Kleve. Die Gärten von Kleve erfreuten einst Adelige wie Kurgäste. Joseph Beuys arbeitete später im Kurhaus. Heute ist es ein Museum.

Ein Graureiher lugt hinter der akkurat geschnittenen Buchsbaumhecke hervor, schaut von der quadratischen Insel auf das Wasser im schnurgeraden Kanal. In diesem Gartenteil vor dem Museum „Kurhaus Kleve“ wirkt alles wie mit dem Lineal gezogen, nichts scheint dem Zufall überlassen zu sein – vom Graureiher mal abgesehen. Wie wild wirkt dagegen der Forstgarten nebenan, da stehen verschiedene Baumgiganten neben geschwungenen Wegen. Stadtführerin Brigitte Alex schwärmt: „Ich finde es schön, dass man das hier vergleichen kann: den Barockgarten, in dem alles symmetrisch ist, mit dem englischen Landschaftsgarten, der viel freier ist.“

Auch der Forstgarten ist reizvoll: Stadtführerin Brigitte Alex zeigt die Edelstahlwürfel von Günther Zins.
Auch der Forstgarten ist reizvoll: Stadtführerin Brigitte Alex zeigt die Edelstahlwürfel von Günther Zins. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Fangen wir mit der strengen Ordnung an: Die hegte und pflegte einst Prinz Johann Moritz von Nassau-Siegen. So hieß der Statthalter von Kleve im 17. Jahrhundert, der den Barockgarten gemeinsam mit dem niederländischen Architekten Jacob van Campen errichten ließ: Teiche mit Wasserspielen gab es damals schon, genauso den Ceres-Tempel auf der Anhöhe, benannt nach der Göttin der Fruchtbarkeit.

Der Tempel war stets Schmuck, diente niemals einem religiösen Zweck. Obwohl Hochzeitspaare ihn heute gerne nutzen: Ein Mann im Anzug schaut verliebt in die Augen seiner frisch Vermählten, während eine Fotografin um die beiden kreist und Bilder für die Ewigkeit aufnimmt.

Der Hintergrund ist aber auch zum Seufzen schön: Der Blick wandert zwischen den Tempelsäulen hindurch über die Springbrunnen bis hin zum Kanal. „Eigentlich sollte der Kanal bis zum Rhein gehen“, sagt Alex. Da fehlt noch ein gutes Stück. Aber rund 600 Meter ist der Wasserlauf trotzdem lang.

Der Eiserne Mann

Der Terrassengarten mit dem Tempel steht in einem Halbrund. „Man nennt es Amphitheater“, sagt Alex, „obwohl es nie ein Theater war.“ In einem Teich vor dem Tempel steht die römische Göttin Minerva – die Griechen nannten sie Athene. Bei der Figur mit dem Speer in der Hand und der Eule zu ihren Füßen handelt es sich um eine Replik.

„Das Original befindet sich im Museum“, so die 73-Jährige. „Es ist ein Geschenk der Stadt Amsterdam an Prinz Nassau.“ Der habe in Niederländisch- Brasilien erfolgreich Land erobert. Minerva ist schließlich nicht nur die Göttin der Weisheit, sondern auch der Kriegsführung. Und so schaut sie direkt in die Augen des Eisernen Mannes, der ihr gegenübersteht.

Nassau ließ ihn 1653 erstmals auf einer hohen Säule errichten, er sollte Mars verkörpern, den Gott des Krieges. „Früher gab es noch mehr Figuren, aber sie wurden zerstört“, sagt Alex, etwa von französischen Truppen Ende des 18. Jahrhunderts. Auch der Mann, der da heute dem Blick standhält, ist ein anderer: den Neuen Eisernen Mann erschuf Stephan Balkenhol im Jahr 2004, er zeigt ihn im weißen Hemd und mit gesenktem Schwert. Brigitte Alex betont: „Letzten Endes hat der Frieden gesiegt.“

Der Blick vom Kanal aus. Auf der Säule steht der moderne Eiserne Mann.
Der Blick vom Kanal aus. Auf der Säule steht der moderne Eiserne Mann. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Das Ganze erinnert an einen Schlossgarten. Viele Adelige schauten vorbei. Trotzdem war die Anlage nicht für sie allein. Das Besondere: „Es war von Anfang an ein Bürgerpark“, so Alex. Ein Laubengang der heute aus den grünen Blättern der Hainbuche besteht, fügt sich wunderschön in das Bild ein. Hier wandelten vor allem Kurgäste. Denn nur wenige Meter entfernt entdeckte man 1742 eine Mineralquelle.

Kur in Bad Cleve

Wohltuende Bäder gab es zwar später auch in „Bad Cleve“, aber vor allem sollten die Gäste das Wasser trinken. 14 bis 18 Gläser am Tag, so Alex. „Zwischen den Gläsern mussten die Gäste spazieren gehen.“ Im Forstgarten oder in der Wandelhalle im Kurhaus. Der Philosoph Voltaire soll das Wasser auch probiert haben, „aber ihm hat es gar nicht so gut geschmeckt“, sagt Alex lachend.

Die Quelle versiegte, der Erste Weltkrieg begann, 1914 wurde der Kurbetrieb eingestellt. Das Kurhaus verfiel, aber man rettete es vor dem Abriss. Joseph Beuys (1921-1986), der in Kleve aufgewachsen ist, hatte ab 1957 sein erstes Atelier im ehemaligen Kurhaus. Ausstellungen zu seinem 100. Geburtstag erinnern im Museum an sein Schaffen.

Der Forstgarten gegenüber wirkt willkürlicher als die symmetrische Barockanlage. Aber das scheint nur so, denn für den englischen Stil mit geschwungenen Wegen braucht es ebenfalls einen guten Plan. Sehr alte Bäume, verschiedene Arten, stehen dort. Manche haben schon ihre Äste ausgestreckt, als es noch Kurgäste gab. Einer der ältesten Bäume ist eine Platane, die über 230 Jahre alt ist.

Einer von ihnen wird aber niemals grüne Blätter tragen: „L’ombra del bronzo“ – eine Skulptur von Giuseppe Penone von 2002, zu Deutsch: Der Schatten der Bronze. In dem imitierten Stamm ist ein Riss, dazwischen ließ der Künstler einen Ilex setzen: die Stechpalme mit den leuchtend roten Winterbeeren.

Schwebende Edelstahlwürfel

Kunst und Natur verbindet auch Günther Zins. Seine transparenten Edelstahlwürfel scheinen in einem Teich unterzugehen – oder steigen sie aus dem Wasser auf? Eine Ausstellung im Kurhaus zeigt weitere Werke des Bildhauers.

In einem Teich vor dem Tempel steht die römische Göttin Minerva – die Griechen nannten sie Athene.
In einem Teich vor dem Tempel steht die römische Göttin Minerva – die Griechen nannten sie Athene. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Das Museum und die Gärten liegen an der Tiergartenstraße. Zur Zeit des Prinzen war das Gelände eingezäunt. „Da konnten die Herrschaften Hirsche jagen“, so Alex. Heute gibt es nebenan auch noch einen Tiergarten, aber der ist zum Schauen da: Silberfuchs, Trampeltier oder Schneeeule. Und auch im Barockgarten sind Tiere zu beobachten: Enten schwimmen auf dem schnurgeraden Kanal, Schildkröten sonnen sich am Ufer der quadratischen Insel und mit etwas Glück lugt hinter der akkurat geschnittenen Buchsbaumhecke der Graureiher hervor.

>> Das Museum und die Gärten

Das Museum Kurhaus Kleve zeigt „Joseph Beuys -Sammlungshighlights zum 100. Geburtstag“ bis zum 30. Januar 2022

Brigitte Alex bietet Gruppen-Führungen an (60 €, max. 25 Personen): 0172/320 38 25

Zum Barockgarten gelangt man nicht nur mit dem Auto oder dem Rad: Schienen sind mit einer Draisine befahrbar: grenzland-draisine.eu