Aachen. Ein altes Medium rast in die Zukunft: Das Internationale Zeitungsmuseum führt spannend durch die Medienrevolutionen - vom Papier zu E-Paper.
Extrablatt! „Fußball-Weltmeister Deutschland“. Extrablatt! „Kennedy ermordet“. Extrablatt! „Entführte Flugzeuge krachen in Türme des World Trade Centers“. Die Zeitung, und das ist das Schöne an ihr, ist zugleich eines der alten und immer wieder aktuellsten Medien, die man sich vorstellen kann. Und das war auch schon in Zeiten vor dem Internet so, als die Medien noch nicht ganz die heutige Schnelligkeit aufgenommen hatten und die Flut der Nachrichten noch nicht so erdrückend war. Womit wir schon gleich bei einem der wichtigsten Themen im Internationalen Zeitungsmuseum in Aachen wären: „Zeitungen und die dort arbeitenden Journalisten sind für uns ein Filter. Sie sind notwendig, um aus dem Wust der Nachrichten die wichtigen herauszusuchen und zu erklären, was dahintersteckt“, sagt Leiter Andreas Düspohl.
Ein wichtiges Massenmedium für die Entwicklung der Demokratie
Natürlich geht es nicht nur um die Zeitung im Zeitungsmuseum, selbstverständlich nehmen Radio, Fernsehen, Internet und soziale Medien auch ihren Raum ein. Aber: „Es geht bei uns um Journalismus und Pressefreiheit“, sagt der 52-Jährige. Und die sind nun mal mit der Zeitung so eng verbunden wie mit keinem anderen Medium. Das klingt dann manchmal ein bisschen bedeutungsschwer, aber nicht ohne Grund: „Die Zeitung ist das erste bedeutende Massenmedium gewesen. Wenn man von der Entstehung der bürgerlichen Öffentlichkeit im 19. Jahrhundert spricht, ist sie das Leitmedium gewesen, was dann später auch wichtig war für die Entwicklung der Demokratie. Menschen mit möglichst objektiven Informationen versorgen und möglichst alle Menschen mit den gleichen Informationen“, erläutert er. Was heute durch die Zersplitterung der Medienwelt in Teilmedien etwas unübersichtlicher geworden ist, aber immer noch gilt.
Die gedruckte Nachricht Schwarz auf Weiß - eine Erfolgsstory
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Seit Erscheinen der „Relation aller Fürnemmen und gedenckwürdigen Historien“ 1605 in Straßburg, der ersten Zeitung in Europa, hat sich einiges getan, aber lange Zeit war die Titelzeile des Aviso von 1609 „Was sich begeben und zugetragen hat...“ das Motto vieler Zeitungen. „Damals gab es keinen Journalismus im heutigen Sinne, da wurde einfach aufgeschrieben, wenn jemand tot umgefallen ist. Aber im 19. Jahrhundert etablierte sich mit der kritischen Öffentlichkeit auch kritischer Journalismus“, sagt Düspohl. Journalismus konnte Debatten auslösen und etwas bewirken (siehe „Das liebste Ausstellungsstück“).
Das Internationale Zeitungsmuseum spannt den Bogen über die drei großen Medienrevolutionen, von der Erfindung der Schrift über den Buchdruck mit beweglichen Lettern durch Gutenberg bis hin zur digitalen Revolution, in der wir gerade stecken. Und natürlich wissen auch die Aachener Museumsmacher, dass sie heute multimedial informieren müssen, etwa mit Videoinstallationen, auf die gerade Schüler zusteuern. Und, ach, die Schüler: „Wenn man die Schüler heute fragt ,Lest ihr Zeitung?‘, dann zeigt selten mal einer auf. Auf Twitter und Facebook gibt es ein paar. Aber die sind alle bei Instagram und schauen sich jeden Tag zigtausend Bilder an“, sagt er.
Zum Papier gesellen sich E-Paper, Webseiten, soziale Medien
Was nicht heißt, dass mit dem Zeitungsjournalismus nicht das meiste in Ordnung wäre. Die Zeitungshäuser befinden sich eben nur in einem Wandel, der bedeutet, dass sie ihre Nachrichten längst nicht mehr nur über gedrucktes Papier verbreiten, sondern eben auch über Webseiten, E-Papers und soziale Medien.
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An den journalistischen Grundlagen hat sich da vor allem geändert, dass man schneller und auf verschiedenen Informationskanälen gleichzeitig agieren muss. Denn eine Schlagzeile, wie sie in der Sonderausstellung zum Wiederaufbau zu lesen ist, wird jeder sofort neugierig verschlingen, egal ob auf Papier oder digital: „Der Krieg ist aus!“
Das liebste Ausstellungsstück: „J’accuse...!“
Zeitungen haben den Lauf der Geschichte verändert, haben Politiker gestürzt, Funktionäre entmachtet, der Demokratie zu ihrem Recht verholfen. Eines der besten Beispiele hierfür ruht konserviert in einer Glasschublade im Aachener Zeitungsmuseum. „J’accuse“ – „Ich klage an“ – steht auf der Titelseite von „L’Aurore“ vom 18. Januar 1898 über einem Artikel des Romanciers Émile Zola („Germinal“), der darin die fälschliche Verurteilung des Offiziers Alfred Dreyfus wegen Landesverrats anprangert und den Freispruch des wahren Verräters Ferdinand Walsin-Esterházys kritisiert. Der Wendepunkt in der sogenannten Dreyfus-Affäre. „Der neue Film von Roman Polanski beschäftigt sich genau mit dieser Affäre und diesem Titelbild“, sagt Andreas Düspohl. „Das ist ein Beleg dafür, dass Journalismus zum ersten Mal den Lauf der Dinge wirklich entscheidend geändert hat. Und das ist eins der wenigen noch erhaltenen Exemplare auf der Welt.“ Der Polanski-Film heißt übrigens auf Deutsch „Intrige“ und kommt ab 6. Februar ins Kino.
Internationales Zeitungsmuseum, Pontstraße 13, Aachen, 0241/432 4910, izm.de. Di-so 10-17 Uhr, Erw. 6 €, frei bis 21 Jahre, Sonderausstellung „Der Krieg ist aus!“ bis 1. März