Ruhrgebiet. Keine Schokolade in der Schultüte? Es geht tatsächlich anders: Hauptsache, die Leckereien sind gut verpackt – und es steht nicht „gesund“ dran.

Dieser gehört zu den schönsten Momenten des ersten Schultags: Schleife aufziehen, Schultüte auskippen, Schokolade! Aber halt, so viel Süßes soll ja gar nicht gut sein, „es legt das Denken lahm“, sagt die Ernährungsberaterin Nicola Herrmann. Was nachvollziehbar schlecht wäre für ein gerade gewordenes Schulkind. Nur, eine Zuckertüte ohne Zucker – geht denn das?

Es geht, sagt Nicola Herrmann, „und es macht sogar Spaß“. Tatsächlich ist die Velberterin keine Spaßbremse und will das auch nicht sein: Sie weiß sehr gut, dass es „nicht attraktiv“ ist, ein Kind „an einer Möhre lutschen zu lassen“, während alle anderen echte Lollis schlecken. Sie, die selbst mit ihrer Familie seit Jahren zuckerfrei lebt, weiß auch, dass das Wörtchen „gesund“ für das Kind noch weniger attraktiv ist und ein Verbot dagegen erst so richtig Heißhunger macht. Da hilft nur eins: Zuckerfrei muss das Besondere sein. Und es muss ja nicht so heißen.

„Zucker hilft nachweislich nicht beim Denken“

Nicole Herrmann aus Velbert hat auch schon Bücher über zuckerfreies Leben geschrieben.
Nicole Herrmann aus Velbert hat auch schon Bücher über zuckerfreies Leben geschrieben. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Nicola Herrmann packt den Kindern durchaus Süßes ein, nur süßt sie nicht mit Zucker. Auch nicht mit Honig oder Agavendicksaft oder Stevia… Denn das alles macht im Körper dasselbe: Insulin wird ausgeschüttet, je nach Menge kann das verschiedene Krankheiten fördern. Und was man sicher weiß, ist: „Zucker hilft nachweislich nicht beim Denken.“ Herrmann erinnert an einen Versuch mit Ratten, die nach dem Genuss von gesüßtem Futter dasselbe nicht mehr fanden und erst recht nicht den Ausweg aus einem Labyrinth, in das man sie gesetzt hatte. Kinder, sagt die 51-Jährige, können zappelig werden vom Zucker, Probleme kriegen, sich zu konzentrieren.

Also süßt die gelernte Hebamme mit Datteln, mit Kakaobutter, mit reifen Bananen. Sie macht Brownies, Fruchtpralinen, Aprikosenbällchen (Rezepte unten), und sie verpackt sie nett: Das Auge nascht mit. Bunte Schleifchen, farbiges Transparentpapier, das sieht schön aus und „das Fett soll ja die Schultüte nicht versauen“. Eine Tafel Schokolade aus dem Regal ziehen, kann jeder, sagt Nicola Herrmann, der immer gleiche Schokoriegel sei heute normal. „Früher hatte das Selbstgemachte nicht viel Wert“, inzwischen wüssten Kinder es wieder zu schätzen: „Da hat sich jemand für mich Mühe gemacht.“

Ein bloßes Stück Gurke ist langweilig, der Gurkenlolli spannend

Außerdem: Das Ungewöhnliche ist heute cool. Herrmann hat erlebt, dass sie Muffins mit in die Schule gab (wenn auch ohne Kristallzucker), aber das machen viele Mütter: „Es war nicht interessant.“ Interessant waren die Gurkenlollis, die sie mal eben zaubert aus Salatgurke, Möhre, Zahnstocher. „Funktioniert bis zur sechsten Klasse.“ Die Tochter bestellte zuhause für den nächsten Schultag die doppelte Menge.

Ein bloßes Stück Gurke indes, nebst Karotte im Ranzen, das wäre langweilig gewesen. Niemand könne wollen, dass das Kind unangenehm auffällt. „Ich muss das Essen zu etwas Besonderem machen“, sagt Nicola Herrmann. Indem es toll aussieht, in der schicksten aller Brotdosen steckt oder hinter einer geheimnisvollen Ankündigung: „Du darfst auf keinen, aber auf gar keinen Fall in die Küche kommen!“ Wer dem Kind sagt, dass es eine supergesunde, zuckerfreie Schultüte bekommt, „hat schon verloren, dann hat die tollste Tüte einen Makel“.

Früher lag eher Holzwolle in der Schultüte, und obenauf eine Handvoll Kekse

In die selbstgebastelte Schultüte dürfen auch selbstgemachte Leckereien.
In die selbstgebastelte Schultüte dürfen auch selbstgemachte Leckereien. © Funke Foto Services GmbH | Fischer

Aber wenn neben all den Leckereien Studentenfutter drin steckt, Trockenobst, eine Handvoll Walnüsse (sehen die nicht sogar aus wie ein Gehirn?) – das macht die Tüte aufregend. Dazu eine hübsche Trinkflasche und eine ganz besondere Brotdose, das ist ein Versprechen auf lauter selbstgemachte Frühstückspausen in der Grundschulzeit. (Übrigens: Als man im deutschen Osten in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Zuckertüte erfand, lag meistens vor allem Holzwolle darin – und nur obenauf ein Häuflein Kekse als Wegzehrung für den Schulweg.)

Vielleicht ist „sexy“ nicht das beste Wort für Kinderessen, aber eigentlich ist das die Idee: die Snacks sexy zu machen. Nicola Herrmann verpackt sie – außer in Transparentpapier – in Geschichten. Die Fruchtzwerge, der Paula-Pudding, solche Waren ziehen, weil sie Geschichten erzählen, also erfindet die Velberterin neue: von Emma, die Piratenpudding kocht, oder irgendeine Story, die ihren beliebten Bananenquark noch leckerer macht. „Dem kann sich kein Kind entziehen.“ Das Wort „gesund“ kommt in diesen Geschichten nicht vor, auch nicht die Mahnung: „Das macht dick!“ Sogar Vollkornkekse hat sie auf diese Weise an das Kind gebracht, „man ist erstaunt, was die alles essen“.

Das Kind darf trotzdem gern tauschen

Zumal, wenn Zucker nicht komplett verboten ist. Nicola Herrmann predigt keinen Absolutismus, Kinder zu 100 Prozent zuckerfrei zu halten, „ist absolut unmöglich“. Aber sie macht ein „Angebot“, ein besseres, wie sie findet. Gesunde Ernährung ist für Herrmann ein „Erziehungsauftrag“, aber wenn das Kind in der Schule unbedingt das Obst gegen einen Schokoriegel tauschen will: bitte! „Es muss sich ausprobieren, es muss seine Brotbox auch mal Scheiße finden dürfen.“ Mehr als einmal hat sie aber die Erfahrung gemacht: Ihre Tochter probierte anderswo eine Zuckerbombe – und „fand die gar nicht so dolle“.

>>INFO: REZEPTIDEEN FÜR DIE SCHULTÜTE VON NICOLA HERRMANN

Brownies (Portionen 12)

Zutaten: •12 Datteln •190 g Walnusskerne •20 g Backkakao fairtrade •1 Prise Salz •1 Msp gemahlene Vanille optional

Brownies (Symbolbild)
Brownies (Symbolbild) © Shutterstock/July Prokopiv | July Prokopiv

Anleitung: 1. Für die Küchenmaschine/Mixer: alle Zutaten vermischen und pürieren 2. Für den Pürierstab: Erst die Datteln pürieren, dann Walnüsse und die restlichen Zutaten pürieren. 3. Alles aus dem Mixer nehmen und entweder zu einem Rechteck formen oder zu Kugeln rollen.

Gurken-Lollis

Zutaten: •1-2 gerade Gurken bio •gerade, nicht zu dicke Möhren

Anleitung: 1. Gurken gut waschen und Möhren schälen. 2. Gurke in ca. 10 cm lange Stücke schneiden und mit dem Apfelausstecher das Weiche aus der Mitte stechen. Die Möhre hineinstecken, dabei ist es wichtig, dass die Möhre nicht zu doll hineingepresst wird. Das könnte die Gurke zum Platzen bringen. Lieber die Möhre noch ein bisschen schlanker schälen. 3. Jetzt die Enden der Möhre abschneiden und die Gurke in 1-2 cm dicke Scheiben schneiden und mit dem Zahnstocher aufspießen.

Fruchtpralinen mit zwei Varianten

Zutaten: •250 g Datteln •125 ml Wasser •100 g Kakaobutter •70 g Haselnussmus •40 gBackkakao •1/2 TL gemahlene Vanille •Trockenfrüchte nach Geschmack: Datteln, Aprikosen, Rosinen

Anleitung: 1. Kakaobutter im Wasserbad schmelzen. 2. Wenn du Dattelsüße verwenden möchtest, Datteln mit Wasser im Mixer pürieren und 100 g davon als Süßungsmittel verwenden. Der Rest kann im Glas verschlossen im Kühlschrank einige Wochen aufbewahrt werden. 3. Haselnussmus und Backkakao, Vanille und Dattelsüße dazugeben. 4. Alles gut verrühren und abkühlen lassen. Damit die Flüssigkeit schneller dickflüssig wird, kannst du die Schüssel auch in den Kühlschrank stellen. Aber Achtung! Die Zeit, in der die Masse gut zu verarbeiten ist, ist nur sehr kurz. Dann ist die Schokolade hart. 5. Früchte in das Schokoladenbad geben, mit der Gabel wieder herausnehmen und auf einem Gitter abtropfen und abkühlen lassen. 6. In einer Dose im Kühlschrank aufbewahren

Aprikosen-Bällchen

Zutaten: •100 g getrocknete Aprikosen ungeschwefelt •100 gCashewkerne •1 TL Zimt •1 Prise Salz •100 g Kokosraspeln optional

Aprikosenbällchen (Symbolbild).
Aprikosenbällchen (Symbolbild). © Shutterstock/Valerii__Dex | Valerii__Dex

Anleitung: 1. Wenn eine Küchenmaschine vorhanden ist, alles in den Mixbecher geben und pürieren. 2. Bei Benutzung eines Pürierstabes: Aprikosen zerkleinern und in ein hohes Standgefäß geben. Darauf die Cashewkerne und die Gewürze geben. Alles mixen. 3. Mit den Händen in beliebig große Kugeln rollen und danach in Kokosraspeln wälzen.

Im Internet: www.nicola-herrmann.de

Dies ist ihr Blog zum ersten Schultag: https://www.nicola-herrmann.de/zuckerfreier-schulstart/

Am Sonntag, 9. August, ist Nicola Herrmann um 15 Uhr live bei Facebook. Dort zeigt sie ihre besten Rezepte für die zuckerfreie und trotzdem süße Schultüte: https://www.facebook.com/nicolaherrmann.de/