Essen. Die Welt ist nicht gerade arm an Angebern – und das nicht erst seit dem es Instagram gibt. Diese Strategien helfen, mit ihnen zurechtzukommen.
Über den Golfer Donald Trump erzählt er selbst, er sei der beste Spieler „unter allen reichen Leuten“. Womit er, wenn man die Exklusivität des Sports bedenkt, einer ganz passablen Konkurrenz die Stirn bieten dürfte. Sein Handicap, ebenfalls durch ihn selbst überliefert, liegt bei quasi-professionellen 2,8. Er stand mit Tiger Woods auf dem Grün – und brachte die Legende zumindest ordentlich ins Schwitzen. Trump! Was für ein Kerl! Er führt diese Super-Nation, dann noch sein Imperium – und ist nebenbei ein echtes Sport-Ass!
Trumps Erfolgsgeheimnis beim Golfen ist jetzt auch bekannt geworden: Er trickst, betrügt und missachtet die Regeln so dreist, wie es nur geht. Dies zumindest belegt recht akribisch ein jüngst erschienenes Buch des Journalisten Rick Reilly („Der Mann, der nicht verlieren kann – Warum man Trump erst dann versteht, wenn man mit ihm golfen geht“, Hoffmann & Campe, 288 Seiten, 18 Euro).
Trump tritt öfter mal die Bälle seiner Gegner ins Gebüsch, was ihm unter Caddies den Spitznamen „Pelé“ eingebracht hat. Oder lässt einen Reserve-Ball aus der Hosentasche ins Loch plumpsen, eine äußerst elegante, aber leider nicht regelkonforme Technik einzulochen. Manche Profis spielen nur mit ihm, um erzählen zu können, wie sie höchstselbst übers Ohr gehauen worden sind...
Trump inszeniert sich als Selfmade-Milliardär
Trump als Präsident der USA ist einer der mächtigsten Menschen der Welt – und ein notorischer Angeber, gar ein „sehr stabiles Genie“. Wobei man ja meinen sollte, dass so ein Präsident das Angeben gar nicht nötig hätte. Ein Angeber war Trump aber schon, bevor er Präsident wurde. Er stilisiert sich gern als Selfmade-Milliardär – eine Mär, denn er erbte den größten Teil seines Vermögens vom Vater. Und doch: Er wird von vielen bewundert, verehrt und als starker Mann angesehen. Der Schein überflügelt das Sein. Man kann mutmaßen: Ohne die Angeberei wäre Trump vielleicht nie so weit gekommen.
Manch einer fühlt sich von seinen Erfolgen sogar inspiriert. Kein Wunder, dass „der beste Präsident, den Gott je erschaffen hat“ (Trump über Trump) jüngst liebäugelte, sein Antlitz neben den großen US-Präsidenten am Mount Rushmore verewigt zu sehen.
Blender, Aufschneider, Prahlhans, Gernegroß, Hochstapler, Wichtigtuer, Möchtegern, Schaumschläger, Protz, Scheinriese, Dickehosetyp… Wir haben nicht ganz so viele Wörter für die Münchhausens dieser Welt wie die Eskimos Begriffe für Schnee – aber eine gewisse Vielfalt lässt sich nicht abstreiten.
Angeber sind leistungsorientiert bis zur Nervigkeit
Die Angeberei ist die Folge eines gesteigerten Geltungsbedürfnisses, also dem Wunsch nach Anerkennung und Beachtung. Die Ursache ist von Psychologen längst verortet: schwaches Selbstwertgefühl oder Minderwertigkeitsgefühle. Es kann jedoch auch eine narzisstische oder gar psychopathische Persönlichkeitsstörung vorliegen.
Das Verzwickte dabei: Wer ein gesteigertes Geltungsbedürfnis besitzt, ist oft hochmotiviert, leistungsbereit und beharrlich bis zur Nervigkeit, was am Ende oft zu gewissen Erfolgen führt. Zwar werden diese Erfolge niemals so groß sein, wie sie von den Angebern aufgeblasen werden. Aber das ist letztlich zweitrangig. Von außen sehen viele nur den Schein – und lassen sich vielleicht sogar mitreißen. Ist Elon Musk ein Genie oder nur ein Geschäftsmann mit gutem Riecher, der seine Erfolge gut verkaufen kann?
Die Rapper mit dicker Goldkette und fettem Auspuff sind in dieser Hinsicht nicht anders als der Spießer aus der alten Sparkassen-Werbung, der mit „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“ versucht hat, Eindruck zu schinden – und von vielen als Witzfigur betrachtet wurde. Aber eben nicht von allen.
Unionspolitiker halt…
Gegen Angeberei sind auch jene nicht immun, die es ohnehin schon gut haben. Typen wie Karl-Theodor zu Guttenberg, der nicht nur über ein beträchtliches Familienvermögen und einen Freiherren-Titel waltet, sondern auch über neun bis zehn Vornamen verfügt. Er brauchte unbedingt noch einen Doktortitel, obwohl er ihn damals herbeiplagiieren musste.
Und nun, neun Jahre nach der Affäre, diese große Scharte des anerkannten Doktortitels wieder auswetzen muss, indem er erneut eine Doktorarbeit vorlegt – diesmal womöglich sogar eine, die er selbst geschrieben hat.
Nicht ganz so arg, aber dennoch böse, stolperte jüngst CDU-Nachwuchs Philipp Amthor, dem es nicht genug war, mit 27 Jahren im Bundestag zu sitzen und in seiner Partei als Hoffnungsträger zu gelten. Er wurde unter anderem Aufsichtsrat eines US-Start-ups – und empfahl diese Firma gleich schriftlich weiter. Was dazu führte, dass seine Karriere nun ins Stocken geraten und seine Glaubwürdigkeit arg erschüttert ist.
Soziale Medien – das Tummelbecken der Gernegroßen
Amthor wollte sich ja auch als Netz-Persönlichkeit profilieren. Und das ideale Medium zur Selbstdarstellung – und damit zur Angeberei – liefern die sozialen Medien, in denen jeder sein Leben in den schillerndsten Farben aufhübschen kann – und dabei nur von sich selbst gefiltert wird. Auf Instagram, Facebook, Snapchat, Tinder und Youtube treffen sich Milliarden von Blendern: Leute, die sich Sportautos ausleihen, um damit zu posieren.
Oder Menschen, die jede Mahlzeit mit einem Fotofilter ins Netz schicken – und so beweisen, dass sie sich besonders gut, gesund oder teuer ernähren. Und egal, ob sie nun gut selbst fototauglich kochen können oder edel essen gehen: Heute ist Prahlhans Küchenmeister.
Die Konkurrenz unter den Angebern, die oft als Profilbild nur eine Anhäufung teurer Luxusartikel zeigen, ist mitunter toxisch: Wer als Angeber nur von vermeintlich noch schlimmeren Angebern umzingelt ist, kommt gar nicht mehr zur Ruhe – und jedes schneller, höher, weiter, jedes reicher, fitter, schöner ist noch nicht genug. Man konkurriert ja nicht nur mit einem Image-Protz, sondern mit allen.
Warum kleine Kinder Angeber lieben
Kleine Kinder übrigens lieben Angeber. Die Psychologin Kristi Lockhart von der Yale-Universität experimentierte mit der Reaktion der Jüngsten auf Angeber-Geschichten. Ergebnis: Wer unter acht Jahre alt ist, findet Angeber super. Typen wie „Karlsson vom Dach“ von Astrid Lindgren, die ständig tolle Geschichten auftischen, sind bis zu einem gewissen Alter echte Helden.
Wer älter ist, sagt die Studie, bevorzugt bescheidene Menschen. Lockhart befand, dass die Kinder die Angeberei eher als „Information über die Fähigkeiten einer Person“ ansähen. Und selbst Erwachsene seien vor Angebern nicht gefeit, in schwierigen Situationen vertrauen sie eher jenen, die ihre angeblichen Fähigkeiten laut hinausposaunen, statt jenen, die ruhig, souverän und zuverlässig ihre Arbeit verrichten.
Auch unter den Geschlechtern gibt’s Unterschiede: Frauen neigen dazu, ihre eigenen Stärken eher herunterzuspielen. Das geht so weit, wie eine Studie der Rutgers University herausfand, dass sie zwar stark darin sind, die Vorzüge ihrer Bezugspersonen anzupreisen. Eigene Leistungen jedoch stellen sie gern ein wenig unter den Scheffel.
Wie kann man nun den Blendern entgegentreten?
Eine Eigenschaft, die sich im Berufsleben als fatal erweisen kann, das unablässige Hinweisen auf eigene Erfolge und Kompetenzen sollte man nicht allzu sehr vernachlässigen, sonst überlässt man jenen das Feld, die sich trotz mangelnder Leistung bloß besser darstellen können.
Wie kann man nun den Blendern entgegentreten? Die wirksamste Waffe sind sachliche Nachfragen. Denn Blender verfügen oft über sehr selbstsicheres Auftreten, aber über wenig Wissen und Kompetenz. Eine kritische Nachfrage, die eine faktenbezogene Antwort verlangt, wird von ihnen vermutlich abgetan oder rhetorisch ausgekontert. Was einen nicht davon abhalten sollte, wieder und wieder nachzuhaken – bis auch der Letzte versteht, dass hier keine richtige Antwort, sondern nur Floskeln zu erwarten sind.
Eine Kunst im Berufsleben scheint es zu sein, das richtige Gleichgewicht zwischen Geltungsbedürfnis und tatsächlich existierender Substanz zu finden – und nötigenfalls den Blendern und Angebern Paroli zu bieten. Wer das beherzigt, der kann es weit bringen.