Mülheim/Krefeld. Jonas Koziorowski und Heiner Fischer bloggen online aus Vatersicht über Familie und Erziehung. Gelesen werden ihre Beiträge meist von Frauen.

Jonas Koziorowski schaut in die Smartphone-Kamera. „Ein kleiner Nachtrag zu meinem Post gestern zum Thema BLW“, sagt der 27-Jährige, während Baby Thea auf seinem Schoß fröhlich auf einem Gurkenstück herumlutscht. „Idealerweise füttert ihr natürlich bitte euer Baby auf dem Schoß sitzend, aufrecht oder im richtigen Hochstuhl. Der Neugeborenenaufsatz ist keine gute Lösung dafür.“ Nach seiner letzten Instagram-Story zum Thema breifreie Beikost seien Fragen zur Erstickungsgefahr aufgekommen, erklärt er. Deswegen liefert er nun einen Nachtrag – und verlinkt gleich noch drei Posts von einer Kinderphysiotherapeutin.

Weil sie solche Storys sehen wollen, folgen 10.000 Menschen dem Mülheimer unter dem Namen „Jonaskozi
“ auf Instagram. Sie möchten in seinen Alltag eintauchen, sehen, wie er mit seiner sieben Monate alten Tochter umgeht, sie wollen Ratschläge – und sie wollen wissen, wo er den neuen Kinderwagen oder Hochstuhl gekauft hat. Koziorowski ist einer der wenigen Papablogger unter vielen weiblichen Kolleginnen auf der Fotoplattform Instagram – und noch dazu ist er Erzieher. Seine Follower lesen seine Beiträge genau deswegen: Sie interessiert die männliche Perspektive auf Elternschaft und kindliche Entwicklung.

Die Follower wollen wissen, wie sie anders machen können als ihre eigenen Eltern

„Die Leute sind sehr verunsichert und brauchen Bestärkung“, so Koziorowskis Erfahrung. „Ich beantworte an manchen Tagen mehrere 100 Nachrichten.“ Viele seiner Follower treibe die Frage an, wie sie in Erziehungsdingen einen anderen Weg einschlagen können als ihre eigenen Eltern. „Mein eigener Vater hat viel gearbeitet und war nur am Wochenende so richtig zu Hause. Viele möchten wissen, wie ich es jetzt schaffe, das anders zu machen.“ Aber auch Alltagstipps sind gefragt: „Wie läuft bei euch die Einschlafbegleitung ab?“, „Stillen oder Flasche?“, „Wie kann ich am besten mit Baby duschen?“ All das wollen Koziorowskis Abonnenten wissen. Um die letzte Frage zu beantworten, hat er auch schon einmal ein anschauliches Duschvideo gedreht – in Trockenversion aber, versteht ist.

Jonas Koziorowski und Tochter Thea: Die Storys des Papabloggers verfolgen auf Instagram 10.000 Menschen.
Jonas Koziorowski und Tochter Thea: Die Storys des Papabloggers verfolgen auf Instagram 10.000 Menschen. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann


Mittlerweile ist der 27-Jährige auch erste werbliche Kooperationen bei Instagram eingegangen - man könnte ihn „Dad-Influencer“ nennen. „Mit meinem Code Thea2019 spart ihr fünf Prozent auf eure Bestellung“, heißt es zum Beispiel unter einem Werbepost für Stoffwindeln. „Ich finde, Werbung muss nichts Negatives sein“, sagt Koziorowski. „Viele Eltern sind dankbar für Produktempfehlungen.“ Tatsächlich drehten sich etwa 30 bis 40 Prozent der Direktnachrichten etwa darum, welches Tragetuch oder welcher Kinderwagen am empfehlenswertesten sei.

„Viele Männer wollen sich selbst nicht zurücknehmen“

Heiner Fischer, zweifacher Vater aus Krefeld, begann seine Bloggerkarriere 2016. Auf seinem Online-Blog „Vaterwelten“ schrieb der 36-Jährige zunächst über Alltagsthemen – darüber, wie seiner Tochter der Brei schmeckt, zum Beispiel. Mittlerweile sind seine Beiträge politischer geworden. „Wir brauchen einen verpflichtenden Mutterschutz für Väter“, „Welcher Mann hat sich in deiner Kindheit um dich gekümmert?“ oder „Wie ich den Weg vom traditionellen Rollenbild zum aktiven Vater geschafft habe“, so lauten Titel seiner Beiträge. „Studien belegen, dass die meisten Männer mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen“, sagt Fischer. Aber: „Viele wollen sich selbst nicht zurücknehmen.“

Auf seinem Blog möchte der 36-Jährige Männer dazu ermutigen, aktivere Väter zu sein. Dem Chef zu sagen, dass man nicht länger bleiben kann, weil man nach Hause zur Familie möchte. Oder den Freunden, dass das Fußballtraining ausfallen muss. Denn: „Viele Männer holen sich Bestätigung durch Arbeit, Hobbys oder Sport, nicht aber durch ihre Vaterrolle“, sagt er. So komme es, dass Väter in die Rolle des ewigen Spielkameraden rutschten, der zum Raufen und Toben da ist, aber eben nicht für die „Care-Arbeit“: trösten, emotional begleiten, versorgen. Die Folge: „Wenn ein Vater dann mal sein Kind im Tragetuch herumträgt, bekommt er von allen Seiten Lob. Das geht mir total auf den Keks – wer sagt das denn den Müttern?“, empört sich Heiner Fischer richtig.

Einige können kaum glauben, dass ein Mann typische „Mütter-Aufgaben“ übernimmt

Fischer selbst machte einst Karriere in einer Werbeagentur, stieg dann aus, studierte Soziale Arbeit und ist heute Teilzeit als klinischer Sozialarbeiter tätig. Er arbeitet 20 Stunden, seine Frau 30. Für den 36-Jährigen ist es die ideale Lösung: „Ich habe jeden Entwicklungsschritt meiner Kinder miterlebt.“ An seinem Blog arbeitet er überwiegend abends, wenn die Kinder im Bett sind. Andere können derweil offenbar kaum glauben, dass ein Mann typische „Mutter-Aufgaben“ übernimmt: „Ich bin für alles zuständig, was den Kindergarten betrifft. Das haben wir klar kommuniziert. Trotzdem hat es ein halbes Jahr gedauert, bis wichtige Mails an mich geschickt wurden und nicht an meine Frau“, erzählt der Blogger.

Auch Koziorowski kritisiert, das viele Paare noch ein sehr traditionelles Familienmodell lebten: „Bei den meisten ist der Vater der Ernährer. Vielen Männern gefällt diese Rolle – mich beschäftigt aber auch, wie es den Frauen dabei geht.“ Er und seine Freundin hätten sich schon vor ihrer Schwangerschaft die Hausarbeit geteilt, sagt er. Wenn er nun von seinem Vollzeit-Job nach Hause komme, nehme er seiner Partnerin das Baby ab, begleite es in den Schlaf und habe die Wochenplanung im Kopf.

Meist lesen Frauen die Beiträge – und wollen Tipps für ihre Männer

Eines haben beide Blogger gemeinsam: Männliche Perspektive hin oder her – ihre Beiträge werden hauptsächlich von Frauen gelesen. Koziorowski hat einen Leserinnen-Anteil von 86 Prozent, Fischer von 80 Prozent. „Viele Frauen schreiben mir, dass sie es toll finden, wie ich Vaterschaft lebe und dass sie meine Artikel immer an ihre Männer weiterschicken. Sie wollen wissen, wie sie ihre Partner überzeugen können, selbst aktiver zu werden“, sagt er. „Ich antworte dann: Gar nicht. Das muss er schon selbst wollen.“ Im privaten Umfeld erlebe er es häufig, dass Männer sogar selbst den Wunsch nach mehr Zeit für die Familie äußerten. Sobald man ihnen aber etwa vorschlage, die Arbeitszeit zu reduzieren, heiße es oft: „Das ist doch Wunschdenken.“

Ob es manchmal frustrierend ist, so wenige Geschlechtsgenossen zu erreichen? „Ich glaube, es tut sich schon viel“, sagt Koziorowski. Aber: „Die Instagram-Welt ist immer auch eine Blase.“ Fischer sieht es nüchtern: „Ich freue mich erst einmal überhaupt, dass sich Leute für meine Beiträge interessieren.“ Und: „Ich betrachte es als meine Aufgabe, neben den Männern und Vätern auch an der Seite von Frauen und Müttern zu kämpfen.“