An Rhein und Ruhr. Alle drei Tatort-Teams aus NRW feiern in diesem Jahr Jubiläum. So fing es an, so geht es weiter in Köln, Münster und Dortmund.

Drei Tatort-Teams feiern in diesem Jahr Jubiläum. 25-, 20- und zehnjähriges. Darauf ein Kölsch, ein Pils, was Herbes aus dem Norden, für Herrn Boerne natürlich Champagner. Prost.

25 Jahre Tatort Köln

Vor 25 Jahren fing alles mit der Folge „Willkommen in Köln“ an.
Vor 25 Jahren fing alles mit der Folge „Willkommen in Köln“ an. © WDR/Kerstin Stelter | WDR

5. Oktober 1997. In Köln wartet Freddy Schenk auf seine Beförderung, nicht auf einen Typen wie Max Ballauf. Ein Düsseldorfer, der bei seiner Ankunft aussieht, als trage er Don Johnsons Miami--Vice-Klamotten aus den 1980ern auf. Was unter anderem daran liegt, dass er verdeckt ermittelnder Drogenfahnder für das BKA im Sunshine State ist, bis er nach Köln strafversetzt wird – Schenk vor die Nase. Das macht ihn so willkommen wie Fußpilz. Widerwillig jagen sie nun gemeinsam den Mörder eines Wachmanns. Mit der Zeit aber werden Ballauf und Schenk, was ihre Darsteller Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär im echten Leben damals schon sind: Freunde.

Normalos sind die beiden Ermittler, Menschen mit Macken und Schwächen. Das ist vor 25 Jahren eher die Ausnahme als die Regel. Auch ein Vierteljahrhundert später haben sie manchmal mehr Probleme mit sich selbst als mit dem Fall. Das macht aber nichts. In einer der jüngsten Umfragen, haben Zuschauer sie auf Platz drei der beliebtesten Tatort-Kommissare gewählt. Woran das liegt? „Es war von Anfang an klar, dass beide Kommissare gleichberechtigt nebeneinander stehen sollten – nicht der Meister und der Knecht“, glaubt Behrendt. Dietmar Bär greift ein bisschen weiter: „Es ist wohl die Melange aus der Stadt, der Besetzung und den Büchern.“

Letztere greifen immer wieder aktuelle sozialkritische Themen Ob Kinderhandel und Sextourismus (Manila 1998), Korruption am Bau (Bausünden 2018) oder Mord im Obdachlosenmilieu – viele Filme sind dabei entstanden, die die Darsteller auch nach Jahren noch bewegen. Wenn ihn ein Thema selbst anfasse, sagt Baer, „da merke ich immer, es ist was gelungen“.

Viel ist passiert in all den Jahren. Die Wurstbraterei, die für die Dreharbeiten immer ans Rheinufer gekarrt wurde, steht längst im Museum. Und Franziska Lüttgenjohann (Tessa Mittelstaedt), 43 Folgen lang clevere Assistentin des Duos, scheidet 2014 aus eigenem Wunsch aus. Es ist die bisher einzige Tatort-Folge, die aus Jugendschutzgründen erst nach 22 Uhr ausgestrahlt wird.

Vieles aber ist selbst nach 25 Jahren unklar. Besitzt Max Ballauf Möbel? Und wie sieht eigentlich Freddys Ehefrau aus, von der in so vielen Folgen die Rede ist, die aber noch nie im Bild war? Vielleicht erfahren die Zuschauer es noch. Folge 85, „Spur des Blutes“, läuft am kommenden Sonntag, die Episoden 86 bis 88 sind bereits abgedreht und auch anschließend soll es weitergehen. „Wir sind ja“, sagt Baer, „ noch nicht im Rentenalter.“

20 Jahre Tatort Münster

Manchmal eher Konmödie als echter Krimi. Die Publikumslieblinge aus Münster bei der Arbeit.
Manchmal eher Konmödie als echter Krimi. Die Publikumslieblinge aus Münster bei der Arbeit. © dpa | Bernd Thissen

Er kommt im Oktober 2002 aus Hamburg, kommt vom Kiez und heißt Frank Thiel (Axel Prahl). Aus persönlichen Gründen hat er sich zur Mordkommission nach Münster versetzen lassen. Ja sogar eine Wohnung hat er schon gefunden, im Haus eines gewissen Karl Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) – Gerichtsmediziner und Hobby-Detektiv. Zur Begrüßung haut Thiel ihm einen Zahn aus. Versehentlich. Wunderbare Freundschaften fangen eigentlich anders an.

Aber Freundschaft wäre auch langweilig in diesem Fall. Und Langeweile macht einen weder zum beliebtesten Tatort-Team des Landes noch lockt sie regelmäßig über 14 Millionen Zuschauer vor den Bildschirm. Der Münsteraner Tatort lebt ja gerade davon, dass die beiden Hauptdarsteller sich nicht immer grün sind. Hier der Schluffen, da der Pfau, ständig im verbalen Clinch – und nebenbei auf Mörderjagd. Der Erfolg, glaubt nicht nur die Medienwissenschaftlerin Susanne Marschall von der Universität Tübingen, liege „vor allem an den Hauptdarstellern“.

Die wollen so viel Lob aber nicht für sich alleine in Anspruch nehmen und verweisen gerne und völlig zu Recht auf den Rest des Ensembles: Claus Dieter Clausnitzer als wandelndes 68er-Klischee „Vadder“ Thiel, die kettenrauchende Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann) und vor allem die kleinwüchsige Christine Urspruch als Rechtsmedizinerin Silke Haller, genannt „Alberich“, die ihren blasierten Chef immer wieder mit Erfolg Kontra gibt, runden für viele Zuschauer das Sehvergnügen ab. „Der Tatort Münster sind nur wir alle zusammen“, sagt Prahl dann auch gerne.

Kaum weniger wichtig als die Besetzung ist die Grundstimmung im Münsteraner „Tatort“. Ja, es gibt Opfer, die meisten davon sind sogar tot, aber dennoch geht es am Aasee meist recht locker zu. Deshalb sprach der Germanist und „Tatort“-Kenner Andreas Blödorn von der Uni Münster schon vor Jahren auch von einer „Sonderstellung“ innerhalb der Reihe. „Es ist eigentlich kein klassischer Krimi, sondern hat vielmehr Züge einer schwarzen Komödie“ – mit absurden Handlungssträngen und grotesken Übertreibungen. „Der Kriminalfall ist bei uns oft nur eine in Kauf genommene Nebensache“, gibt Axel Prahl ihm Recht.

Den nächsten Fall gibt es am 13. November, wenn die Folge „Ein Freund, ein guter Freund“ zu sehen ist. Weitere werden folgen. Prahl und Thiel haben jedenfalls Verträge bis mindestens 2024.

10 Jahre Tatort Dortmund

Als einziger von Beginn an dabei im Dortmunder Tatort: Jörg Hartmann als Kommissar Faber.
Als einziger von Beginn an dabei im Dortmunder Tatort: Jörg Hartmann als Kommissar Faber. © WDR/Stephan Pick | WDR

Platz 7 in der Umfrage – hätte man ja nicht gedacht, dass die Ermittler aus dem Revier mal so beliebt werden könnten. „Die werden sie nicht nach fünf Minuten lieb haben“, hat Thomas Jauch, Regisseur der ersten Folge „Alter Ego“ vorgewarnt. „Wir haben uns nie ans Publikum rangeschmissen“, sagt auch Jörg Hartmann.

Vor allem Faber, den sein Darsteller damals als „sperrigen Typ“ beschreibt, spaltet in der ersten Zeit die Zuschauer. Zwischen Genie und Wahnsinn hat das Drehbuch ihn angelegt, innerlich zerrissen, äußerlich verschlissen, ambivalent und mit Abgründen und vielen dunklen Geheimnissen. Es ist eine Rolle, wie sie Hartmann liebt, „auch weil wir nicht immer alles gleich erklären“. 22 Folgen des Dortmunder Tatorts hat der WDR in den letzten zehn Jahren gezeigt und hat dabei – einzigartig bei all den vielen Tatort-Ableger – viel horizontal, also über alle Folgen hinweg, erzählt.

Ärger gibt es zwischendurch auch. Dortmunds damaliger Oberbürgermeister, der seine Stadt anfangs noch geadelt sieht durch den Tatort, fordert 2019 die Einstellung. Die Stadt werde viel zu negativ dargestellt. So gehe das nicht. Längst herrscht allerdings wieder Frieden. Bei der Feier zum 10-Jährigen jedenfalls trinken Hartmann und der Ex-OB gemeinsam ein „lecker Pilsken“.

Mit Jan Pawlak und Rosa Herzog sind mittlerweile zwei neue Figuren im Team, drei sind ausgestiegen. Zuletzt ist Martina Bönisch den Serientod gestorben, weil Anna Schudt nach neuen Herausforderungen sucht. Auf neue Untergebene scheint sich Kommissar Faber in absehbarer Zeit also nicht einstellen zu müssen. Und anders herum? Faber lächelt und gibt Entwarnung: „Ich habe immer gesagt, wenn ich anfange einfach Schubladen aufzumachen, muss mich jemand stoppen.“ Bisher kein Thema. Anfang 2023 läuft die Folge „Du bleibst hier“, bei der Hartmann das Drehbuch mitgeschrieben hat und in der der Zuschauer unter anderem Fabers Vater kennenlernen wird.

„Noch brennt die Flamme“, sagt Hartmann, wenn man ihn nach seiner Tatort-Zukunft fragt, „und das wird sie auch noch eine ganze Weile.“

Dies ist ein Artikel aus der Digitalen Sonntagszeitung. Die Digitale Sonntagszeitung ist für alle Zeitungsabonnenten kostenfrei. Hier können Sie sich freischalten lassen. Sie sind noch kein Abonnent? Hier geht es zu unseren Angeboten.