Bochum. Unsere „Besonderen Museen“ widmen wir vorübergehend um zur kleinen Serie „Kunst im öffentlichen Raum“. Die erste Route führt uns durch Bochum.
Es ist ein Aufatmen zu vernehmen unter Kunstfreunden, auch wenn es derzeit noch etwas röchelnd klingt hinter dem Mund-Nasen-Schutz: Einerseits haben die meisten Museen wieder geöffnet, andererseits ist die Freude ein wenig gebremst wegen der Hygieneauflagen und Abstandsregeln. Warum nicht Kunst genießen unter freiem Himmel und im Grünen? Kein Problem, man muss nur wissen, wo. Wir haben unsere Reihe „Das besondere Museum“ für ein paar Folgen umgewidmet zu „Kunst im öffentlichen Raum“ – und empfehlen Ihnen Kunstwerke, die man auf einem Spaziergang oder mit dem Fahrrad gut erkunden kann.
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Den Beginn machen wir in Bochum, wo man über Kunst im öffentlichen Raum fast schon stolpert. „Es gab in den frühen 70er-Jahren eine Bewegung, Kunst im öffentlichen Raum zu fördern. Früh dran war die Stadt Marl. Von da aus ist im Ruhrgebiet viel passiert“, sagt Sepp Hieckisch-Picard (63), stellvertretender Leiter des Kunstmuseums Bochum. Wir starten am Bochumer Stadtpark, fahren zu Richard Serras „Terminal“ am Hauptbahnhof und begeben uns auf den „Springorum Radweg“ Richtung Schlosspark Weitmar.
„Grande Ruota“ von Giuseppe Spagnulo (2000)
Wuchtig und markant bildet das „Große Rad“ des aus Apulien stammenden Bildhauers Guiseppe Spagnulo seit 2006 ein Entree zum Bochumer Stadtpark, der als Flaniermeile der Stadt gilt. Das Vornehme des Stadtparks und die Brachialität des Eisens stehen in starkem Kontrast, nur ein paar Meter hinter dem Werk schwimmen Enten und ein Wasserspiel entfaltet seine Pracht. Die Plastik ist eine Dauerleihgabe der „Situation Kunst – für Max Imdahl“. Sie besteht aus zwei Elementen, der großen „Scheibe“, die mehr als mannshoch steht – und doch gestützt zu werden scheint von einem eckigen Element – wie ein gebrochenes Rad.
„Fünf Bildhauer“ von Johannes Brus (2004/2006)
Sepp Hieckisch-Picard hat aus seinem Arbeitszimmer einen wirklich privilegierten Ausblick: Er schaut auf die „Fünf Bildhauer“, die auf der Wiese seitlich des Kunstmuseums Bochum, nur wenige Meter vom Stadtpark und der „Grande Ruota“ entfernt stehen. In einem lockeren Zusammenhang sitzen die fünf, jeweils 400 Kilogramm schweren Bronzeskulpturen in sich ruhend auf dem Boden. Was tun sie dort. Sich ausruhen? Nachdenken? Meditieren? Das Werk des in Essen lebenden Künstlers strahlt Friedlichkeit aus, hat entspannenden Charakter. Man kann drumherum, aber auch hindurch gehen – mit einer Fülle neuer Blickwinkel.
„Terminal“ von Richard Serra (1977/79)
Weiter geht’s vom Kunstmuseum zum etwa 800 Meter entfernten Hauptbahnhof, an dem sich Richard Serras „Terminal“ gen Himmel reckt. Von der Einweihung 1979 beim Bochumer-Bildhauer-Symposion an hatte die Stadt für einige Zeit ihren größten Zankapfel gefunden, als „teurer Schrott“ wurde das aus vier Cortenstahl-Platten bestehende Werk geschmäht, mit Graffiti und Urin verschmutzt. Volkes Zorn entlud sich auch 1980 in einer „Ü-Wagen“-Sendung von WDR-Moderatorin Carmen Thomas, die versuchte, die Bürger mit Verfechtern der zeitgenössischen Kunst zu versöhnen – was nur teils gelang. Nach der jüngsten Restaurierung strahlt das „Terminal“ in helleren Tönen – und ist derzeit von Graffiti verschont. Laut Hieckisch-Picard lauten jüngere Bürgerurteile über das begehbare Werk: „Ich hab mich dran gewöhnt.“
„Metrical Construction In 5 Masses And 2 Scales VIII“ von David Rabinowitch (1979)
Weiter geht es vom „Terminal“ auf den „Springorum Radweg“ (erreichbar über die B226) Richtung Schlosspark Haus Weitmar. Gleich neben dem Haus, das durch historische Mauern und moderne Architektur selbst ein Blickfang ist, liegt David Rabinowitchs „Metrical Construction“, die auf den flüchtigen Betrachter wirkt, als wären Stahlplatten achtlos liegen gelassen worden. Die fünf verschieden geformten Platten (Masses) stehen in einem ausgeklügelten Verhältnis zu den Bohrungen (Scales) – ein Kunstwerk, das man gut aus zig verschiedenen Perspektiven betrachten kann. (Schlosspark Haus Weitmar, Hattinger Str. / Wasserstr., BO)
„Relatum With Four Stones And Four Irons“ von Lee Ufan (1978)
Wie ein Dach, ein Zelt oder Teil eines Friedens-Zeichens wirkt Lee Ufans „Relatum“ im Schlosspark Haus Weitmar. Die Stahlplatten werden in eine Beziehung gesetzt zu den vier Findlingen. Stein als Bestandteil der Natur stützt das menschengemachte Metall, das gen Himmel zu streben scheint. Ein meditatives Werk, vor dem man eine Weile ausharren kann, bevor man sich auf den Rückweg von unserer ersten Kunst-Tour macht.