Oberhausen. In Oberhausen hat die Freiluft-Kunst manchmal etwas Mystisches - oder sie wirkt ganz bodenständig wie bei der Bergmanns-Kapelle in Osterfeld.
Wenn man sich mal anschaut, wie spannungsvoll und energiegeladen die beiden Säulen des „Phönix im Wind“ sich einander zuneigen, wie das Wasser aus den Waagschalen sich von Zeit zu Zeit in die Tiefe ergießt und dabei die Flügel des Phönix bewegt, dann ahnt man: Es waren vergleichsweise optimistische Zeiten, als Otto Wesendoncks Brunnen-Skulptur 1999 als Teil der Umgestaltung der Marktstraße hier eingeweiht wurde. Ein Optimismus, der angesichts der Konkurrenz des damals noch jungen Centro für die Einkaufsstraße bitter notwendig war – und der sich nicht immer erfüllt hat.
Volker Buchloh (60), Leiter des Kulturbüros und der Musikschule Oberhausen, ist für die Wucht des Phönix aus Bronze und Stahl auch heute noch entflammt. Er erinnert sich: „Zur Einweihung haben wir hier Händels ,Wassermusik’ gespielt.“ Seither ist viel Wasser den Brunnen hinabgeflossen, doch der Ausblick von hier über diese immens lange Fußgängerzone von Oberhausen bis zum Altmarkt ist immer noch beeindruckend.
Von der Kriegsgöttin zum Friedensengel
Es ist nicht der einzige sehenswerte Brunnen in der Innenstadt, denn der im Volksmund stets nur „Schwan“ getaufte „Wasservogel“ von Szoltan Szekessy (1962) am Friedensplatz bietet eine sehr postkartenverdächtige Sichtachse zum Amtsgericht, das 1904 bis 1907 im Stil der Neorenaissance erbaut wurde – und dessen Fassade Reliefs Sünde, Strafe, Reue und Wahrheit zeigen. An einem der zentralen Plätze in Oberhausen gelegen, war der Brunnen allerdings auch immer schon Ziel für Streiche. Man erzählt sich, dass früher mehrfach Jugendliche nachts Seifenpulver ins Wasser gekippt hätten – ein fieser Schabernack, der zugleich ein früher Vorläufer der Schaumparty gewesen ist.
Vom Friedensplatz zum „Friedensengel“, der eigentlich gar keiner ist. „Siegessäule mit Nike“ heißt das Denkmal am Altmarkt eigentlich. Siegesgöttin Nike sollte hier die Gefallenen des Kriegs mit Frankreich 1870/71 rühmen, blickt dabei aber so friedlich auf die Herz-Jesu-Kirche, dass man sie umwidmen musste. „Die Oberhausener waren der Meinung, man müsse die Kriegsgöttin in einen Friedensengel umbenennen. Das liegt übrigens auch mir näher“, sagt Buchloh.
Ein Diamant vor dem Rathaus
Natürlich gibt es nicht nur Werke, die wie die Säule schon seit 1876 ihren angestammten Platz haben. Ein recht junger Vertreter ruht etwa gleich auf der Wiese vor dem Rathaus: „Adamas“ vom gebürtigen Oberhausener Günter A. Steinmann steht stahlglänzend seit 2010 auf einer Wiese vor dem Rathaus. „Diamant“ hieße das Werk, wenn man den griechischen Titel übersetzen wollte. Und vier Arme umfassen einen glänzenden Würfel, in dem sich die Umgebung spiegelt, sieben Meter hoch, ein heller, nachts auffällig angestrahlter Kontrast zur dunklen Fassade des Ende der 1920er-Jahre errichteten Verwaltungsgebäudes.
Schräg gegenüber des „Adamas“ rostet der „Kulturwächter“ leise vor sich hin – aber das ist jetzt kein Statement über den Zustand der Oberhausener Kultur, wie Volker Buchloh lachend zugibt („Im Gegenteil, man hat hier unheimliche Freiheiten“), sondern künstlerische Absicht. Die Skulptur von Kuno Lange und Klaus Jost aus dem Jahr 1996 steht eben vor der Kulturvilla, dem Sitz des Kulturdezernats, und trägt eine Messlatte als Lanze. Dass sie vermeintlich argwöhnisch Richtung Rathaus blickt, ist bestenfalls als milde Kritik zu verstehen.
Die berühmte Spiralbrücke „Slinky Springs“
Verlassen wir die Innenstadt Richtung Kaisergarten, der mit Schloss Oberhausen und der Ludwiggalerie einen Zentralpunkt des Oberhausener Kulturlebens darstellt. Direkt vorm Schloss erstreckt sich die „Slinky Springs To Fame“-Brücke (2011) von Tobias Rehberger, die es mit ihrer schier endlosen Spiralform und der nächtlichen Lichtinstallation unter die Top-100-Kunstwerke von Public Art Ruhr gebracht hat. Die gewundene Brücke ist beides: Nutzbau für Spaziergänger und Radfahrer über den Rhein-Herne-Kanal – und Kunsterlebnis der unmittelbaren Art.
Auch in den Stadtteilen gibt es viel Kunst zu entdecken, etwa Gerhard Losemanns abstrakte „Wasserharfe“ (1986) am Kleinen Markt in Sterkrade oder die sehr naturalistische „Bergmannskapelle“ (2006) von Christel Lechner am Wappenplatz in Osterfeld.
Wenn der „Zauberlehrling“ tanzt und sich wiegt
Einen wahrhaft mystischen Brückenschlag zwischen Industrie und Kunst findet man dann wieder beim „Zauberlehrling“ der Künstlergruppe „inges idee“, der jüngsten (2013) und zugleich letzten Station unserer Tour. Ein Strommast, der tanzt und sich windet – und von der A42 aus sichtbar schon viele Autofahrer erstaunt hat. Er befindet sich im Gehölzgarten Ripshorst, einem Park an einer alten Bergarbeiter-Siedlung. Der faszinierend windschiefe Mast steht im schönen Kontrast zu seinen „geraden Geschwistern“, wie Volker Buchloh die Strommasten im Hintergrund liebevoll nennt. Doch die sind natürlich keine Kunst, sondern schnöde Leitungsträger. Buchloh hat angesichts des „Zauberlehrlings“ die Musik von Paul Dukas im Ohr – und ein leichtes Funkeln in den Augen. Er fragt: „Macht Ihnen eigentlich der Job genauso viel Spaß wie mir?“ Man kann verstehen, warum er sich mit all der Kunst und Musik um ihn herum so glücklich fühlt.