Herne. Hinter den Herner Flottmann Hallen erstreckt sich ein grüner, großzügig ausgestatteter Skulpturenpark mit 22 bedeutenden Kunstwerken.

Vom Bergbau-Zulieferer zur Kulturstätte, selten gelang der Strukturwandel vergleichsweise so reibungslos wie bei den Flottmann Hallen in Herne, die ja heute nicht nur als Kabarett-, Kleinkunst- und Konzertbühnen weit über die Reviergrenzen bekannt sind, sondern ebenso noch als Kunstort bedeutend – auch jenseits der aktuellen Ausstellungen in den Hallen. Denn hinter dem fünfschiffigen Gebäude erstreckt sich der Skulpturenpark, ein von außen eher unauffälliges, aber sehr schönes Gelände mit 22 Skulpturen zeitgenössischer Künstler, die alle bei Flottmanns schon Einzelausstellungen hatten.

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Reisen wir kurz zurück durch die Zeit: Es gab Flottmann als Metallgießerei schon seit ein paar Jahrzehnten, als Otto Heinrich Flottmann im Gründungsjahr von Schalke, 1904, hier eine technologische Revolution gelang: Er erfand den „Druckluft-Bohrhammer“ – ein unfassbarer Produktivitätsschub für den Ruhrbergbau. „Vorher hat man das nur manuell geschafft mit höchster Kraftanstrengung. Durch die Entwicklung des Druckluft-Bohrhammers wurde es viel, viel leichter“, sagt Jutta Laurinat, die bei Flottmann für die Bildende Kunst zuständig ist. Seit 1986 wird zwar auf dem Gelände ausschließlich Kultur produziert, aber: „Anfangs habe ich hier auch immer noch Anfragen von Leuten bekommen, die bei mir Bohrspitzen bestellen wollten.“

„Der Park ist eine Mischung aus Einkäufen, Dauerleihgaben und Schenkungen.“

Populär auch wegen seiner Form: Der „Donut“ heißt eigentlich „Homburger“, geschaffen vom Künstler Andreas Bee.
Populär auch wegen seiner Form: Der „Donut“ heißt eigentlich „Homburger“, geschaffen vom Künstler Andreas Bee. © FUNKE Foto Services | MATTHIAS GRABEN

Was wir heute als Flottmann-Hallen kennen, ist nur ein winziges Bruchstück des alten Werksgeländes: Die fünfschiffigen Hallen und das alte Verwaltungsgebäude sind erhalten geblieben, 1986 waren schätzungsweise 90 Prozent der Hallen abgerissen – und hinter den Gebäuden erstreckte sich eine riesige Industriebrache. Die wollte man schon lange mit Natur und Kunst zum Leben erwecken, aber es dauerte fast 20 Jahre, bis es auch möglich war: 2004 dachte man konkret über einen Skulpturenpark nach. Und 2008, als die Kulturhauptstadt schon freundlich am Horizont winkte, wurde das Gelände komplett saniert: Die Brache wurde zum Park von 10.000 Quadratmetern umgebaut und sorgsam mit Skulpturen ausgestattet. „Der Park ist eine Mischung aus Einkäufen, Dauerleihgaben und Schenkungen“, so Jutta Laurinat.

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So stand Peter Schwickeraths „Stahlschnitt“ (2004), ein schmuckvoll rostender Bogen aus Corten­stahl, erst an den Hallen und wurde später an einer neuen Stelle im Park wiederaufgebaut. Recht untrennbar mit den Flottmann-Hallen verbunden ist Heinrich Brockmeiers zweiteilige Skulptur „Zeit des Schweigens“ (1992), bei der sich eine Bronzefigur an die Fassade zu lehnen scheint, die andere am Boden liegt – und derzeit in Rosen gebettet zu sein scheint. „Es geht eine Ruhe und Verschlossenheit von den Figuren aus, so dass eine indirekte Kommunikation entsteht“, führt Erika Porsch aus, die seit vielen Jahren hier die öffentlichen Führungen übernimmt. Sie findet es spannend, dass Kunst im öffentlichen Raum immer im Wechselspiel mit der Natur ihren Charakter ändert.

Immer neue Perspektiven

Ein echter Blickfang und von beeindruckender Schlichtheit ist auch „Homburger“ (2004-2005) von Andreas Bee – ein gewaltiger, weißer Rettungsring, der vom Volksmund „Donut“ genannt wird.

„Drawing #1“ von Herbert Hofer.
„Drawing #1“ von Herbert Hofer. © FUNKE Foto Services | MATTHIAS GRABEN

Im Katalog von Public Art Ruhr wird Herbert Hofers „Drawing #1“ gewürdigt, ein Knäuel aus Moniereisen, das aus der Ferne und in der Fläche aussieht wie eine Krickelei auf Papier, aber aus der Nähe wegen des dreidimensionalen Charakters immer neue Perspektiven eröffnet. „Es wirkt im Zusammenspiel mit dem Wetter jedes Mal anders“, sagt Erika Porsch und holt an diesem Sonnentag ein Foto hervor, auf dem die Skulptur unheimlich aus dem Nebel herausrankt. Ebenfalls zum Teil von Public Art Ruhr zählen Diethelm Kochs „Zylinder“ (2004), bei denen Holz und Metall eine formvollendet Symbiose eingehen.

Das spektakuläre Jugendstil-Tor der Flottmann Werke

Dass Metall ganz anders wirken kann, zeigt die Arbeit „Raumform“ (2005) von Norbert Thomas, bei der die gebürsteten Edelstahlstangen in einer abstrakten Form im Boden zu verschwinden scheinen. Bemerkenswert hier: Nicht nur die Stangen, sondern auch ihre Schatten tragen zur Wirkung bei.

Prachtvoll auch in den Details: das Jugendstil-Tor.
Prachtvoll auch in den Details: das Jugendstil-Tor. © FUNKE Foto Services | MATTHIAS GRABEN

Ein etwas außergewöhnlicher Star auf dem Gelände: das historische Eingangstor der damaligen Fabrik Flottmann, eine prachtvolle Jugendstil-Schmiedearbeit, allerdings Kunsthandwerk, keine Kunst an sich. Es zeigt unter anderem ein Frauengesicht im Strahlenkranz, miteinander kämpfende Schlangen und Drachen. Wer einst durch dieses Tor ging, war wohl von vornherein beeindruckt – und so bildet es einen eindrucksvollen Ausgangspunkt für einen Gang durch den Skulpturenpark, der in dieser Jahreszeit in wundervollstem Grün heimischer Botanik erstrahlt.

Der Park ist öffentlich. Kostenlose Führungen an jedem ersten Sonntag im Monat um 14 Uhr – und auf Anfrage unter: 02323 / 16-2956. Es gibt Führungen speziell für Demenzgruppen.