Essen. Kleine und mittelgroße Bands trifft die Coronakrise hart. Gespräch mit der “Banda Senderos“ und Bastian Korn über eine verzweifelte Branche.

Sommerlich leicht bekleidete Menschen stehen dicht gedrängt nebeneinander, feiern, singen lauthals mit und jubeln den neun Musikern der Essener Banda Senderos zu, die sich auf der Bühne verausgaben. Das Video, das auf der Facebook-Seite der Reggae- und Dancehall-Combo läuft, weckt fast schmerzlich Erinnerungen an unbeschwerte Konzerte, die es so vorerst wohl noch Monate nicht geben wird.

Spielte die Essener Band im Schnitt bis zu 60 Konzerte im Jahr, so war es in den zurückliegenden Monaten nicht ein Auftritt: „Wir waren auf einem sehr ambitionierten Weg nach oben und in Gesprächen mit einem größeren Label. Dann kam Corona“, blickt Schlagzeuger Julian Kühn auf turbulente Monate zurück.

"Es geht auch darum, dass ich meinen geliebten Job nicht machen kann"

Gemeinsam mit Musikerkollege und Sänger Sebastian Campos hat sich Kühn mittlerweile mit der Social-Media-Agentur „Magnet Media“ selbstständig gemacht, mit wachsendem Erfolg. Das Co-Working-Café „Kabü“, das er in Rüttenscheid betrieb, ist ebenfalls der Corona-Krise zum Opfer gefallen. Zuletzt wurde es zeitweise als Pop-Up-Ladenfläche vermietet und soll künftig noch als Geschäftsraum genutzt werden.

Bastian Korn sorgt sich, was der gebeutelten Musikbranche noch bevorsteht.
Bastian Korn sorgt sich, was der gebeutelten Musikbranche noch bevorsteht. © Handout | ROLF.GUMMEL

Es sind vor allem die professionellen kleinen und mittelgroßen Bands und Musiker, denen die Coronakrise besonders schwer zu schaffen macht. Auch dem Essener Musiker Bastian Korn, der sowohl solo als auch in diversen Band-Projekten unterwegs ist, geht es mit der anhaltenden Krise zunehmend „seelisch schlecht“, wie er sagt: „Es geht nicht um das Finanzielle sondern auch darum, dass ich meinen geliebten Job nicht machen kann“, sagt der Musiker.

Im vergangenen Sommer habe er einige Konzerte spielen können, seit dem Herbst hat Korn keine Bühne mehr betreten können. Stand er früher in einem Jahr bis zu 180 Mal als Musiker auf der Bühne, waren es im vergangenen Jahr knapp 50 Konzerte. Nun sorge er sich um das, was der gebeutelten Branche nun bevorsteht: „Das Problem ist trotz Impfstoffs im Frühjahr noch nicht ausgestanden und ich mache mir schon Sorgen darüber, wie die nächsten Monate werden.“

"Wir werden uns überlegen müssen, wie lange wir das noch stemmen können"

Während Korn schon lange von der Musik lebt, waren die Musiker der Banda Senderos auf einem guten Weg dahin. Mittlerweile aber seien alle Band-Mitglieder in ihren ursprünglichen Jobs zurück. Bandproben können nur auf Distanz laufen, der professionelle Proberaum ist schon lange verwaist – wobei die Kosten weiterlaufen.

Sebastian Campos (l.), einer der Sänger der Banda Senderos, hofft, dass die Krise den Menschen zeigt,
Sebastian Campos (l.), einer der Sänger der Banda Senderos, hofft, dass die Krise den Menschen zeigt, "was wirklich wichtig ist". © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

„Wir werden uns im nächsten halben Jahr überlegen müssen, wie lange wir das noch stemmen können“, sagt Sebastian Campos. Der Booker der Band, der in Deutschland und Spanien Musiker und Konzertveranstalter zusammenbringt, überlege bereits, sich ganz neu aufzustellen. „Ich denke, dass sich viele Leute wundern werden, was alles aus der Kulturlandschaft verschwindet“, bedauert Julian Kühn.

"Es war schockierend, wie schnell eine Branche vom Netz genommen wurde"

Bei allen zurückliegenden Debatten um schrittweise Öffnungen seien Kunst und Kultur meist außen vor gewesen, kritisiert auch Bastian Korn. Noch im Oktober habe er unter größtem Hygieneaufwand in Mülheim gespielt. Dort  hatte die SOL-Kulturbar ein aufwendiges Openair-Konzept erarbeitet, das auch über die Wintermonate zumindest ein wenig Live-Musik ermöglichen sollte.

Während die Geschäfte zunächst weiter öffnen durften, war an der Location am Raffelbergpark direkt Schluss: „Da wurde ein riesiger Aufwand betrieben und ich habe das einfach als wahnsinnig frustrierend und ungerecht empfunden“, blickt Korn zurück. Die Kultur habe im Corona-Jahr an Wertigkeit verloren: „Es war schockierend, wie schnell eine ganze Branche vom Netz genommen wurde.“

"Bei zu vielen Leuten kommt zu wenig Hilfe an"

Nun könnte vielen Künstlern und Musikern auch der finanzielle Boden unter den Füßen wegrutschen. Von den für November und Dezember angekündigten Hilfen sei bislang nichts ausgezahlt worden. „Unterm Strich gibt es zu viele Leute, bei denen zu wenig ankommt“, so Korns Eindruck.

Er ergänzt: „Es hätte leichtere Methoden gegeben, etwa eine unbürokratische Grundsicherung für alle.“ Hätten ihn in den vergangenen Monaten die Gema-Zahlungen für das Konzertjahr 2019 gut über Wasser gehalten, drohten ihm und vielen anderen in diesem Jahr existenzbedrohende Engpässe.

Dabei ist es längst nicht nur das Finanzielle, das immer mehr Menschen seiner Branche zu schaffen mache: „Die Seele schmerzt: Es tut allen Künstlern wahnsinnig weh, nicht spielen zu können“, sagt Bastian Korn, der sich dennoch nicht entmutigen lassen will: Er freue sich auf seine deutschsprachige Single, die er im März herausbringt. „I believe in 2021“, ließ er seine Fans auf Facebook wissen.

"Es gibt deutlich mehr, was uns als Gesellschaft zusammenhält"

Und auch die Musiker der Banda Senderos wollen sich im Februar mit einem „coronakonform“ gedrehten neuen Musikvideo zurückmelden. Etwas tiefgründiger und ernster sei ihre Musik geworden, „wir haben uns in dieser Zeit selbst als Sommer-Sonne-Gute-Laune-Band hinterfragt“, sagt Sebastian Campos.

Er hofft, dass manche Menschen aus der Corona-Krise eine Lehre ziehen: „Vor allem der Konsum und die Wirtschaft wurden in den vergangenen Monaten über alles gestellt. Dabei ist es deutlich mehr, was uns als Gesellschaft zusammenhält.“