Essen. Das System der Talsperren sichert die Wasserversorgung in Nordrhein-Westfalen. Doch wie lange fällt noch ausreichend Niederschlag?
Wasser – klar und erfrischend – gibt uns das Gefühl von hoher Lebensqualität, Gesundheit und Wohlstand. Seien es rauschende Wasserfälle in tropischem Ambiente, plätschernde Bächlein durch satt-grüne Wiesen und Wälder – oder bloß die morgendliche Dusche: Wasser, die chemische Verbindung von Sauerstoff und Wasserstoff, macht das Leben auf unserem Planeten erst möglich und ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Doch diese Ressource ist in Gefahr. Bereits heute spüren Menschen auf allen Kontinenten unter Wasserknappheit. Und manche leiden sogar extrem darunter. Während einige nur ihren Swimmingpool nicht mehr füllen dürfen, können andere ihre Felder nicht mehr ausreichend bewässern. Dramatisch ist die Situation für mehr als zwei Milliarden Menschen, die nicht regelmäßig über sauberes Trinkwasser verfügen.
„Wir sind keine Regenmacher“
Der Klimawandel wird die Wasserknappheit verschärfen. „Wir sorgen dafür, dass genügend Wasser da ist“, sagt Britta Balt, stellvertretende Sprecherin des Ruhrverbandes in Essen. Das klingt wie ein Werbeslogan und ein bisschen nach Beruhigung. Doch weit gefehlt. „Aber wir sind keine Regenmacher“, ergänzt sie. „Der Klimawandel ist längst bei uns angekommen. Wir stecken mitten drin. Seit gut zehn Jahren messen wir unterdurchschnittliche Niederschlagsmengen.“ Das stelle den Ruhrverband vor große Herausforderungen und „verlangt einen sehr sensiblen Umgang mit der Ressource Wasser“.
Der Ruhrverband, einer von elf Wasserwirtschaftsverbänden in NRW, garantiert seit 1913 auf gesetzlicher Grundlage eine zukunftsgerechte wasserwirtschaftliche Infrastruktur an der Ruhr. Um das sicherzustellen, betreibt er acht Talsperren und fünf Stauseen sowie zahlreiche Kläranlagen. 2,2 Millionen Menschen im Einzugsbereich der Ruhr werden mit dem Wasser aus ihr und ihren Nebenflüssen versorgt – nicht nur heute und morgen, auch zukünftig soll das so sein.
Extreme jahreszeitliche Schwankungen
Da wir Menschen die Regenmengen nicht bestimmen können, müssen die vorhandenen Wassermengen kontrolliert und reguliert werden. 450 Millionen Kubikmeter Wasser werden aktuell jährlich der Ruhr entnommen. In der industriellen Hochzeit waren es noch mehr als eine Milliarde. Für die Regulierung sorgen die acht Talsperren, von denen die Möhnetalsperre die größte ist. Bezogen auf dieses einzelne Flussgebiet ist dies das größte zusammenhängende Talsperrensystem in Deutschland.
Mit den extremen jahreszeitlichen Schwankungen des Wasserangebotes fertig zu werden, dies ist die Herausforderung, vor der die Wasserwirtschaftsverbände stehen. „Vor zehn Jahren hat der Ruhrverband eine Klimafolgen-Analyse erstellt, die permanent fortgesetzt wird. In der wird die Ausfallwahrscheinlichkeit berechnet“, erklärt Britta Balt. „Das heißt: Kann es passieren, dass kein Stauwasser mehr vorhanden ist, die Stauseen also leer sind? Hochgerechnet bis 2100 könnte das einmal in 200 Jahren geschehen.“
Ein trockener Sommer ist noch kein Problem
Ein trockener Sommer ist für das System der Talsperren und die damit verbundene Wasserversorgung kein Problem. „Das wird es erst, wenn auch ein trockener Winter folgt“, sagt Balt und erinnert an das kritische Jahr 2018, als nach dem trockenen Sommer der erste Regen erst im Dezember fiel. Solange es in den Wintern also noch ausreichend regnet und Wasser aufgestaut werden kann, können in den Sommern entsprechende Wassermengen in die Ruhr abfließen und von den Wasserwerken zur Trinkwasseraufbereitung entnommen werden. Doch die Niederschläge werden weniger. Und deshalb werden die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte für die Mindestabflüsse in die Ruhr stets angepasst – also nach unten reguliert.
Steuerung der Talsperren
An der Kronprinzenstraße in Essen befindet sich die Talsperrenleitzentrale. Dort werden pausenlos hydrologische und meteorologische Daten gesammelt und verarbeitet wie die Stauinhalte der Talsperren und Niederschlagsmengen. Die Vorhersagen der Wetterdienste und die betrieblichen Erfordernisse entscheiden schließlich über die Wasserabgabe aus den Talsperren. „In der Regel schauen wir dabei drei bis fünf Tage in die Zukunft. Bei langer Trockenheit oder bei Hochwasser müssen wir auch mehrmals täglich die Situation anpassen“, erklärt Anne Becker, die stellvertretende Leiterin der Talsperrenzentrale. Die Daten werden an die einzelnen Talsperren weitergegeben. Vor Ort wird die Wasserabgabe dann gesteuert. Ins System eingebunden sind natürlich auch die Wehre – damit immer genug Wasser strömt und wir niemals auf dem Trockenen sitzen.
Unser Trinkwasser gehört zu den sichersten Lebensmitteln
Wie das kostbare Nass zum Wasserkran kommt
Wer statt des teuren Edelsprudels lieber Kraneberger trinkt, macht keinen Fehler. Denn unser Trinkwasser gehört zu den sichersten Lebensmitteln überhaupt. Doch wie kommt das kostbare Nass aus der Tiefe zum heimischen Wasserkran? Ein kurzes Protokoll einer langen Reise mit vielen Zwischenstationen.
Alles Gute kommt bekanntlich von oben. Das gilt für das Oberflächenwasser aus Flüssen wie Ruhr oder Rhein, aus dem das in großen Teilen von NRW Trinkwasser hergestellt wird. Beim Mülheimer Wasserversorger RWW funktioniert dies nach einem Multi-Barrierenverfahren, dem „Mülheimer Verfahren“, das längst die früher übliche Chlorung ersetzt hat: Zunächst werden über Sandfilterbecken oder in einem Accelator Trübstoffe entfernt. Tief unter der Erde nehmen Heberbrunnen-Galerien, von außen kaum sichtbar, das kostbare Nass auf und leiten es zu Sammelbrunnen weiter. Schon jetzt ist das Wasser optisch klar, muss aber noch behandelt werden – zum Beispiel in der Ozon-Anlage, in der das Vernichten von noch vorhandenen Schadstoffen vorbereitet wird. Danach geht es in der Filterhalle durch einen Mehrschichtfilter aus als Sand, Kies und Aktivkohle und einen Filter, in dem sich ausschließlich Aktivkohle befindet, – übrigens ein sehr effektiver Reinigungsschritt. Denn „ein Teelöffel Aktivkohle hat die gleiche Oberfläche wie ein Fußballfeld“, erklärt uns Kristina Strüwe von der RWW.
Bevor das Wasser via Wasserwerk ins Leitungsnetz eingespeist wird, über Transport- und Nebenleitungen und Pumpen in die Haushalte kommt, wird es noch mit UV-Licht bestrahlt. Generell steht Sicherheit dabei an erster Stelle. An vielen Stellen werden Proben entnommen und von Laboren des Wasserversorgers, aber auch von externen Instituten, untersucht. Das gilt auch für Baumaßnahmen im Netz. Dazu Kristina Strüwe: „Erst wenn der Daumen hochgeht, ist die Leitung freigegeben.“ Tipp: Der Service der Wasserversorger endet am Wasserzähler. Wer sicher sein will, ob seine Wasserleitungen im Haus den geltenden Standards genügen, sollte sich an ein akkreditiertes Labor wenden.
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