Marl-Polsum. Romantisch ist das Landleben. So das Klischee. Landfrauen erzählen, wie es wirklich ist, und was sie vom TV-Format „Bauer sucht Frau“ halten.
„Die Landfrauen, die können gut kochen und Kuchen backen – das ist das Klischee“, sagt Gabi Küper. Dabei lacht sie. Denn eben jenem wird die Kulisse gerade gerecht: Am großen Tisch im idyllischen Garten gibt es zum Kaffee frischen Erdbeerkuchen mit Sahne.
Für alles hat Hildegard Weimann gesorgt. Die beiden sind echte Landfrauen, vom Herzen her und im Verein organisiert, ja sogar als Vorstandsmitglieder aktiv.
Bereits 1898 habe Elisabet Boehm mit einer Vereinsgründung den Grundstein gelegt für die bundesweite Erfolgsgeschichte der Landfrauenvereine. „Das war eine ganz emanzipierte Frau, die gesagt hat, ich muss die Frauen stärken“, erklärt Gabi Küper. „Früher gab es ja viel mehr Landwirtschaft, da hatte man zwei Schweine und eine Kuh, schon war man Landwirt.“ Die Gegenwart sehe anders aus. „Landfrauen sind heute Unternehmerinnen, die haben einen Hofladen und Angestellte. Der Beruf bietet so ein breites Spektrum, diese Frauen müssen alles können.“ Daher bilde der Verband auch aus. Zur Agrarbürofachfrau etwa. Nur ein Beispiel, wie anspruchsvoll der Arbeitsalltag einer Landfrau sei.
Einer, der mit vielen mediengemachten Klischees behaftet sei. Mit dem einen Fernsehformat, in dem die Landfrauen ihr Können in der Küche unter Beweis stellen, können die beiden ganz gut leben. Mit dem, welches die öffentliche Partnersuche von Landwirten blumig und quotenstark wiedergibt, weniger. „Ich fand das am Anfang ganz unmöglich“, versucht Gabi Küper, es halbwegs diplomatisch auszudrücken, da bringt Hildegard Weimann es auf den Punkt: „Idioten haben die da hingestellt.“
Die andere beschwichtigt: „Du sollst nicht immer so direkt sein.“ Ein bisschen habe sich das Format ja schon gebessert. „Jetzt gibt es das aus dem Ausland. Da sind schon tolle Männer bei.“
Nach einem Schluck Kaffee bedürfen die ersten Staffeln doch noch eines Kommentars: „Am Anfang, bei diesen Trotteln, da mussten die Menschen doch denken, alle Bauern sind blöd.“ Der Beruf des Landwirtes aber sei so umfangreich, das könne keiner leisten, der „nicht alle Tassen im Schrank hat“.
Haben es Bauern schwer, eine Frau zu finden?
Ob denn der Kern der Sendung zutreffe, Bauern es schwer hätten, eine Frau zu finden? Einfach sei es nicht, meint Gabi Küper. Zumindest eine, die mitarbeitet auf dem Hof. Jeden Tag. „Wenn du Tiere hast, musst du rund um die Uhr da sein.“ Sicher, sagt Hildegard Weimann, bei vielen „Stadtfrauen“ sei die Faszination groß. „Die finden das Landleben romantisch. Aber wenn die Arbeit anfällt, dann rennen die weg so schnell sie können.“ In der Landwirtschaft, besonders der Tierhaltung, sei Verbindlichkeit gefragt. „Das merkt man doch schon, wenn man nur einen Hund hat. 500 Kühe aber, die kann man nicht in Pension geben, wenn man in den Urlaub möchte.“
Bei 500 Kühen liegt ja die Frage nahe, wer die alle melkt? „Das machen Arbeiter aus dem Ausland“, klärt Gabi Küper auf. Sie kämen her, so wie die Saisonarbeiter. Nur müsse eben ganzjährig gemolken werden. Das sei ein umfangreicher Job. Ähnlich wie bei den Erntehelfern fänden sich nur wenige Einheimische, sie solch Arbeit gern verrichten. Hildegard Weimann kritisiert das. Traurig sei es, dass die Bereitschaft, körperlich zu arbeiten, in der Landwirtschaft richtig anzupacken, so gering sei.
Eine Trennlinie zwischen Land und Stadt
Es scheint, als existiere eine Trennlinie, irgendwo zwischen Land und Stadt, zwischen deren jeweiligen Bewohnern, zwischen „denen“ und „uns“. Tatsächlich, meinen beide Frauen. „Das fängt schon bei den Kindern an“, sagt Hildegard Weimann. „Die wissen, wenn sie in der Stadt aufwachsen, oft gar nicht, wo Lebensmittel herkommen. Deswegen gehen wir Landfrauen in Schulen und erklären, dass Milch und Mehl nicht im Supermarkt erzeugt werden“, so die 65-Jährige, die sich an ein persönliches Erlebnis erinnert: „Ich habe mal im Offenen Ganztag gearbeitet. Da wurde immer gesagt, die Frau Weimann, die kommt vom Dorf. Und man fühlte sich so wie Peter Lustig in seinem Bauwagen.“
In den letzten Wochen habe sich die öffentliche Wahrnehmung schon spürbar verändert. Eine neue Anerkennung für die deutschen Landwirte, das habe die Krise mit sich gebracht. „Die Menschen gehen in die Bauernläden und zahlen auch mal etwas mehr, sie besinnen sich auf die heimischen Produkte“, sagt Gabi Küper. Derzeit schauten die Menschen beim Lebensmittelkauf nicht so aufs Geld, ist die Beobachtung beider Frauen. „Die Leute sagen, wir tun uns etwas Gutes und gönnen uns hochwertige Lebensmittel“, ist die Erklärung beider für das neue Phänomen von dem sie hoffen, dass es die Krisenzeiten überlebt. „Hoffen, das tun wir natürlich immer. Echte Landfrauen geben so schnell nicht auf.“
Schon als Kind wusste sie: Ich heirate einen Bauern
Beide Frauen haben sich bewusst für ein Leben auf dem Land entschieden. „Ich habe als Kind immer gesagt, ich heirate mal einen Bauern“, verrät Gabi Küper, die seit jeher auf dem Land lebt. Dann lacht sie: „Und ich habe einen gefunden.“ Eine „Vollzeit-Bäuerin“ sei sie aber nie geworden, sei immer daneben anderweitig berufstätig gewesen. Erst viele Jahre später findet sie zu den Polsumer Landfrauen. „Das war 1998, da haben die Tänzer gesucht für die zentrale 100-Jahr-Feier. Früher wollte ich gar nicht Mitglied sein, habe gesagt, was soll ich bei den Landfrauen – und jetzt bin ich total glücklich.“
Groß sei die Gemeinschaft, schön die vielen Aktivitäten, vom Theaterbesuch bis zur Tagesfahrt, vom Kaffeetrinken bis zur Bastelaktion. Landfrau werden, das könne in „ihrem“ rund 140 Mitglieder starken und damit sehr großen Verein grundsätzlich jede Frau, verrät die 63-Jährige. „Wer Mitglied sein will, muss dem Landleben verbunden sein.“ Das reiche schon. In diesem Punkt jedoch sei man streng, betonen beide. „Die richtigen Städter, die können wir hier nicht gebrauchen.“