Essen. Was macht Technologie mit der Gesellschaft? Zwei Ausstellungen im Essener Museum Folkwang widmen sich dem Verhältnis von Mensch und Maschine.
Im Museum Folkwang laufen zwei Ausstellungen, die das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine in Science Fiction und Kunst, in Vergangenheit und Gegenwart erkunden. Ein Gespräch mit den Kuratoren Anna Fricke und René Grohnert über Ängste und Visionen in Zeiten der Digitalisierung.
Star Wars ist ein Dauerbrenner. Der Film läuft noch immer in den Kinos. Was fasziniert bis heute so an Robotern, an Maschinenmenschen?
Grohnert: Wir müssen uns ja darum kümmern, was die Zukunft bringt. Was macht die Technik mit der Gesellschaft, diese Überlegungen gab es schon immer. Ist die Maschine, ist der Roboter ein Freund oder Gegner – das ist ein wesentlicher Teil der Erzählung in der Science-Fiction-Literatur.
Vieles an körperlicher Arbeit wurde in den vergangenen 100 Jahren durch Maschinen ersetzt, etwa in der Automobilindustrie. Und künstliche Intelligenz übernimmt immer mehr „Kopfarbeit“.
Fricke: Wir stehen in dieser Hinsicht vor einer ungewissen Zukunft, was keine per se ungewöhnliche Situation ist. Das war auch Ausgangspunkt unserer Ausstellungen. Wir wollten danach fragen, welche Phänomene wiederkehren. Ob sich im Hinblick auf die technischen Neuerungen rote Fäden vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart ziehen. Die Industrialisierung bedeutete wie die Digitalisierung eine fundamentale Umstellung der Gesellschaft mit großen Chancen. Aber auch Unsicherheit und Ängsten, die nicht aus der Luft gegriffen sind – etwa, dass Menschen ihre Jobs verlieren. Oder, dass die Maschine den Menschen bestimmen wird und nicht der Mensch die Maschine. Ähnliches ließe sich heute über das Digitale sagen, wenn wir an Themen wie Überwachung und Künstliche Intelligenz denken. Der enge Bezug zu den industriellen Arbeitswelten ist auch ein Grund, warum diese beiden Ausstellungen im Ruhrgebiet entstanden sind.
Was vermitteln die Comics, Filme und Gemälde in beiden Ausstellungen über das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine, über Visionen und Ängste von gestern und heute?
Fricke: Das Bild vom Menschen als Arbeitsmaschine ist ein Verknüpfungspunkt beider Ausstellungen. Schon vor dem ersten Weltkrieg gibt es die Idee, dass sich Mensch und Maschine annähern. In der Kunst der Moderne gibt es insgesamt viele utopische Konzepte. Technik wird in den 1910er Jahren mit Fortschritt verbunden. Der Futurismus verbildlicht das wie keine zweite Kunstströmung. Aber schon im Ersten Weltkrieg gab es Zweifel an dieser Ansicht. Künstler zeigen Chaos und Aufruhr. Während die totalitären Systeme - zunächst der Italienische Faschismus - die Idee vom Staat als Maschine für Propaganda nutzte. Menschen wurden darin als Teile im Ganzen dargestellt. Der Einzelne wird damit austauschbar.
Grohnert: Die Kriegstechnik und Arbeitskleidung haben das Motiv des Roboters stark beeinflusst. Metall spielt eine große Rolle, Masken, Panzer und Hitzeschutzverkleidungen. Der Roboter ist die Figur, die die unschöne Arbeit macht. Meistens aber wird er auch menschenähnlich konstruiert, hat Arme, Beine, einen Kopf und bewegt sich gleichförmig in der Masse. Im Film „Metropolis“ allerdings ist es andersherum, dort gehen die Menschen zur Arbeit wie sonst die Maschinen.
Wie hat sich die Figur des Roboters überhaupt entwickelt?
Fricke: In den 20er Jahren wurde der Begriff des Roboters durch das Theaterstück „R.U.R.“ von Karel Čapek geprägt und hat sich schnell in Europa verbreitet. Die Roboter sind hier – wie das bekannte Frankenstein-Monster – künstliche Wesen. Um genauer zu sein: Es sind Arbeitsroboter, die sich in der Geschichte am Ende gegen ihren Schöpfer wenden.
Grohnert: Die Cover von Zeitschriften, Büchern und die Visualisierung in Videospielen prägen die Vorstellungen von Robotern bis heute. Sie haben in der Popkultur immer etwas Menschliches. Mittlerweile werden Roboter als direkte Begleiter des Menschen denkbar, wie man zum Beispiel am Einsatz von Pflegerobotern in Japan sehen kann.
Was bedeutet die Digitalisierung für die Bildsprache in Kunst und Popkultur?
Fricke: Natürlich hat die Digitalisierung weitreichenden Einfluss auf die künstlerische Bildsprache, man denke nur an die Post-Internet-Kunst der 2010er Jahre. Zeitgenössische Künstler beschäftigen sich damit, was ist. Das sind nicht unbedingt Zukunftsvisionen, sie können aber vorausweisend sein. Sie fragen zum Beispiel, wie sich die Wahrnehmung des Körpers durch die digitalen Medien verändert, in dem wir ja grundlegende Entkörperlichungen erfahren. Auch die Frage, ob Künstliche Intelligenzen wie Künstler agieren können, wird immer wieder diskutiert.
Grohnert: In der Science Fiction gibt es keinen großen Bruch seit der Einführung des Computers. Das Computerhafte, das nicht Reale, gibt es als Idee bereits lange vor der Einführung des Computers. Es finden sich bereits Geschichten, die davon handeln, dass künstliche Intelligenz irgendwann selbst etwas fühlen möchte. Menschen nähern sich Maschinen an und anders herum.
Auch der weibliche Körper als Maschine ist Thema der Ausstellungen.
Grohnert: Roboter sind meist männlich. Ab Mitte der 70er Jahre tritt das Motiv der Roboterfrau auf, auch als Sexroboter. Weibliche Roboter sind in der Regel Dienende. Sie werden gerettet oder gestohlen, sie sind Objekte und spiegeln so die jeweilige Gegenwart ungewollt deutlicher wider als die propagierte Zukunft.
Fricke: Unwillkürlich stellt sich ein assoziativer Zusammenhang zwischen Mann und Maschine ein. Derjenige zwischen Frau und Maschine ist demgegenüber wage und mehrdeutig. Ab den 60er Jahren erobern sich Künstlerinnen das Thema der Frau als Maschine auf oftmals ebenso humorvolle und ernst gemeinte Weise. So inszeniert sich die französische Künstlerin Orlan 1977 als Kussmaschine. Sie trägt einen Torso mit einer Fotografie ihres nackten Körpers und verteilte Küsse an Passanten gegen 5 Francs – die Münzen werden in eine Röhre des Torsos geworfen und landen in einer Art künstlichen Vagina.
Die Verschmelzung von Organischem und Mechanischem ist angesichts von Hightech-Prothesen bereits Realität geworden.
Grohnert: Ab wann wird der Mensch zum Cyborg, wo ist die Grenze? Reicht schon der Herzschrittmacher, die Prothese? Die Entscheidung wird wohl immer schwieriger werden. Letztlich sind die Bilder aus Science Fiction und Kunst aber nur Fantasien, keine Orakel. Science Fiction ist keine Vorhersage, sondern Denkvarianten.
Die Ausstellungen „Der montierte Mensch“ und „I was a Robot - Science Fiction und Popkultur“ laufen noch bis zum 15. März im Essener Museum Folkwang.
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