Eine Reise nach Frankreich? Klar. Da gibt es tolle Ziele: Paris, Provence, Bretagne. Der Gatte unserer Autorin will aber unbedingt nach Nancy.

Mein Mann will nach Frankreich. Unbedingt. Was heißt: will? Er muss. Sagt er. Er hat nämlich eine Mission. Am besten sollten wir schon dieses Jahr fahren, schlägt er vor. Aber dieses Jahr schaffen wir nicht mehr. Dann aber im nächsten, jedenfalls so bald wie möglich, drängelt mein Mann. Es muss wichtig sein. Ist es, versichert er. Gegen einen Urlaub in Frankreich habe ich natürlich überhaupt nichts einzuwenden. Im Gegenteil. Tolle Idee. Da gibt es wunderbare Ziele: Vielleicht Paris mal wieder, schlage ich vor. Da waren wir ewig nicht mehr. Vom Eiffelturm über die Stadt schauen, tolle Kunst in großartigen Museen besichtigen, im Jardin du Luxembourg flanieren.

Oder auf den Spuren von Kommissar Dupin aus den Bannalec-Krimis in die Bretagne reisen: lecker essen in Concarneau, bummeln in St. Malo, sonnenbaden auf der Belle-Ile.

Oder in die Provence: die Lavendelfelder bewundern oder das Licht in Arles, das schon van Gogh inspirierte; vielleicht mit einem kleinen Abstecher an die Cote d’Azur. Man könnte auch ein Stück die Loire entlangfahren, womöglich sogar auf einem Hausboot – Schlösser besichtigen, schöne Dörfer anschauen, dazwischen köstliche Weinproben. Herrliche Aussichten!

Ich war schon dabei, die ersten Angebote zu sichten, als mich mein Mann stoppte. Nein, sagte er, da wolle er nirgendwo hin. Wir müssten nach Nancy reisen. Aha. Aber was machen wir da?

Nancy: Stadt in Lothringen im Osten Frankreichs mit rund 100.000 Einwohnern und einer schönen Altstadt, lese ich im Internet nach. Hauptsehenswürdigkeit sei der Place Stanislas, der von sehr imposanten Gebäuden aus dem 18. Jahrhundert umgeben ist. Mein Mann, das stellte sich dann schnell heraus, will da allerdings wegen einer ganz anderen Attraktion hin.

Kein Interesse an schönen Orten, sondern nur an einem Schallplattenladen

Ich ahnte dunkel, dass ich womöglich selbst Verursacherin dieses Reiseziels sein könnte. Denn als ich mich kürzlich völlig arglos durch Facebook zappte, stieß ich auf dem Kanal des Kulturmagazins „ttt“ auf ein sehr nettes Kurzvideo über einen sympathischen Kauz, der den vermutlich ältesten Schallplattenladen Frankreichs betreibt. Seit 47 Jahren lebt dieser Typ für und von Musik auf schwarzen Scheiben. Mein Mann ist Vinylliebhaber, klar, dass ich ihm das zeigen musste. Er war begeistert. Dann zog er sich zurück in sein Zimmer mit den vielen Schallplatten und begann eine heimliche Recherche. Sie ahnen, wo der Laden liegt? Exakt. Nancy, Lothringen. Da müssten wir hin, sagt er, solch eine Institution müsse man doch unbedingt fördern.

Ich finde das völlig übertrieben. Mein Mann fördert durch stetige (nach meiner Ansicht: übermäßige) Käufe bereits sehr engagiert ein feines, kleines Plattengeschäft in Essen und unregelmäßig auch noch ein paar andere in der Region. Auch in einigen niederländischen und belgischen Städten freuen sich Inhaber derartiger Shops über ihn als wiederkehrenden Besucher.

Nicht, dass Sie mich missverstehen. Ich habe nichts gegen Nancy. Es stand bislang nur eben nicht auf der Prioritätenliste meiner Urlaubsziele.

Er hätte übrigens noch einen Alternativvorschlag, es gäbe da nämlich noch einen weiteren, sehr ausgefallenen Laden voller sensationeller Vinylschätze, zu dem er unbedingt hinreisen wolle, sagte mein Mann und hielt mir ein Foto hin. Zugegeben, es sah verrückt und toll aus. Der Laden liegt in einer Nebenstraße von – Tokio, Japan.