Castrop-Rauxel. Für Hildegard Knef gibt’s kein Museum in Berlin, dafür hat ihre Verehrerin Annette Kleinhans im Revier eine Pilgerstätte für Fans geschaffen.

Es ist schon verwunderlich, wie manche Städte mit ihren großen Töchtern (und Söhnen) umgehen. Denn an welchem Ort der Welt würde man wohl ein Museum für die große Hildegard Knef vermuten? Na, jedenfalls ist sie als Sängerin nicht berühmt geworden für ihre Lieder „Ich hab noch einen Koffer in Castrop-Rauxel“ und „Castrop, dein Gesicht hat Sommersprossen“. Aber was tut Berlin? Es lässt sich ein wenig lumpen um das Andenken von Hilde. Da ist Annette Kleinhans aus Castrop-Rauxel eingesprungen. Die 53-Jährige („Ich bin kein Fan, ich bin eine Verehrerin“) wurde vor „fünf, sechs Jahren“ in den Bann der Knef gezogen, als sie im Netz das Video sah, in dem Hilde zusammen mit den Hagenern Extrabreit noch einmal „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ sang. „Mich haben ihre Augen so fasziniert“, sagt Annette Kleinhans. „Da habe ich gedacht, du musst dich ein bisschen mehr für die Frau interessieren. Ich habe mich in sie hineingelesen, Bücher und Presseartikel, alle Schallplatten gehört, eine ganze Menge ihrer Filme gesehen. Dann war sie mir so nah und ich habe so viel gesammelt, dass ich dachte: Das kann man auch der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen.“ Die Idee zum Museum war geboren, natürlich dort, wo Kleinhans lebt. In Castrop-Rauxel.

„Die Sünderin“ trieb sie ins US-Exil und an den Broadway, als Hildegarde Neff

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Und es ist 2018 ein kleines, sehr feines Museum daraus entstanden, das sowohl das Privatleben der verletzlichen Hilde dokumentiert als auch ihre vier Karrieren. Moment mal: Vier Karrieren? „Sie hat angefangen als Schauspielerin, danach war sie die Chansonsängerin, die Buchautorin und ganz zum Schluss noch die Malerin.“ Hildegard Knef gelang der Durchbruch mit dem ersten deutschen Nachkriegsfilm „Die Mörder sind unter uns“ unter Regie von Wolfgang Staudte.

Eine Litfaßsäule mit Tour- und Filmplakaten, eine Wand voller Kunstdrucke von Knef-Gemälden: Blick ins Museum.
Eine Litfaßsäule mit Tour- und Filmplakaten, eine Wand voller Kunstdrucke von Knef-Gemälden: Blick ins Museum. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Und dann war da ja noch „Die Sünderin“ von 1952, der große Skandalfilm – nicht zuletzt wegen der kurzen Nacktszene mit Hildegard Knef. Die katholische Kirche protestierte, es folgten Klagen und ein zeitweises Verbot des Films, die vermeintlichen Moralwächter gingen auf die Barrikaden. „Hilde ist da ja regelrecht beschimpft worden, sie ist in Restaurants bespuckt worden, man hat Stinkbomben geworfen. Sie ist daraufhin auch nach Amerika gegangen, weil sie in Deutschland keine Aufträge mehr fand. Das war schon heftig.“

„Die beste Sängerin ohne Stimme“

Immerhin landete sie damals am Broadway – und spielte als erste Deutsche dort in einem Musical: „Silk Stockings“ konnte sie mehr als zwei Jahre beschäftigen, der Name „Hildegarde Neff“ ist unter anderem in Hollywood verewigt vorm Chinese Theatre mit Hand- und Pumpsabdrücken.

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In Deutschland konnte sie allerdings als Schauspielerin nie wieder richtig Fuß fassen, was sicherlich ein Glücksfall für die Musik war: Neben den „roten Rosen“ gab’s da ja Unvergängliches wie „Eins und eins, das macht zwei“, „Von nun an ging’s bergab“, „In dieser Stadt“ oder auch „Der alte Wolf“. Und, und, und… Sie verstand es wie kaum eine andere deutsche Sängerin, Melancholie mit Humor und Leichtigkeit zu kombinieren, was ihren Songs etwas Zeitloses verlieh. Ella Fitzgerald nannte sie „die beste Sängerin ohne Stimme“. Fragt man Annette Kleinhans nach ihrem liebsten Knef-Lied, kommt sie schnell auf „Doch höre nicht auf mich“, das sie 1968 für ihre gerade geborene Tochter Christina schrieb, ein Text voller guter Ratschläge, die ihre Tochter alle in den Wind schlagen soll.

Ein Brief von Romy Schneider, ein Gemälde aus dem Besitz von Thomas Fritsch

Einer der Ufa-Preise von Hildegard Knef findet sich in
Einer der Ufa-Preise von Hildegard Knef findet sich in © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Das Museum ist eine echte Fundgrube für Knef-Fans, neben Fotos und Autogrammkarten, Briefen von und an Knef (unter anderem von Romy Schneider) finden sich auch Original-Gemälde, eines davon aus dem Besitz von Leinwandpartner Thomas Fritsch, Requisiten, künstliche Wimpern, japanische Plakate etwa zum Film „Dreigroschenoper“, der damals in Deutschland effekthascherisch angekündigt wurde als „frivol“ und „skandalös“, was er aber nicht so richtig einlöste.

Wer noch einen Anlass für einen Besuch braucht: Am 31. Januar, also am Abend vor Hildes 18. Todestag, gibt es mit Live-Chansons aus ihrem Repertoire eine Hommage an die Knef im Museum. Und am Ende wird man sagen: Aber schön war es doch...

Das liebste Ausstellungsstück: Das Pailletten-Abendkleid von Pierre Balmain

Es ist auch nach 52 Jahren noch ein absoluter Traum von einem Abendkleid und könnte auf jedem Ball und jeder Bühne bestehen: Die schwarze Pailletten-Robe (zu sehen im Bild oben links auf dieser Seite) stammt vom französischen Modeschöpfer Pierre Balmain, der in den 60ern und Anfang der 70er-Jahre Hilde komplett eingekleidet hat. „Das ist mein absolutes Lieblingsteil. Das wird jeden Abend schön abgedeckt und verschlossen, damit es nicht leidet“, sagt Annette Kleinhans. Hildegard Knef trug es auf der Tour 1968. „Balmain verehrte Hilde sehr und hat darauf bestanden, für sie Kleidung entwerfen zu dürfen.“

Alle Garderobenstücke von Hildegard Knef hält Kleinhans in Ehren, sie hat auch einen Hosenanzug, den Rudolph Moshammer entworfen hat und der in Kombination mit einer blassbeigen Bluse von Yves Saint Laurent in den 80er Jahren als Bühnenoutfit diente. Eine altrosa Bluse weist noch türkisfarbene Farbflecken auf – das zarte Stück wurde von Hildegard Knef offenbar beim Malen getragen.

Hildegard Knef Museum, Bahnhofstr. 31, Castrop-R., 023 05/ 5 49 99 19, jeden 1., 3. und 5. Fr. im Monat, 15-18 Uhr, 5 €. Chansonabend: 31.1., 20 € Das Museum im Netz