An Rhein und Ruhr. Wegen Corona bleiben Schlösser und Burgen derzeit geschlossen. Aber auf virtuellen Rundgängen kann man sich wie die englische Königin fühlen.

Was man sonst nicht darf, ist nun erlaubt: ein Sprung hinter die Absperrung in der Kemenate. Kein Museumswärter tadelt mit strengem Blick, kein Besucher drängelt zum Weitergehen. Wer Schloss Burg in Solingen besichtigt, kann dies zu jeder Tageszeit tun und solange er möchte – zumindest am Bildschirm.

Mittelalterlich anmutende Musik erklingt, während man beim virtuellen Rundgang in der Kapelle die Statue bewundert: Erzengel Michael mit dem besiegten Drachen. Oder man bestaunt die Ahnengalerie, klickt den nächsten Kreis auf dem Boden an und landet im Rittersaal. Eine Stimme erklärt die Szenen der Gemälde, auf Deutsch oder Englisch. Etwa den Bau der Burg durch Graf Adolf II. von Berg im 12. Jahrhundert.

Auch die Burg Altena mit der ältesten ständigen Jugendherberge der Welt kann man virtuell erleben. Es gibt 360-Grad-Ansichten.
Auch die Burg Altena mit der ältesten ständigen Jugendherberge der Welt kann man virtuell erleben. Es gibt 360-Grad-Ansichten. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Die Burg wurde später zum Schloss umgebaut, aber der Name blieb. „Es ist wie bei Schloss Neuschwanstein: ,Schloss’ ist die Funktionsbezeichnung und ,Burg’ ist der Eigenname, also ein Schloss, das ,Burg’ heißt“, erklärt Gregor Ahlmann, Direktor des Museums.

Die große Mittelalter-Begeisterung

Als das Gemäuer Ende des 19. Jahrhunderts nur noch eine Ruine war, bildete sich der Schlossbauverein und ließ das Haus wieder erstrahlen. So stammen die Gemälde nicht aus dem Mittelalter. Sie seien ein Zeitdokument, so der 42-jährige Historiker, für die Mittelalterbegeisterung zu der damaligen Zeit. Solche großflächigen Gemälde habe es oft in öffentlichen Gebäuden gegeben. „Aber die Mehrzahl ist im Zweiten Weltkrieg zerstört worden.“

Klickt man auf einen Pfeil, erscheint Anna von Kleve als animiertes 3D-Modell. Die Kinderverlobung ihrer Eltern von 1496 ist auf dem Gemälde zu sehen, wie sie erzählt, so wurden die Häuser Jülich-Berg und Kleve-Mark vereint. Anna wurde Königin von England – wenn auch nicht für lange. Sie war die vierte Ehefrau von Heinrich VIII.

Der virtuelle Rundgang entstand übrigens nicht nur, um im ersten Lockdown präsent zu bleiben. Ab April dieses Jahres wird das Schloss bei laufendem Betrieb saniert – auch dann wird es möglich sein, das gesamte Haus zumindest virtuell zu besuchen. Und zu Ostern wird im Schloss, wie schon zu Weihnachten, ein digitaler Markt eröffnet, bei dem echte Händler im Rittersaal ihre Ware anbieten.

Noch mehr Touren durch Schlösser und Burgen

Es gibt noch mehr Touren: Burg Altena ermöglicht Einblicke in Räume, wie in die älteste ständige Jugendherberge der Welt – dort gibt es jeweils eine 360-Grad-Ansicht. Burg Altendorf in Essen kann man zumindest von außen betrachten – bei sehr schönem Wetter. Ebenso Schloss Münstersamt dem Botanischen Garten. Das Schloss Broich in Mülheim kann der Besucher wiederum betreten und von einem Raum in den nächsten springen und sich um die eigene Achse drehen.

Bis in das Bad des Fürsten – ein virtueller Rundgang durch Schloss Benrath in Düsseldorf

Beim Schloss Benrath in Düsseldorf hüpft man nicht von einem Raum zum anderen, es ist eher ein Schreiten. So gut sind die Räume gescannt, so fließend wirken die Übergänge, dass man die Verzierungen auf den Türen bewundern kann. Man gelangt auch in das Bad des Kurfürsten Carl Theodor und das seiner Gemahlin Elisabeth Auguste.

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Die Bäder bekommen Besucher selten zu sehen, wenn sie vor Ort sind. Aber am Computer treten sie ins Vestibül und nehmen die hintere Tür links – und dann sehen sie ihr Bad. Seins befindet sich in den Schlafgemächern rechter Hand. Eine Wanne, die dort im 18. Jahrhundert gestanden haben muss, sieht man nicht mehr. Dafür die großen, gläsernen Türen, die zum kleinen Innenhof führen, „wie bei einem Spa-Hotel“, schwärmt Stefan Schweizer, wissenschaftlicher Vorstand der „Stiftung Schloss und Park Benrath“.

Beeindruckend sind die schönen, verschwenderischen Stuckverzierungen. Satyrn sind zu sehen – diese Mischwesen, halb Mensch, halb Tier, aus der griechischen Mythologie. Die Eichenblätter, die die Badezimmerwand des Fürsten bedecken, sind so plastisch, dass man glaubt, sie pflücken zu können.

Man muss sich in der Corona-Zeit etwas einfallen lassen

Während des ersten Lockdowns wurde das Museum durch den virtuellen Rundgang sichtbar. Die Motivation: „Wir wollen die Leere mit Sehnsucht füllen“, sagt der 52-Jährige und betont, dass Schloss Benrath nicht nur ein Ausflugsziel für Leute aus der Region sei. Auch aus dem Ausland reisten sie zum ehemaligen Adelssitz.

Wer mag, kann die Räume am Computer vermessen, warum auch immer. Doch im Gegensatz zu Schloss Burg sind hier die Informationen rar. Da gibt es keine Erklärungen zu den Gemälden. So nahe kann man dann auch wiederum nicht herangehen, dass man die Schildchen neben den Bilderrahmen lesen könnte. Aber der Historiker Schweizer verspricht, dass das digitale Angebot ausgeweitet wird.

Dafür kann man heute schon etwas bei einem virtuellen Rundgang im Schloss Benrath erleben, das man bei einer realen Führung lieber vermeiden sollte: Wer hinaufsteigt zur Kuppel, wo einst im Kreis die Musiker vor einer runden Öffnung musizierten, um die Menschen im Saal darunter mit einer Melodie zu erfreuen, der kann sich mal ganz weit über die Brüstung lehnen – und fallen lassen. Keine Angst: Da gibt es keinen harten Aufprall tief unten im Kuppelsaal. Wie im Traum schwebt man zu Boden.

Ein Ausflug ins Schloss Bellevue in Berlin – zum Amtssitz des Bundespräsidenten Steinmeier

Am Computer sind ja die Wege zu den Schlössern alle gleich. Also warum nicht mal einen Ausflug ins Schloss Bellevue unternehmen, den Amtssitz des Bundespräsidenten? Das Schöne ist, man kann sich alles ganz in Ruhe anschauen, ohne dabei den Hausherrn Frank-Walter Steinmeier zu stören.

Beim 360-Grad-Rundgang lassen sich viele Gemälde anklicken. Den ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss hätte man in der Eingangshalle ja vielleicht noch erkannt. Aber wer hätte gewusst, dass im Damensalon Prinzessin Luise zu sehen ist? Die Gemahlin des Prinzen Ferdinand von Preußen, der das Schloss errichten ließ. Auch wie die Räume heute genutzt werden, ist zu erfahren: kleiner Empfang im Schinkelsaal, großes Staatsbankett im Großen Saal.