Bochum. Das Museum unter Tage hat ein Konzept für kontaktlose Solo-Besichtigungen entwickelt. Wir haben es ausprobiert. Was noch fehlt: die Genehmigung.
So fühlt man sich also als Museumsdirektor! Als Galerieinhaber! Als Mäzen vielleicht! Und bestimmt auch als Nachtwächter im Dienste der Kunst. Man geht durch die Weite der Ausstellungsräume, besser gesagt: man schreitet. Und es beschleicht einen unwillkürlich das Gefühl: Alles meins! Allein auf weitem (!) Flur…
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Eine Gelegenheit wie diese bekommt man nicht alle Tage. Und bei allem Leid und Elend, die die Corona-Krise derzeit mit sich bringt, macht sie doch erfinderisch. So auch im Bochumer Museum unter Tage. Denn wenn es nach dem Willen der Stiftung „Situation Kunst“ und der Museumsmacher ginge, könnte es morgen losgehen mit den kontaktlosen Solo-Besuchen im Museum. Und, naja, so ganz solo müssten die Besuche nicht sein, denn zu zweit dürfte man schon hinein. Und hätte immerhin 1500 Quadratmeter zur freien Verfügung, um ganz in Ruhe die Kunst zu genießen – mehr Raum gibt’s sonst nirgendwo. „Unser Konzept wäre viel risikofreier als bei einer prinzipiellen Wiedereröffnung der Museen, weil es dabei ja die Gefahr gäbe, dass dabei mehr Leute gleichzeitig in einem Raum sind“, sagt Maria Spiegel vom Museum unter Tage.
Kontaktarm wie im Supermarkt
Wir machen die Probe aufs Exempel: Oben am Einlass des Museums bestünde der einzige Kontakt, den man hätte, im Drücken des Klingelknopfs – den man ja auch mit einem Tempotaschentuch drücken könnte. Die Türe öffnet kontaktlos, man kann die Treppe kontaktlos hinuntergehen. Und unten im Kassenbereich hat man mehr als reichlich Platz, um den Eintritt zu zahlen – die Besucher werden gebeten, das Geld passend mitzubringen, um Wechselgeld als mögliche Infektionsquelle auszuschließen. Die Mitarbeiter an der Kasse stehen hinter einer Plexiglasscheibe – kontaktärmer als hier geht es in ganz Deutschland in keinem Supermarkt zu.
Natürlich gibt es im Eingangsbereich auch Desinfektionsspray, Einweghandschuhe und Masken und zusätzliches Desinfektionsmittel auf den Besuchertoiletten. Der Eingang zu den Ausstellungsräumen der aktuellen Schau „Erich Reusch: grenzenlos. Werke 1951-2019“ und zur Dauerausstellung „Weltsichten“ ist, anders als sonst, durch einen Keil in der Tür offen gehalten, so dass man nicht die Griffe der massiven Türen anfassen muss.
Diese Weite, diese Stille
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Und drinnen: Ach, diese Weite, auch wenn besonders die Skulpturen und elektrostatischen Objekte des im vergangenen Dezember im Alter von 94 Jahren verstorbenen Erich Reusch in vielen Fällen recht raumfordernd sind. Hier ragen orangerote Stangen in den Raum, dort weiße Zacken… Und dann fällt einem noch etwas anderes auf: diese Stille, allenfalls gestört durch das leise Wispern der Belüftung. So erlebt man selten eine Ausstellung.
Eine Stunde hätte man bei solch einem Solo-Besuch Zeit, die ganze Pracht der Werke auf sich wirken zu lassen. Und man müsste die schwere Entscheidung treffen, ob man die ganze Zeit nun Erich Reusch widmet. Oder ob man eine Hälfte auch noch in die Dauerausstellung „Weltsichten“ investiert, die unter anderem holländische Landschaftsmalerei, Bilder von Gustave Courbet oder vom Expressionisten Erich Heckel zeigt, außerdem Meisterwerke der Fotokunst.
Warten auf die Genehmigung
Mehr als 100 Anmeldungen sind bisher per Mail eingegangen, das Interesse wächst. Und doch darf man noch keine Solo-Besuche machen. Eine Genehmigung hängt noch an mehreren Stellen, die aufeinander verweisen, Staatskanzlei, Gesundheitsministerium, das kommunale Kulturdezernat und das Ordnungsamt. Alle sind involviert – und natürlich fehlen derzeit die Erfahrungswerte. Maria Spiegel ist jedoch davon überzeugt, dass es hier so sicher ist wie sonst an wenigen Orten: „Vor kurzem war ein Chefarzt einer Bochumer Klinik hier, der sich davon überzeugt hat, dass alles hier den hygienischen Sicherheitsstandards entspricht.“
Die Ironie könnte am Ende darin liegen, dass sich die Landesregierung dazu entschließt, alle Museen wieder unter bestimmten Bedingungen zu öffnen. Und bei einer solchen Lockerung würde man sich vermutlich wieder von diesem hygienischen Vorbildkonzept verabschieden. Bei einer Öffnung dürfte wohl eine begrenzte Anzahl von Besuchern unter Auflagen in die Ausstellung. Eine Weitläufigkeit und Kontaktarmut wären dann nicht mehr in dieser Form möglich.
Als Ausnahme-Besucher jedenfalls fühlt man sich im Museum unter Tage derzeit extrem gut aufgehoben. Obwohl die Umgebung ja so ist, wie sie für Kunst eigentlich nicht sein sollte, nämlich keimfrei.
Anmeldung zum Solo-Besuch - falls er genehmigt werden sollte: info@situation-kunst.de, Eintritt: 5 Euro pro Person, bitte abgezählt mitbringen. Adresse: Nevelstraße 29c, Bochum, im Parkgelände von Haus Weitmar.