Witten. Die Bücher der japanischen Aufräumexpertin sind Bestseller. Unsere Autorin hat getestet, ob „Magic Cleaning“ für Kinder wirklich magisch wird.
„Ich will auch aufräumen“, sagt mein fünfjähriger Sohn Noam, „damit uns auch immer ganz viele Leute besuchen kommen!“ Gerade haben wir Marie Kondos neuestes Buch „Kiki & Jax räumen auf“ hinter uns. Gemütlich aufs Sofa gekuschelt, ein Kind links, das andere rechts hatte ich die Aufräumtricks der japanischen Ordnungsberaterin, zugeschnitten auf Kinder, vorgelesen: „Jax hatte es gern ordentlich. Kiki sammelte gerne Sachen“, werden die beiden im Bilderbuch vorgestellt.
Kiki (ein Eichhörnchen) weiß bald nicht mehr, wohin mit all ihren Sachen. Sie lagert Tannenzapfen unterm Bett, Kleidung in der Badewanne, Nüsse unterm Teppich. Als ihr Freund Jax (eine Eule) mit ihr schwimmen gehen möchte, findet sie den Badeanzug nicht; tags drauf braucht sie vor lauter Chaos so lange zur Haustür, dass Jax schon wieder weg ist. Schließlich räumen sie gemeinsam bei Kiki auf. Nach Marie-Kondo-Methode ein Stapel für jede Sache: Kleidung, Bücher, Spielzeug. Jedes Ding aus jedem der Stapel wird nacheinander in die Hand genommen. „Wenn dein Herz einen Freudenhüpfer macht“, sagte Jax, „behältst du es! Wenn nicht, sagst du ‚Danke, liebe Sache‘ und verabschiedest dich davon.“ Lieblingssachen finden dann wieder Platz bei Kiki. „Und was am wichtigsten war“, so endet das schmale Büchlein, „endlich hatte sie wieder Platz für ihren besten Freund Jax.“
Ein Buch für kleinere Kinder
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Meine Tochter Johanna, gerade elf geworden, ist weniger begeistert als ihr Bruder. „Ich glaube, das Buch ist für kleinere Kinder“, versucht sie sich rauszureden, sodass ich mit größtmöglicher Motivation in der Stimme vom Sofa springe und rufe: „Und jetzt machen wir es genau so wie Kiki und Jax!“ Ja, das Buch ist wirklich eher für kleinere Kinder, die Sätze sind extra kurz. „Die beiden versuchen nur leicht zu erklären, wie einfach aufräumen ist“, versuche ich es trotzdem.
Ständig bücken, um alles aufzuheben
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An manchen Tagen sage ich zu den Kindern: „Vielleicht sollte ich mich am Rücken operieren lassen, damit ich immer gebückt rumlaufen kann. Dann ist es leichter, ständig die ganzen Sachen vom Boden aufzuheben.“ Beide lassen alles einfach irgendwo fallen: Jacken, Schuhe, Matchboxautos…
Vor allem meine Große drückt sich gern, sodass wir den Taschengeldtrick eingeführt haben: Freitags wird aufgeräumt, nur dann gibt’s Taschengeld. Meist funktioniert das. Aber vielleicht schaffen wir dank Marie Kondo ja alles mit etwas mehr Leichtigkeit. Wir fangen mit den Büchern an und gehen zuerst in Johannas Zimmer. Alle Bücher werden aus dem Regal geholt. Dann hält sie sie nacheinander an ihr Herz und sortiert sie auf einen Hier-hat-mein-Herz-einen-Hüpfer-gemacht-Stapel, einen Hier-nicht-Stapel und einen dritten Weiß-nicht-so-recht-Stapel. Den dritten Stapel geht sie anschließend nochmal durch und sortiert die meisten davon auch aus. Super.
Mit der Kleidung läuft es prima
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Dann ist Noam dran. Bei ihm hatte ich vor einer Weile erst Kleinkindbücher aussortiert, aber das Regal quillt immer noch über und daneben stapeln sie sich. Hatte ich befürchtet, dass er sich von keinem trennen will, macht auch er es überraschend gut. Der Vielleicht-Stapel wird in der zweiten Runde gut auf die beiden anderen Stapel verteilt.
Auch mit der Kleidung läuft es bei Johanna prima, wenn auch langsamer: Der kratzige Pulli kommt weg, die Hose, deren Farbe sie nicht mag auch. Ich halte mich zurück und sage nur einmal: „Aber die steht dir doch so gut“. Darüber, dass sie im Anschluss nur zwei T-Shirts auf Marie-Kondo-Art zusammenlegt und dann anfängt, mit ihrem Bruder zu spielen (wohl wissend, dass ich selten etwas sage, wenn sie es mal tut), sehe ich hinweg.
„Mein Herz macht schon die ganze Zeit keinen Hüpfer mehr“

Noams Schrank sortiere ich lieber ohne ihn. Wie soll ein Fünfjähriger auch abschätzen, aus welchem Pulli er rausgewachsen ist? Ohnehin ist der Jungs-Schrank übersichtlicher. Die Faltmethode begeistert mich. Nicht nur, dass man gezwungen ist, den Schrank ordentlich einzuräumen, es ist tatsächlich viel übersichtlicher.
Das größte Problem sind die Spielsachen. Vier Tage lang liegt der Haufen in Johannas Zimmer. „Oh, ich wusste gar nicht, dass ich da hinten im Schrank noch so viele Perlen habe, vielleicht sollte ich öfter mal da rein schauen“, werte ich als größten Erfolg. Am vierten Tag quälen wir uns durch den viel zu großen Rest des Haufens. Da fängt die Elfjährige an, mit dem wiederentdeckten Origami-Papier Frösche zu falten, und wir diskutieren über jede ihrer Kinder-Zeichnungen, bis ich die Regel aufstelle: Ist kein Datum drauf, muss es weg.
„Mein Herz macht schon die ganze Zeit keinen Hüpfer mehr“, sagt sie. Schließlich gebe ich entnervt auf und stelle den Handy-Timer auf 30 Minuten. So lange kann das Mädchen zügig auf Stapel sortieren. Danach räume ich das Zimmer alleine fertig auf. Ich schäme mich ein bisschen – schließlich schreibt Marie Kondo: „Als Mutter habe ich erfahren, wie wertvoll es ist, meine Kinder beim Aufräumen einzubeziehen.“
Aussortiertes muss auch verstaut, weggebracht, verkauft werden
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Unsere Ausbeute: vier kleine Müllbeutel. Halb zerschnittenes Bastelpapier, das einbeinige Barbie-Pferd, die kaputte Taschenlampe, einarmige Legomännchen, Kinderkunstwerke ohne Datum. Drei große Säcke voller Kleidung. Und an die 20 Bücher.
Unterm Strich bin ich begeistert von der Art, Kleiderschränke einzuräumen. Alltagstauglich ist Marie Kondo für Kinder nicht: An vier Nachmittagen innerhalb einer Woche werkelten wir an der Ordnung. Kondo schrieb: „Gemeinsam aufräumen kann richtig viel Spaß machen.“ Das kann ich nicht unterschreiben. Nur für den Moment, als wir alle Klamotten auf einen Haufen geschmissen haben. Ich lerne zwei Dinge: Ordnung schaffen und aussortieren ist das eine; das andere: Aussortiertes muss verstaut, weggebracht, verkauft werden. Der Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen. Und: Hat ein Kind keine Lust aufzuräumen, hilft selbst Marie Kondo nicht.
>>> Jetzt wird mal richtig aufgeräumt mit „Kiki & Jax“
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2011 veröffentlichte die japanische Aufräumexpertin Marie Kondo (Jahrgang 1984) ihr erstes Buch „Magic Cleaning“. Drei weitere folgten, unter anderem „Das große Magic-Cleaning-Buch: Über das Glück des Aufräumens“ und das Manga „Die KonMari-Methode: Wie du Liebe, Job und Alltag in Ordnung bringst.“ Seit Anfang 2019 hat sie auch eine eigene Netflix-Serie; außerdem gibt sie Seminare und bildet Aufräum-Coaches aus. Ihre Methode umfasst fünf Grundsätze: 1. Alles auf einmal, in kurzer Zeit perfekt aufräumen. 2. Alle Dinge, die aufgeräumt werden sollen, werden auf einem Haufen gesammelt. 3. Jeder Gegenstand muss einzeln in die Hand genommen werden mit der Frage „Macht es mich glücklich, wenn ich diesen Gegenstand in die Hand nehme?“ 4. Jeder Gegenstand, den man behält, bekommt seinen Platz. 5. Alle Dinge müssen richtig verstaut werden.
Auch das Kinderbuch folgt dem. Mit klaren Bildern, kurzen Sätzen und leichter Sprache wird die Methode kindgerecht vermittelt. Die englische Originalausgabe erschien unter dem Titel „Kiki & Jax. The Life-Changing Magic Of Friendship“. Auf den letzten zwei Seiten wird die Faltmethode für Kleidung Schritt für Schritt erklärt.
- Marie Kondo und Salina Yoon: Kiki & Jax räumen auf. Rowohlt, 40 Seiten. 10 Euro. Ab 4 Jahren