Iserlohn. Kleine Bisse, große Wirkung: „Blutegel saugen Schmerzen aus“, sagen Heilpraktiker. Doch was ist das für ein Leben? Auf den Spuren der Blutsauger.
- „Blutegel – kleine Sauger mit großer Wirkung“: Das ist die Faustregel von Susanne Rüter, einer Heilpraktikerin in Islerohn-Letmathe. Seit mehr als zehn Jahren setzt sie auf die Blutegel-Therapie.
- Erfolg verspricht die Blutegel-Therapie vor allem bei Arthrose, beispielsweise im Knie.
- Der Iserlohner Dirk Pantring hat sich schon zwei Mal einer Blutegel-Therapie unterzogen. „Ich bin einfach begeistert“, lautet sein Fazit.
Die Faustregel von Susanne Rüter klingt ebenso einfach wie überzeugend: „Blutegel – kleine Sauger mit großer Wirkung.“ Die Heilpraktikerin arbeitet in Iserlohn-Letmathe seit mehr als zehn Jahren mit der Blutegel-Therapie. Blutegel können bei zahlreichen Beschwerden zum Einsatz kommen, von Rückenproblemen bis zu Sehnenscheidenentzündungen (Tennisellenbogen, Golfarm u. ä.) und von Krampfadern bis zum Tinnitus.
Besonders Erfolg versprechend aber ist der gezielte Blutegel-Einsatz bei Arthrose, beispielsweise im Knie. Ihre Patienten-Erfolgsquote beziffert Susanne Rüter hier mit beachtlichen „80 bis 85 Prozent“. Gleichzeitig betont sie aber auch: „Die Blutegel machen eine Arthrose natürlich nicht weg, aber sie können den Schmerz nachhaltig lindern.“
Segensreiche Linderung durch die Blutegel-Therapie
Und das erweist sich bei Arthrose-gepeinigten Menschen als wirklich segensreich. Der Iserlohner Dirk Pantring etwa hat sich schon zweimal bei Susanne Rüter in eine Blutegel-Behandlung begeben. Der 54-Jährige Diplom-Ingenieur litt an sehr starken und erheblichst einschränkenden Knieschmerzen; nach drei kleineren OPs mit Knorpelentfernungen rieten ihm die Ärzte dringend zu einem kompletten künstlichen Kniegelenk. Zufällig aber erfuhr er von der Blutegel-Alternative – und war binnen weniger Tage völlig schmerzfrei.
Zwei Jahre hielt der gute Zustand, dann ließ die Egel-Wirkung nach, und Dirk Pantring machte eine weitere „Saug-Kur“. Die ist auch schon wieder ein halbes Jahr her, und die Knieschmerzen sind noch immer nicht wieder aufgetreten. „Ich bin einfach begeistert“, kommentiert der Iserlohner die Egel-Methode. „Die Behandlung kann nach Bedarf wiederholt werden“, erläutert die Letmather Heilpraktikerin. Man müsse eben jedes Mal abwarten, wie lange die lindernde Wirkung anhält.
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Frisch von der Blutegel-Farm: Fünf bis sechs kommen bei einer Knie-Arthrose zum Einsatz
Fünf bis sechs Blutegel kommen bei einer Knie-Arthrose zum Einsatz. Die Sauerländer Naturheilkundlerin bestellt sie frisch bei einer Blutegel-Farm im süddeutschen Biebertal: „Acht bis zehn Euro kostet ein Egel, und er darf natürlich nur ein Mal zur Anwendung kommen“, erklärt Susanne Rüter. Der jeweils blutige Knie-Einsatz ist für den Blutegel in aller Regel gleichzeitig auch sein Todesurteil: „Ich friere die Egel nach der Behandlung ein – das ist wohl die ,humanste’ Art für sie zu sterben“, sagt die Iserlohnerin. Wer trotzdem ethische Bedenken hat, muss 20 bis 30 Euro extra bezahlen. So viel kostet der fachgerechte Rücktransport der Egel auf die Zuchtfarm, wo dann ein so genannter „Rentner-Teich“ auf die Tiere wartet. Eine Art Wurm-Gnadenhof möchte man meinen.
Eine Blutegel-Therapie kostet übrigens etwa 200 Euro und umfasst Vorbesprechung, Behandlung und Nachversorgung. Private Krankenkassen und Zusatzversicherungen zahlen 80 Prozent der Behandlung, die gesetzlichen sind dagegen finanziell weitgehend zurückhaltend.
Blutegel-Therapie: Heilsame Mahlzeit am Knie in ein bis zwei Stunden
Ein bis zwei Stunden braucht ein Blutegel für seine heilsame Mahlzeit am Knie des Patienten. Mittels eines Glasröhrchens wird er vorsichtig auf die Haut gelegt, wo er binnen weniger Minuten mit seinen 80 winzigen Kalkzähnchen zubeißt und sich festsaugt. Aus dem wenige Zentimeter langen Urviech wird dann nach und nach ein fetter Blut-Wurm – nun um das Zehnfache vergrößert und fingerdick. Ist er schließlich satt, fällt der Beißer einfach ab. „Schmerzen treten praktisch dabei nicht auf, lediglich der erste Zubiss pikst ein wenig“, beruhigt die Heilpraktikerin alle Besorgten. Nach der Anwendung werden die Egel-Wunden mit saugenden Kompressen versorgt, denn sie können (und sollen) bis zu 24 Stunden nachbluten.
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Blutegel nehmen das Patientenblut in der Therapie auf
Die Blutegel nehmen das Patientenblut auf und geben dafür ein Sekret ab, das aus etwa 200 verschiedenen Stoffen besteht. Die bekanntesten darunter sind Hirudin und Eglin, die nachweislich blutgerinnungshemmend, antithrombotisch sowie schmerz- und entzündungslindernd wirken. Und diese Wirkungen erfolgen praktisch mehr oder weniger umgehend und halten eben, wie auch bei Dirk Pantring, bis zu zwei Jahren an.
In Deutschland arbeitet ungefähr ein Drittel der Heilpraktiker mit Blutegeln. „Bei einer Arthrose ist der Blutegel-Einsatz in meiner Praxis neben weiteren Behandlungsmethoden eine gute Alternative“, sagt Susanne Rüter. Ohnehin seien die Egel „ausgesprochen liebenswerte und nützliche Tiere“, betont sie in diesem Zusammenhang.
450 Millionen Jahre alt
Der Egel-Stammbaum reicht mindestens 450 Millionen Jahre zurück und verteilt sich auf 600 Arten. Lediglich drei von ihnen werden in Europa für den medizinischen Einsatz genutzt. Dem Regenwurm genetisch ganz nah verwandt, kann der Blutegel jahrelang ohne jede Nahrung auskommen und leicht 30 Jahre überdauern. Er sei praktisch so etwas wie ein Ewigkeitstier, meint die Heilpraktikerin mit einer Mischung aus Respekt, Sympathie und nicht zuletzt Dankbarkeit für seinen Einsatz am Patienten.
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