Essen. Second Hand und Vintage sind in Mode. Nirgends wird das deutlicher als bei „Strike“, einer Bekleidungskette, die vieles anders macht als andere...
Wer den „Strike“-Store in der Essener Innenstadt betritt, fühlt sich in eine andere, eigentlich vergangene Zeit zurückkatapultiert: in die 1990er-Jahre. Trainingsjacken aus den USA hängen an Kleiderhaken neben hellblauen Jeanshosen und grauen Sweatshirts. Auf der Ladentheke liegt eine alte Polaroid-Kamera, direkt darüber hängt ein Schild mit dem lilafarbenen „Strike“-Schriftzug. Mira Fandel läuft durch das Geschäft, macht mit ihrem Smartphone Fotos für Instagram. Eine Kundin ist sie nicht: Die 20-Jährige ist stellvertretende Geschäftsführerin von „Strike“ und mischt die Modewelt auf.
Da wäre das Konzept. Das Krefelder Unternehmen verkauft gebrauchte Marken-Klamotten von Reebok, Nike und Adidas. Und das lediglich in einem Geschäft, einen Online-Shop gibt es nicht. Ungewöhnlich, gerade bei der Zielgruppe. Denn „Strike“ spricht vor allem die „Generation Z“ an, Jugendliche, die ab 1997 geboren sind.
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Da wäre der Erfolg. In Zeiten des Ladensterbens in den Innenstädten expandiert „Strike“ weiter. Zehn Shops betreibt das Unternehmen in ganz Deutschland, es werden bald noch mehr sein. Und da wären die Chefs. Nicht nur die Stellvertreterin Fandel ist jung, sondern auch Gründer und Geschäftsführer Daniel Bayen. Er ist 21 Jahre alt.
Die Großen springen auf den Trend auf
Wie ein Blitzschlag, plötzlich und unerwartet, schlug die Vintage-Kette in der Modewelt ein, eben wie ein „Strike“. Dass Bayens und Fandels Konzept ankommen würde, war jedoch absehbar. Seit einigen Jahren wächst die Nachfrage nach Second-Hand-Klamotten rasant, gerade in der jungen Zielgruppe. „Strike“ steht quasi sinnbildlich für diesen Trend, der in der „Gen Z“ seinen Ursprung hatte und längst Mainstream geworden ist. Die Branchengrößen haben Vintage für sich entdeckt. Die Klamotten der aktuellen Kollektionen von „H&M“ oder „Shein“ wirken, als ob sie den Darstellern einer US-amerikanischen Sitcom aus den 90ern geklaut wurden. Beim Online-Versandhaus Zalando gibt es eine eigene Rubrik für Second-Hand-Kleidung. „Pre-owned“ heißt sie, ganz hip.
Heute kaufen über die Hälfte der deutschen Modekonsumenten aus zweiter Hand. Das geht aus einer Umfrage des Marktforschungsinstituts „Mintel“ hervor. Bald soll es gar eine deutsche Vintage-Fashion-Week geben. Der Handel mit dem Gebrauchten ist heute ein Millionengeschäft.
Einer Studie bei „Statista“ zufolge wird das globale Marktvolumen vom Second-Hand-Markt auf 30 bis 40 Milliarden US-Dollar geschätzt. Die Ursachen sind laut dem „Second Hand Fashion Report 2022“ des Portals „Momox“, dass Vintage billig und gut für die Umwelt sei.
Nachhaltig und gegen Fast Fashion
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Fandel bejaht: Der Preis und der Nachhaltigkeitsaspekt seien Gründe für den Boom. Hinzu komme die Einzigartigkeit der Mode. „Leute, die Second Hand kaufen, erkennt man auf der Straße direkt und es ist schön, dass wir durch unsere Markenklamotten unterstützen können, dass die Leute gebraucht kaufen und somit gegen Fast Fashion vorgehen“, sagt Fandel, die mit ihrem Outfit als Paradebeispiel durchgeht: orangene Collegejacke, hellblaue Jeans, weiße Sneaker; 90er vom Scheitel bis zur Sohle.
Nicht nur junge Käufer besuchen den Laden, wenngleich das Durchschnittsalter eines Besuchers zwischen 18 und 25 Jahren liege. „Auch die älteren freuen sich über eine Levi’s-Jeans, die nur 29 Euro kostet“, sagt Fandel. Die Essenerin studierte im Frühjahr 2020 Elektrotechnik und wollte eigentlich nur beim Renovieren des ersten „Strike“-Stores in Krefeld mithelfen. Was danach folgte, liest sich wie ein Märchen: Sie hat ihr Studium geschmissen, zog lieber ihr eigenes Ding durch, fing bei „Strike“ an und ist heute mit 20 Jahren Chefin von knapp 60 Angestellten. Als Autodidaktin.
Leicht sei der Aufbau von „Strike“ allerdings nicht gewesen. „Am Anfang hatten wir Probleme. Es gab Vermieter von Geschäftsflächen, die wir erst einmal von uns überzeugen mussten.“ Wer vertraut seine Immobilie schon einer Handvoll Teenagern an, die keine Berufserfahrung vorweisen können? Das hatte sich spätestens nach der ersten Ladeneröffnung erledigt. „In fast jeder Stadt gab es lange Warteschlangen vor den Stores, die Leute wollten Selfies mit uns machen, weil sie froh waren, dass endlich etwas in den Städten passiert. Wir werden inzwischen sehr ernst genommen.“
Trotz Corona-Krise gut gestartet
Ein Hindernis sei Corona gewesen. Das Unternehmen gründete sich in der Pandemie. „Wir sind noch gut durchgekommen, aber wir hatten auch Momente, in denen wir gezweifelt haben. Das war immer dann der Fall, wenn wir schnell und unüberlegt gehandelt haben. Wenn man aber die richtigen Standorte und Leute ausgewählt hat, funktioniert alles.“ Zum Beispiel Christopher Wessel. Der 29-Jährige leitet den Laden in Essen. Er hatte sich übers Internet beworben, flugs folgte der Anruf von Gründer Bayen. „Dann ging alles relativ schnell“, erinnert sich Wessel. „Strike“ sei „viel familiärer“ als die Unternehmen, bei denen er vorher gearbeitet hatte. Der Cap-Träger kann sich mit Vintage bestens identifizieren. „Ich bin ja ein Kind der 90er-Jahre. Die Sachen holen mich in meine Kindheit zurück. Ich finde interessant, dass der ganze Stil wiederkommt.“
Die Markenklamotten sind so beliebt, dass „Strike“ selbst eine Sweatshirt-Kollektion im 90er-Stil auf den Markt gebracht hat. Fandel hat sich mit um das Design gekümmert. An der Ausrichtung von „Strike“ solle das nichts ändern. Die Kette will in erster Linie die Anlaufstelle für Old-School-Kleidung der bekannten Marken bleiben. Dennoch möchte Fandel weitere selbst kreierte Stücke, oder „Pieces“, wie sie die Klamotten nennt, ins Sortiment nehmen, auch wenn dies weniger nachhaltig wäre, als ausschließlich auf gebrauchte Kleidung zu setzen. „Ich fände es schön, wenn wir auch eine eingesessene Marke wären und uns neben Brands wie Nike behaupten können“, sagt sie, und man kann ein Lächeln unter ihrer Maske erkennen. „Wir sind nicht perfekt und haben viel zu lernen. Aber wir werden immer besser.“ Das klingt fast wie eine Drohung an die Konkurrenz.
>>> Der Weg der Kleidung
Kleidungsstücke, die man aussortiert und spendet, finden häufig den Weg zu Hilfsorganisationen. Diese wiederum verkaufen die Shirts und Jeans teilweise an spezielle Betriebe weiter. Von diesen wiederum bezieht „Strike“ die Ware.
„Wir haben Sortierbetriebe, die geschult sind, Stücke für uns auszuwählen“, sagt Mira Fandel. Das sei hauptsächlich Kleidung von bekannten Marken wie Nike oder Adidas. Nicht jeder komme in diesen Markt rein. „Strike“ habe das durch Kontakte, die Gründer Daniel Bayen hatte, schnell geschafft.