Schwelm. . Fliege statt Krawatte. Zu einem besonderen Anlass wie einer Hochzeit greifen Männer nun gerne zur Schleife. „Anna Dezet“ näht sie aus Kork.

Es fing damit an, dass sich ihr Freund eine Fliege kaufte. Und Anna Dziwik dachte so bei sich: „Na ja, wirklich schön ist die ja nicht.“ Sie setzte sich heimlich an die Nähmaschine und fing an. Heraus kamen gleich drei Fliegen, die sie hübsch verpackte und ihrem Liebsten zu Weihnachten schenkte. Was sie damals noch nicht ahnte: Es war der Auftakt ihrer Karriere als selbstständige Modedesignerin. Denn ihr Freund erntete so viele bewundernde Blicke, dass es nicht bei diesen drei Fliegen blieb. Heute verkauft die 29-Jährige unter dem Namen „Anna Dezet“ Accessoires für Männer. Hosenträger, Einstecktücher und vor allem: Fliegen.

Nullachtfünfzehn-Fliegen sind das wirklich nicht. Die allermeisten sind aus Kork. Denn der nachwachsende Naturstoff, bei dem die Rinde der Korkeiche geschält wird, ist auch ein faszinierender Modestoff. „Kork ist ein schönes Material, es lässt sich gut verarbeiten wie Leder. Aber es ist eben die vegane Variante.“

Der Augenarzt möchte Augen-Design

In Portugal werde er auf Baumwollgewebe gezogen, dann per Hand eingefärbt. Mal in Blau, mal in Bordeauxrot. Hier hat er silberne oder goldene Sprenkel und da ist er einfach naturbelassen, hellbraun-gefleckt wie der Korken einer Weinflasche. Wie soll ihre Mode munden? Anna Dziwik: „Ich nehme mir vor, zeitlose Mode zu machen, die keinem Trend folgt. Sie ist minimalistisch, hat aber immer ein besonderes Detail.“

Statt Krawatte: Mathias Perl trägt gerne  Fliege und Hosenträger – auch mal zu Jeans.
Statt Krawatte: Mathias Perl trägt gerne Fliege und Hosenträger – auch mal zu Jeans. © Olaf Fuhrmann

Die Einzelstücke sind oft aus Seide. So hat Anna Dziwik mal ganz viele Augen gezeichnet und sie auf Stoff drucken lassen – eine Extraanfertigung für einen Augenarzt. Und für ihren Freund Mathias Perl machte sie Strichzeichnungen von einem Basketballspieler wie er selbst einer ist. Früher hat der 30-Jährige Krawatte getragen. Aber dann stieg der Industriekaufmann um, auf Fliege und Hosenträger. „Es macht was her.“ Und das nicht nur bei einer Anzughose, sondern auch bei Jeans. Das geht mit diesen Hosenträgern, die keine Knöpfe am Innenbund der Hose benötigen. Sie halten zum Beispiel mit Knipsern – die Knöpfe sind dann lediglich Zierde. Auch die Fliege muss man nicht selbst knoten. „Das können viele nicht“, so Anna Dziwik. Die meisten Fliegen sind vorgebunden, haben einen verstellbaren Verschluss.

Ihre Hauptzielgruppe sind Herren, die heiraten. Da darf es dann etwas Besonderes sein. Selbstbewusste Typen greifen zu knalligen Farben. Aber dezentere Töne wie Cognac wirken ebenfalls.

Ihr neues Projekt: Hochzeitskleider

Passend dazu tragen in Anna Dziwiks Atelier zwei Schaufensterpuppen Hochzeitskleider. Für den Fototermin zieht die Designerin eine Puppe extra um. Denn das Kleid, was sie zuvor an hatte, wird bald eine Freundin von Anna Dziwik tragen – und der Bräutigam soll den Traum aus Spitze und Seide schließlich nur an seiner Braut – und auf keinen Fall vor der Hochzeit sehen. Die Kleider sind ihr neues Projekt. „Nächstes Jahr sind sie ein fester Bestandteil von Anna Dezet.“

Ihr richtiger Name Anna Dziwik geht nicht so leicht über die Lippen. Daher hat sie sich den griffigen Künstlernamen Anna Dezet ausgedacht, unter dem man ihre Mode im Internet findet (annadezet.com). Dort verkauft sie die Accessoires für Männer im Online-Shop. Auch in ausgesuchten Herrengeschäften, etwa in Köln oder Krefeld, gibt es ihre Fliegen. Wobei jetzt so mancher Herrenausstatter die Augen verdrehen dürfte: Fliege? Nein! Das ist eine Schleife.

Kork ist nicht nur für Weinflaschen da: Der nachwachsende Rohstoff ist guter Modestoff.
Kork ist nicht nur für Weinflaschen da: Der nachwachsende Rohstoff ist guter Modestoff. © Olaf Fuhrmann

Aber Anna Dziwik nimmt ganz bewusst den gängigen Namen. Trotzdem hört sie auf die Herrenausstatter. Die sagten: „Die Kunden möchten mehr.“ Zum Beispiel farblich passende Hosenträger und Einstecktücher. Gesagt – getan.

„Ich habe schon immer gerne gezeichnet, gemalt“, sagt Anna Dziwik. Auch Design interessierte sie. Aber nach dem Abitur hätte sie zunächst für ein Jahr pausieren müssen, um eine professionelle Mappe zu erstellen – eine Voraussetzung für das Design-Studium. So dachte sie praktisch und schrieb sich für Betriebswirtschaftslehre ein. Sie war zufrieden, bis sie für ein Semester ins Ausland ging, nach Litauen, in die Hauptstadt Vilnius.

Eine Mappe für das Modedesign-Studium

„Auf dem Weg zur BWL-Fakultät kam ich immer an der Kunstakademie vorbei und ich habe mich geärgert, dass ich nicht dahin musste.“ Das war der Wendepunkt. Sie studierte zwar BWL zu Ende, aber gleichzeitig zeichnete sie auch für eine Mappe – und begann schließlich ein Modedesign-Studium an der Mediadesign Hochschule in Düsseldorf.

Ein neues Projekt von „Anna Dezet“: Hochzeitskleider.
Ein neues Projekt von „Anna Dezet“: Hochzeitskleider. © Olaf Fuhrmann

Danach arbeitete sie für ein Modeunternehmen in Düsseldorf. „Aber ich wollte unbedingt noch etwas eigenes machen.“ Doch es erschien ihr zu aufwändig, nebenbei noch Kleidungsstücke zu entwerfen, Schnitte zu erstellen, Probeteile zu nähen. Also musste es etwas sein, das sie auch nebenberuflich gut umsetzen konnte. Und so kam sie schließlich auf die Fliege. 2016 fing sie nebenberuflich damit an, seit einem Jahr widmet sie sich ganz ihren eigenen Arbeiten, näht alles selbst in Schwelm. Zusammen mit Freunden baute sie eine Stanzmaschine um, damit sie die Korkdetails für die Hosenträger exakt ausschneiden kann. Aber das reicht ihr noch nicht: Langfristig möchte sie eine Näherin einstellen, um sich auf neue Projekte konzentrieren zu können. Oder alte Ideen wieder aufzugreifen: wie ihre Hochschul-Arbeit – eine weiße Regenjacke, die sich schwarz färbt, wenn sie nass wird.

Fliegen auf dem roten Teppich

Ihr BWL-Studium kommt ihr dabei doch noch zugute: „Das unternehmerische Denken ist auch in meinem Kopf, nicht nur das kreative.“ Sie weiß, wie sie einen Businessplan erstellt, wie sie administrative Aufgaben anpackt. Aber auch nach der Zeit an der Uni habe sie noch lernen müssen, wie man ein Gewerbe anmeldet, eine Steuererklärung schreibt.

Da viele die Fliege nicht binden können, gibt es sie auch mit einem verstellbaren Verschluss.
Da viele die Fliege nicht binden können, gibt es sie auch mit einem verstellbaren Verschluss. © Olaf Fuhrmann

Kork-Fliege verkauft sie nun für 99,90 €, Hosenträger für 129,90 € und ein Einstecktuch für 49,90 €. „Günstiger ist es im Set“, so Anna Dziwik. Wunschfliegen werden individuell je nach Aufwand berechnet. Warum hat sie eigentlich keinen Schlips im Angebot? „Ich mag Krawatten nicht so gerne“, gibt Anna Dziwik zu. Aber ausschließen möchte sie es nicht, dass sie doch mal eine entwirft. Und ist die Fliege eigentlich nur etwas für Männer? „Nein“, sagt Anna Dziwik kopfschüttelnd. Sie habe schon mal weibliche Stars auf dem roten Teppich mit Fliege gesehen. Und: „Meine Freundin arbeitet in einer Bank. Sie trägt auch Fliege.“

>> Mein Lieblingsteil

In jedem Kleiderschrank hängt mindestens ein Lieblingsteil, das man niemals wegwerfen würde. Für die Designerin Anna Dziwik ist das eine Bluse aus Seide in Rosa-Beige (Foto oben), die sie vor etwa zwei Jahren in einer kleinen Boutique in Düsseldorf entdeckt hat: „Von der würde ich mich niemals trennen.“

Zum einen gefällt ihr der Stil: Kastig geschnitten, hinten etwas länger als vorne. „Sie ist zeitlos.“ Außerdem habe sie schöne Details, wie die kleinen Perlmuttknöpfchen. „Ich kann sie lässig tragen, schick, sogar mit einer Fliege.“

Zum anderen gefällt ihr das natürliche, hochwertige Material, „von dem man lange etwas hat.“ Sie möchte gar nicht ständig neue Sachen kaufen. Lieber ein paar gut verarbeitete. Und diese Bluse würde sie nicht mal dann wegwerfen, falls sie doch mal kaputtginge. „Dann könnte ich daraus bestimmt noch etwas nähen.“

>> Mein Stylingtipp

Jede Woche fragen wir Designer nach ihrem ganz persönlichen Stylingtipp. Anna Dziwik rät Frauen: „Knoten Sie sich ein Band ins Haar, das wäre mein Tipp für heiße Sommertage.“

Frauen mit langem Haar können sich auch eine Schleife binden. Aber dann nicht um den Hals, sondern mit einem Band oder einem schmalen Tuch im Haar – als Ersatz fürs Zopfgummi. Oder man knotet das Band zu einem Haarreif und hält so die Mähne oder den Pony bei hohen Temperaturen aus dem Gesicht. Aufatmen! Noch luftiger wird es, wenn man die Haarspitzen auch am Hinterkopf unter das Tuch schiebt. Anna Dziwik: „Das sieht dann aus wie eine Hochsteckfrisur.“ Und der Nacken freut sich über eine kleine Brise.

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