Essen/Herdecke. Er wollte gerne Rockmusik machen, aber Produzenten und Fans wollten nur seine Schlager hören. Vor 30 Jahren starb Roy Black
Er sang von heiler Welt, doch seine eigene war oft kaputt. Nur äußerlich ganz in weiß, tief im Inneren aber dunkel und düster. Weil Gerd Höllerich für die Rolle des Roy Black zum Schauspieler auf Lebenszeit gemacht wurde. Es war eine Rolle, die er hasste, bis er vor 30 Jahren starb. Und noch immer gibt es Rätsel um den Tod des Sängers, der in den letzten Monaten seiner langen Karriere in Herdecke an der Ruhr gelebt hat.
Begonnen hat die Karriere fast 30 Jahre zuvor in Straßberg bei Augsburg. Wo Gerhard Höllerich als frisch gebackener Abiturient 1964 mit seiner Band „The Cannons“ von Fans umjubelt auf der Bühne steht und zur Beatmusik singt. In einem der Konzerte sitzt Hans Bertram, damals einer der erfolgreichsten Musikproduzenten Deutschlands, und er ist begeistert. Die Band will er nicht haben aber den Sänger, der sich längst Roy Black nennt. Weil er Fan von Roy Orbison ist und so tiefschwarze Haare hat.
„Ich war eine Marionette“
Bertram findet den 21-Jährigen fantastisch. Nur soll er bitte nicht mehr diesen Rock ’n’ Roll-Lärm machen. Lieber was Gefühlvolles, was für Herz. So etwas wie „Du bist nicht allein.“ Das ist aber eigentlich genau die Musik, die Roy Black nicht machen will. Trotzdem, er nimmt das Lied auf. „Ich war eine Marionette“, wird er später über diese Zeit sagen. Einer, der nein sagt und dann doch macht, was andere von ihm erwarten und verlangen.
Allerdings eine sehr erfolgreiche Marionette. 800.000 Mal verkauft sich der Song und macht Roy Black bekannt. Doch das ist nichts im Vergleich zum gesungenen Hochzeitsantrag „Ganz in Weiß“, vom dem zwei Jahre später rund 2,5 Millionen Exemplare über die Ladentheken wandern. Der Blumenstrauß hat Hochkonjunktur, Roy Black wird zum Superstar, steckt nun aber auch in eine Schublade, aus der er nie wieder herauskommen wird. „Dieses Lied hat aus einem Rock ’n’ Roller plötzlich einen deutschen Schnulzensänger gemacht“, sagte Black im Rückblick oft.
Jede Mutter hätte ihn gerne zum Schwiegersohn gehabt
Während in den späten 60er-Jahren die deutschen Studenten auf die Straße gehen und Steine werfen, singt sich Roy Black in die Herzen von Teenagern und ihren Müttern, füllt Säle und Seelen. Hit folgt auf Hit, die Bravo – damals noch eine mediale Macht – wird zum Zentralorgan seiner Fans. Und ja, fast jede Mutter würde ihn gerne als Schwiegersohn begrüßen. „Wenn alles in Ordnung wäre auf der Welt, hätte die Schnulze keine Chance“, erklärte er sich selbst seinen Erfolg und klang dabei ein wenig, als wolle er sich dafür entschuldigen.
Roy Black ist berühmt, Gerhard Höllerich ist unsicher. Wenn er nicht als sein Alter Ego unterwegs ist, wohnt er auch mit Mitte 20 noch zu Hause, in einer Familie, die Freunde als „gutbürgerlich-schwäbisch“ bezeichnen. Als „bodenständig und „ein wenig spießig“. In einer Welt, die überschaubar ist. Dort fühlt er sich wohl, draußen fühlt er den Druck. „Ich habe Angst, dass ich mich immer wieder neu bewähren muss.“
Mit Uschi Glas zum Filmtraumpaar der 1970er
Lange Zeit unbegründet – im Gegenteil. Zur Musik kommt der Film. Im Kino hat Black „Immer Ärger mit den Paukern“, wird zu Kinderarzt Dr. Fröhlich und gemeinsam mit Uschi Glas zum Filmtraumpaar. Da passt es, dass er zusammen mit der kleinen Anita singt: „Schön ist es auf der Welt zu sein“ – ohne zu ahnen, dass das Lied sein letzter wirklich großer Hit sein wird.
Mitte der 70er-Jahre wendet sich das Blatt. Roy Black ist out. „Hat man mein Gesicht zu oft gesehen?“, fragt er sich selbst. Oder nehmen es ihm viele seiner weiblichen Fans vielleicht übel, dass er geheiratet hat? Silke Vagt heißt die Auserwählte, die bei Blacks Hof- und Hauspostille „Bravo“ als Layouterin arbeitet. 1976 bekommen die beiden einen Sohn, echtes Familienglück aber erleben sie nur selten.
Berater sollen ihn um Millionen betrogen haben
Denn Roy Black ist unterwegs, muss auftreten. Für kleinste Gagen und wo man ihn engagiert. Windige Berater, so erzählt es Vagt später in einem Buch, hätten seine Millionen durchgebracht. Er hat jedenfalls Schulden, das Finanzamt sitzt ihm im Nacken. Ein „Zwischentief“ nennt der Sänger es selber. 1985 wird die Ehe geschieden.
Der Alkohol hilft ihm dabei, die immer größer werdende Kluft zwischen Schein und Sein zu übersehen. Klar habe er getrunken, gibt Black in Interviews zu. Aber nicht mehr als andere. Es sei nur ein Unterschied, wer da zur Flasche greife. „Bei Mick Jagger erwarten das die Leute fast, bei mir ist sofort große Aufregung.“
„Wollte beweisen, dass ich kein Krüppel bin“
Im Mai 1986 bricht Roy Black zusammen. „Angeborener Herzfehler“, diagnostizieren die Ärzte, setzen ihm zwei neue Klappen ein, mahnen eindringlich zur Ruhe und gesünderem Lebenswandel. Doch kaum geht es ihm besser, nimmt er mehr Termine an, als je zuvor. „Ich wollte mir und der Presse beweisen, dass ich kein Krüppel bin.“
Ende der 80er wiederholt RTL seine alten Filme. Die Einschaltquoten sind so gigantisch, dass der Sender eine Serie mit Roy Black plant. „Das Schloss am Wörthersee“ wird von der Kritik zerrissen, vom Publikum aber geliebt. Und auch privat kehrt das Glück anscheinend zurück Mit seiner neuen Lebensgefährtin Carmen Böhning zieht Black nach Herdecke, wird im September 1991 Vater einer Tochter.
Tod in der Anglerhütte
Dann der Schock. „Roy Black ist tot“ melden die Nachrichten am späten Abend des 9. Oktober 1991. Sein Bruder Walter hat ihn am Nachmittag leblos im Bett einer Anglerhütte der Familie im bayrischen Wald gefunden. Dort wollte er vor der Rückkehr zu Freundin und Tochter nach anstrengenden 117-tägigen Dreharbeiten der zweiten Wörthersee-Staffel „kurz Pause“ machen.
Herzversagen lautet die offizielle Todesursache. Doch schnell gibt es Gerüchte. Von Tabletten und von viel Alkohol im Blut, von Depressionen und Suizid. Und davon, dass Roy Black sich eingeengt fühlte und seine 23 Jahre jüngere Partnerin verlassen wollte. „Er hat sich nicht zu Tode gesoffen“, widerspricht Carmen Böhning . Ein Alkoholiker hätte das Arbeitspensum von Roy Black gar nicht bewältigen können. Und auch von Depressionen oder Selbstmord will sie nichts wissen. Neuer Erfolg, neue Liebe, frische Vaterschaft, „er war gut drauf“, hat sie anlässlich des 20. Todestages im Interview mit Frank Elstner behauptet.
„Wir vergessen Dich nie“
Seine letzte Ruhe hat der Star auf einem Friedhof in seinem Geburtsort Straßberg gefunden. Gerhard Höllerich steht auf dem Grabstein, „Wir vergessen Dich nie“ auf Kränzen oder Tafeln, die treue Fans immer wieder niederlegen. Die so gehasste Rolle seines Lebens, sie begleitet den Sänger über den Tod hinaus.