Essen. Vor dem Regionalliga-Revierderby RWE gegen RWO: Mischlingshündin Sokratia ist das erste tierische Mitglied bei Rot-Weiss Essen. Ihre Story!

Sokratia hat Stadion-Verbot bei Rot-Weiss Essen (RWE). Sie darf weder auf die Tribüne noch auf den Rasen. Bloß nicht auf den Rasen. Und erst recht nicht an den Würstchenstand. Obwohl sie ganz friedlich ist und sogar Beitrag zahlt beim Regionalligisten. „Hilft nichts“, sagt Frank Behnke und lacht. Denn Sokratia ist ein Hund. Und zwar der weltweit erste, der Mitglied in einem Fußballverein ist. Mittlerweile aber nicht mehr der einzige.

Fanfreundschaft in Griechenland

In einem Griechenland-Urlaub hat das Schicksal sie vor fast sechs Jahren in der der Nähe von Kalamata zusammengeführt. Wo der heute 60-Jährige in eine Taverne mit dem Namen Sokrates geht, um sich das WM-Vorrundenspiel zwischen Deutschland und Portugal anzusehen. Abgemagert und dem Tode nah, schleicht ein kleiner Hund um Behnkes-Stuhl. „Der hatte dieses Kannst-du-mich-bitte-retten-Gesicht“, erinnert sich der Privatier. „Da konnte ich nicht widerstehen.“ Behnke nimmt den Hund mit nach Deutschland. Will ihn Sokrates nennen, bis die Tierärztin sagt: „Das ist ein Mädchen.“ Deshalb heißt Sokrates jetzt Sokratia – Betonung auf dem „tia“.

Unzertrennlich sind die beiden, doch jedes zweite Wochenende muss die Hündin regelmäßig allein zu Hause bei Behnkes Freundin bleiben. „Da gehe ich mit meinen Kumpeln zu RWE“, sagt Behnke und lächelt. „Man sucht sich seinen Verein nicht aus“, scherzt er. Zumindest nicht, wenn man Kindheit und Jugend in Essen-Bergeborbeck verbringt. Und wenn der Vater einen mitnimmt an die Hafenstraße, sobald man gerade einmal fünf Jahre alt ist. „Dann lässt einen das rot-weiße Fieber nie mehr los.“

Die Mischlingshündin hat eine traurige Geschichte hinter sich – mit Happy End!
Die Mischlingshündin hat eine traurige Geschichte hinter sich – mit Happy End! © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

An diesem Sonntag klettert es sogar noch höher als üblich. „Derby gegen Rot-Weiß Oberhausen. Ist immer etwas Besonderes“, sagt er, als er zum Treffen auf den Parkplatz des Georg-Melches Stadions gekommen ist.

Kaum hat Behnke dort die Heckklappe seines Autos geöffnet, da springt Sokratia auch schon heraus und tobt auf dem Parkplatz herum. Hinein ins Stadion darf sie nicht. „Aber das ist ja klar“, sagt ihr Herrchen. Obwohl er von einem Hund in Schottland gelesen hat, der einen Stammplatz auf der Tribüne hat, wenn der Lieblingsverein seines Besitzers spielt. „Und dabei ist der Hund nicht mal Mitglied im Verein.“

Sokratia dagegen hat ein Tiermitgliedszertifikat. Das erste in Essen, ach was, weltweit. Damit ist sie als tierisches Mitglied aufgenommen worden. Ganz offiziell mit Urkunde und der Nummer 001. Die Idee dazu hatte Behnke selbst, als er hört, wie sich RWE-Boss Marcus Uhlig im vergangenen Herbst wünscht, die Mitgliederzahl des Vereins auf die Rekordmarke 6000 zu schrauben. In „Sokratias“ Namen – „die Tastatur war nicht pfotentauglich“ – setzt er sich hin und schreibt einen Brief, in dem der Hund um Aufnahme in den Verein bittet. Quasi als passives Mitglied, für 30 Euro, den halben Jahresbeitrag. „Hund, Katze, Maus, ist doch egal.“ „Natürlich ist das ein Marketing-Gag“, sagt Behnke. „Aber am Ende bringt es dem Verein ja auch Geld ein.“

Das tut es tatsächlich. Mittlerweile gibt es schon zwölf tierische Mitglieder. Zehn Hunde, eine Katze und ein Degu, also eine eigentlich in Chile heimische Nagetierart aus der Gattung der Strauchratten. Der Aufnahme-Antrag von der RWE-Seite wurde über 230 Mal heruntergeladen. Mit weiterer Anmeldungen ist zu rechnen. RWE-Chef Michael Uhlig, so ist zu hören, findet die Idee dann auch ziemlich gut. Und RWE-Pressesprecher Tilmann Radix (31) weist noch einmal auf die Einmaligkeit der Tier-Mitgliedschaft hin. „Uns ist kein anderer Klub bekannt, bei dem es sowas gibt.“

Blickt man in die sozialen Medien, könnte sich das – in den unteren Spielklassen – bald ändern. „Gute Idee“, ist da zu lesen. Und viele Fans von Klubs in Kreis-, Bezirks- oder Landesliga schreiben, dass sie ihre Katze oder ihren Hund auch anmelden würden, wenn ihr Verein das erlauben würde.

Willi
Willi "Ente" Lippens – eine Legende der Fußball-Bundesliga. © archiv

Keine Chance bei Schalke und BVB

Bei den Reviervereinen in der 1. Bundesliga wird es dagegen vorerst wohl keine Hunde und Katzen als Mitglieder geben. „Nichts geplant“ in dieser Hinsicht, sagt man auf Schalke, laut Vereinssatzung gar nicht möglich, heißt es in Dortmund. Dort steht in § 7 nämlich, dass nur natürliche und juristische Personen Mitglieder des Klubs werden können – und Hunde sind weder das eine noch das andere.

Bei RWE stört das niemanden. Im Gegenteil. Tiere und Fußball, findet Uhlig offenbar, das passt schon. Nicht nur weil „Kobra“ Jürgen Wegmann zu Beginn seiner Karriere an der Hafenstraße kickte. Nein, Uhlig erinnert stattdessen daran, dass einer der bedeutendsten Spieler der Vereinsgeschichte schließlich einen tierischen Spitznamen hatte: Willi Lippens.

Besser bekannt als „Ente“.

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