der Eierlikör mit einem Schuss Kirschwasser, für den Geschmack („ein Tipp aus Uromas Zeiten“).

Beim Pralinenseminar von „Pott au Chocolat“ in Dortmund lernen Hobby-Chocolatiers, wie sie Pralinen zu Hause nachmachen können.
Beim Pralinenseminar von „Pott au Chocolat“ in Dortmund lernen Hobby-Chocolatiers, wie sie Pralinen zu Hause nachmachen können. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

Et voilà, fertig ist die erste Füllung. Bevor sie aber ihren Weg in die Ummantelung, den sogenannten Hohlkörper, findet, muss sie abkühlen: „Beim weißen Hohlkörper sollte die Ganache so um die 30 Grad haben, sonst schmilzt er.“ Wissendes Nicken aus der Runde, einer Teilnehmerin ist das beim Selbstversuch schon passiert. Überhaupt sollte man als Hobby-Chocolatier wissen: „Schokolade ist eine Diva“ – und eine Wissenschaft für sich. Manfred Glatzel, der in einem früheren Leben auch mal Elektriker und IT-Manager war, beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit der köstlichen Materie. Schmecken, so der 67-Jährige, tut sie ihm immer noch.

Wie aus der Edelbohne Edelschokolade wird

Seine Anregungen für neue Schokoladenkreationen, von denen es in seinem Laden in der Kaiserstraße über 100 verschiedene gibt, holt Glatzel sich auf Reisen in alle Welt. Bei einer Verkostung sollen die Seminarteilnehmer ein Gefühl dafür bekommen, wie unterschiedlich Schokolade schmecken kann. Angefangen bei der Bohne: Wer zum ersten Mal auf eine fermentierte Kakaobohne beißt, erwartet Kakao-Geschmack und bekommt ihn auch, aber übertüncht von einer unerwarteten Fruchtigkeit. Bei der Java-Bohne kommt eine rauchige Note hinzu, denn sie wächst in Torfböden und wird über Holz getrocknet.

Manfred Glatzel bezieht seinen Edelkakao direkt von Kleinbauern in Afrika, Asien und Lateinamerika. Einmal im Jahr besucht er seine Bauern bei der Ernte.
Manfred Glatzel bezieht seinen Edelkakao direkt von Kleinbauern in Afrika, Asien und Lateinamerika. Einmal im Jahr besucht er seine Bauern bei der Ernte. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

Im hinteren Teil der Manufaktur erklärt der Chef, wie aus der Bohne die fertige Schokoladentafel entsteht. „Pott au Chocolat“ bezieht seinen Edelkakao direkt von Kleinbauern aus Afrika, Lateinamerika, Asien. Im Lager warten die Bohnen in hüfthoch gefüllten Stoffsäcken auf ihre Verarbeitung. Die beginnt mit der Röstung: 45 Minuten bei etwas über 100 Grad. Anschließend werden die Bohnen zu klitzekleinen Splittern, den sogenannten Nibs, zermahlen.

Die fertige Schokolade, die am Ende der Herstellungskette herauskommt, mag weder Luft noch Licht, deshalb wird sie luftdicht verpackt und muss zwei Monate reifen. „Um die Unruhe rauszubekommen“, wie der Kenner sich ausdrückt. Wie die fertige Schoki schmeckt, hängt neben der Herkunft auch vom Kakao-Anteil ab: Die 70-Prozent-Schokolade aus Ghana ist die typische „Einsteigerschoki“ für alle, die es gerne herb mögen. Die 75-Prozent-Tafel ist manchem Teilnehmer schon zu herb, beim 100-Prozent-Probierstück entgleisen die Gesichtszüge. Glatzel findet’s „herrlich“.

„Pott au Chocolat“ verkauft Edelschokolade aus aller Welt

Was für die Gaumen derer, die nur Industrieschokolade gewöhnt sind, pure Überforderung ist, ist für ihn ein Erlebnis. „Bei Schokolade ist das wie bei gutem Wein oder Kaffee“, erklärt er. Man müsse sie zu schätzen wissen und wer sich auskennt, könne Unterschiede erschmecken. Doch auch der probierfreudigste Chocolatier beugt sich dem Kundenwillen: Für Kinder, zum Beispiel, gibt es im Laden immer auch die 39-prozentige Milchschokolade aus Indonesien, die im mild-süßen Geschmack an bekannte Marken erinnert.

Im Seminar werden sogenannte Formpralinen gemacht. Schnittpralinen eignen sich nicht, da ihre Herstellung 24 Stunden dauert. Aber die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dürfen eine probieren – mit Himbeergeschmack.
Im Seminar werden sogenannte Formpralinen gemacht. Schnittpralinen eignen sich nicht, da ihre Herstellung 24 Stunden dauert. Aber die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dürfen eine probieren – mit Himbeergeschmack. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

Wenn man dem Connaisseur so zuhört, bekommt Schokolade etwas Lebendiges, fast Menschliches. Spätestens, als die Teilnehmer lernen, dass der Profi seine Pralinen föhnt. „Nur angewärmte Schokolade verbindet sich“, erklärt Manfred Glatzel, während er den Industrieföhn über die Form führt, in der vorbereitete Hohlkörper auf ihre erste Füllung warten. Bevor es ans Befüllen geht, werden die Teilnehmer mit Haarnetz und Schürze ausgestattet. „Machen wir die Welt doch etwas süßer“, steht darauf.

Pralinen Befüllen will gelernt sein

Gesagt, getan. Mit feierlicher Geste übergibt der Patissier die Spritztüte mit der Ganache. Sie wandert von Hand zu Hand, jeder darf mal. Beim Füllen braucht es viel Gefühl im Daumen. Wenn der zu sehr nachgibt, quillt die Ganache schnell über den Schokoladenrand hinaus. Also rechtzeitig stoppen, die Spritze am Rand abknicken und übergehen zur nächsten Form. So gelingt’s auch ganz ohne Kleckern.

Walburga Roesner, die mit ihrem Mann Franz zum Pralinenseminar gekommen ist, macht das nicht zum ersten Mal. Sie hat sich schon zu Hause an selbst gemachten Pralinen versucht und weiß: „Man braucht vor allem Geduld.“ Aber nach einer Weile wird einem der Arm schwer. „Alles Übungssache“, schmunzelt Glatzel. „Bei uns macht ein Mitarbeiter am Tag ein paar Tausend davon.“

Die Pralinen mit Eierlikör-Kern werden mit dem Spritzbeutel verschlossen. Auch dabei gilt: nicht zu viel und nicht zu wenig, sodass sich eine kleine Haube bildet.
Die Pralinen mit Eierlikör-Kern werden mit dem Spritzbeutel verschlossen. Auch dabei gilt: nicht zu viel und nicht zu wenig, sodass sich eine kleine Haube bildet. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

Sind alle Pralinen gefüllt, werden sie verschlossen. Das anschließende Verzieren wird zur teambildenden Maßnahme. Die Pralinen mit Eierlikör-Kern sollen beim „Igeln“ kunstvoll ruiniert werden. Das geht zu zweit besonders gut: einer tunkt die Kugel in einen Pott mit Schokolade – „am besten, ohne sie zu verlieren“ – und der andere rollt sie übers Blech, bis die noch flüssige Ummantelung ihre gewünschte zerfurchte Struktur annimmt.

Das „Igeln“ geht am besten im Team: Einer tunkt, der andere rollt. So bekommen die Pralinen ihre gewünschte Verzierung.
Das „Igeln“ geht am besten im Team: Einer tunkt, der andere rollt. So bekommen die Pralinen ihre gewünschte Verzierung. © FUNKE Foto Services | Julia Tillmann

Die Früchte ihrer Arbeit dürfen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer natürlich mit nach Hause nehmen. Verpackt werden sie mit Stoffhandschuhen, damit keine Fingerabdrücke auf der glänzenden Oberfläche zurückbleiben. Pralinen bewahrt man übrigens am besten bei 16 Grad auf. Aber bitte nicht im Kühlschrank, der ist zu feucht – „und dass die Edelschoki am nächsten Tag nach Mettwurst riecht, kann ja auch keiner wollen“.

>> INFO: „Pott au Chocolat“

  • 2008 haben Manfred Glatzel und seine Frau Marie-Luise Langehenke ihr erstes „Pott au Chocolat“ in der Kaiserstraße 61 in Dortmund eröffnet. Später kam eine zweite Filiale in der Hansastraße 99 hinzu.
  • Wer selbst an einem Pralinenseminar teilnehmen möchte, kann das im kommenden Jahr tun. Die vorläufigen Termine sind: 28. Januar, 11. Februar, 15. April, 29. April und 13. Mai 2023. Die Kursgebühr beträgt 150 Euro.
  • „Pott au Chocolat“ vertreibt seine Waren auch online. Alle Infos, auch zur Kursteilnahme, finden Interessierte unter www.pottauchocolat.de.