Rhein- und Ruhrland. Wie kommt’s, dass manchmal der Rheinländer den Sauerländer kaum versteht? Wir haben den Menschen in der Region ein wenig auf den Mund geschaut.

Machense ma keine Fisimatenten, sons is hier abba Panhas am Schwenkmast! Über einigen Köpfen werden bei solchen Sätzen ein paar Wölkchen mit Fragezeichen aufsteigen. Auch wenn wir es kaum wahrhaben wollen: Wir alle sind geprägt von den Dialekten und Regiolekten, die nur in unserer unmittelbaren Umgebung gesprochen werden, mit denen wir aufgewachsen sind – und selbst wenn wir sie nicht selbst sprechen, schnappen wir sie teils schon als Kind auf. So kommt es, dass der Niederrheiner manchmal stutzen muss, wenn er einen Sauerländer hört.

Zwischen Westfalen und Sauerland verläuft bis heute eine unsichtbare Grenze, die einen gewöhnungsbedürftigen Namen trägt: Einheitsplurallinie. Und das ist noch nicht einmal die bekannteste Sprachgrenze, die durch NRW geht. Prominenter ist die Benrather Linie, die das Rheinland vom Niederrhein trennt.

Der Niederrhein ist gar nicht rheinisch

Dialektgrenzen in Nordrhein-Westfalen.
Dialektgrenzen in Nordrhein-Westfalen. © iStock | Olivia Fetter

„Der Niederrhein wird nicht mehr als Rheinisch bezeichnet. Eigentlich spricht man dort Niederdeutsch. Das ist viel näher an Westfalen dran als das sonstige Rheinland“, sagt Peter Honnen, Sprachexperte und Dialektforscher beim Landesverband Rheinland in Bonn. Zwar wäre es übertrieben, beim Reinhorchen in NRW gleich von einer babylonischen Sprachverwirrung zu reden. Aber die Vielfalt ist groß, von der gesprochenen Einheit sind wir weit weg, selbst bei Reibekuchen, die je nach Region auch mal Rievkooche, Kartoffelpuffer, Reibeplätzchen oder Kartoffelpfannkuchen heißen.

Dabei sind die Dialekte wesentlich besser erforscht als die sogenannten Regiolekte: „Dialekte sind ja eher ortstypische, althergebrachte Mundarten, die heute kaum noch gesprochen werden – oder eher von älteren Menschen. Bei ihnen hat man jeden Ort untersucht und kann sehr kleinschrittig Linien malen. Regiolekt ist, was man dort heute noch hört und was man vielleicht eher Umgangssprache nennen könnte. Sie sind bis heute kaum erforscht“, sagt Markus Denkler, Sprachexperte vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe in Münster.

Tegtmeier, Schanzara, Knebel, jeder hat seine eigene Art zu pöttern

Peter Honnen: „Was ein Schottelplack ist, also ein Spülhandtuch, das würde im Westfälischen keiner verstehen.“
Peter Honnen: „Was ein Schottelplack ist, also ein Spülhandtuch, das würde im Westfälischen keiner verstehen.“ © dpa | Silvia Reimann

Ruhrdeutsch ist eher Regiolekt als Dialekt. Und diejenigen, die man vielleicht als typische Pottsprecher identifiziert hätte, sprachen ja keine einheitliche Sprache. Wenn man einen Adolf Tegtmeier („Bleibense Mensch!“) anhört und es mit der Sprache einer Tana Schanzara („Vatter, aufstehen!“) oder einem Herbert Knebel („Boh, glaubse!“) vergleicht, dann findet mit jenseits von „dat“ und „wat“, jenseits des als „a“ ausgesprochenen „r“ wie in „Heane“ nicht allzu viele Gemeinsamkeiten. Vielleicht noch Reduktionen wie in „Hömma!“ für „Hör mal!“ oder „Kumma!“ für „Guck mal!“. Immerhin sind diese drei näher an einem Dialekt als Atze Schröder mit seinem Regiolekt, dem man auch auf einer beliebigen Straße zwischen Huttrop und Barop begegnen könnte.

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Übrigens: Das Netz und hohe Mobilität sorgen dafür, dass immer mehr regionale Sprachgepflogenheiten in Vergessenheit geraten: „Ich habe vor zwei Jahren eine Reihe an einem Bonner Gymnasium gegeben. Da habe ich solche Wörter wie Klüngel oder Fisimatenten abgefragt. Die kannten die Schüler alle nicht mehr. Die wussten noch nicht einmal, was ein Köpper ist!“, berichtet Honnen.

Mit Pips auf Trallafitti gehen

Markus Denkler: „Mir gefällt der ,Klüngelpott’: Eine nicht gerade positive Bezeichnung für einen Menschen, der sehr träge und langsam ist.“
Markus Denkler: „Mir gefällt der ,Klüngelpott’: Eine nicht gerade positive Bezeichnung für einen Menschen, der sehr träge und langsam ist.“ © iStock | istock

Er kennt auch eine Menge von westfälischen und ruhrpöttischen Wörtern, die dem Niederrheiner oder Rheinländer schon Verständnisprobleme bereiten dürften: Möppkenbrot für Panhas, Pips für Schnupfen, auf Trallafitti gehen für feiern gehen, Bolz für Kater, Wortel für Möhre.

Wer einen Ort sucht, an dem das Rheinische sprachlich aufs Westfälische trifft, dem sei ein Ausflug nach Radevormwald empfohlen – hier existiert beides nebeneinander. Allen anderen seien die unten stehenden Netz-Adressen empfohlen.

Aalskuhle bis Zimtzicke – so lustig klingt das Revier

Ruhrdeutsch als Fremdsprache? Selbst wer hier aufwächst, kennt längst nicht alle Sprachschrullen, die in der Region gediehen sind. Eine Auswahl unserer Favoriten:

Aalskuhle – plumpskloartige Grube; „wie inne Aalskuhle“ beschreibt strenge Stiche in Nase und Augen

Apparillo – Ding von unbestimmter Form, meist mit einer bestimmten Funktion

Bangebüx – Jemand, der sich vor Angst fast ins Beinkleid macht

Blötschen – Sichtbares Zeichen einer herzlichen, ruhrdeutschen Begrüßung unter Nachbarn („Kommse ma nach Bottrop,...“)

Dubbel – ob mit ob ohne Not, fast alles schmeckt zwischen zwei Scheiben Brot

Klüsen – dicke Augen, meist nach schlechtem Schlaf oder einem Schlag auffe => Omme

Krösken – Wenn er mit ihr was hat und umgekehrt, aber eben ohne kirchlichen Segen

Lelleck – einfältiger Diener, klingt nur ein wenig nach dem derberen Eschek

Mottenfiffi – Was Schäbbiges mit Haaren dran, oftmals eine Perücke

Ömmes – großer Gegenstand, weniger bedrohlich als „Brackmann“, nicht zu verwechseln mit =>Omme

Omme – Klassische Aufprallfläche, wenn man eine geschallert kriegt, meist mit Nase in der Mitte

Zimtzicke – böse gewürzte Bezeichnung für eine meckernde Frau

Interaktiver Sprachatlas des westfälischen Platt: lwl.org/LWL/Kultur/komuna/isa/; Sprechende Sprachkarte: rheinische-landeskunde.lvr.de/de/sprache/sprechende_sprachkarte/sprachatlas_1.html; Sammlung der Ruhrgebietssprache: ruhrgebietssprache.de/glossar.html