Duisburg. Maklerin Susanne Hempel richtet leere Häuser her, die zum Verkauf stehen. „Homestaging“ heißt die neue Strategie für den ersten Eindruck.

. Im Wohnzimmer sieht es noch etwas chaotisch aus: Dutzende Kissen liegen auf dem Boden, daneben stehen Kisten und Vasen. In dem großen Haus mit der Nummer 16 im Duisburger Süden wohnt niemand mehr; die letzten Mieter sind längst ausgezogen. Nun sollen neue gefunden werden, die bereit sind, für 140 Quadratmeter 1400 Euro „kalt“ zu zahlen. Aber bevor überhaupt die ersten Besichtigungen stattfinden, beginnt die Arbeit von Susanne Hempel.

Hempels Sofa: Schaffell und Stoffhund lassen das Wohnzimmer gleich gemütlicher erscheinen. Das Katzenbild passt farblich zu den Möbeln.
Hempels Sofa: Schaffell und Stoffhund lassen das Wohnzimmer gleich gemütlicher erscheinen. Das Katzenbild passt farblich zu den Möbeln. © Fabian Strauch

Die gelernte Innenarchitektin und Maklerin dekoriert die Räume vor den Rundgängen so, dass sie belebt aussehen. „Homestaging“ heißt der Trend, der aus den USA kommt und dort seit den 1970er-Jahren dafür sorgt, dass leerstehende Immobilien schneller verkauft oder vermietet werden. „Ich bin Kulissenbauerin“, beschreibt Susanne Hempel ihren Job. Sie soll das Haus so gestalten, dass sich potenzielle Käufer besser vorstellen können, wie sie das Gebäude einrichten würden.

Beauftragt wurde sie von der Eigentümerin Elke Diedrichs. Das Haus gehörte ihren Großeltern, sie wohnt nebenan. Deshalb ist ihr wichtig, dass die neuen Mieter nicht nur solvent, sondern auch nett sind. Susanne Hempel kennt das Haus, hat es vor Jahren schon einmal vermietet. Nun wird es vorher dekoriert.

Sie richtet den Tisch im Wohnzimmer aus, zupft an den künstlichen Blumen mit den riesigen Blüten, so dass sie schön fallen. Sechs Stühle stehen parat, so als würde gleich der Besuch durch die Tür kommen. Ihr Mann macht Fotos, die später Teil des Exposés sind. Es wirkt wie eine Fotosession für „Schöner Wohnen“.

Modern-elegant oder im Landhausstil

„Zwei komplette Häuser könnte ich sofort einrichten.“ Ganz gleich, ob modern-elegant oder im Landhaus-Stil. Zum Fundus gehören Lampen, Kissen, Tische, Recamieren, zwischendurch auch ein paar Ikea-Möbel. Demnächst muss ein größeres Lager her.

Eine Küche aus Pappe: Spülen kann man damit natürlich nicht, aber sich vorstellen, wie der Raum mal eingerichtet aussieht.
Eine Küche aus Pappe: Spülen kann man damit natürlich nicht, aber sich vorstellen, wie der Raum mal eingerichtet aussieht. © Fabian Strauch

Viele Jahre hat die 55-Jährige als angestellte Maklerin gearbeitet, bis sie den Schritt in die Selbstständigkeit wagte. Nun kann sie Sammelleidenschaft, Hobby und Talente miteinander verbinden. „Die Vasen habe ich schon mein ganzes Leben gesammelt, wenn ich schöne gefunden habe. Nun kommen sie zum Einsatz.“ Die Bilder an den Wänden malt sie teilweise selbst. Die graue Katze passt prima zum gleichfarbigen Sofa. „Ich muss mich immer ein bisschen in ein Objekt verlieben, der Funke muss überspringen.“ Genau den gleichen Effekt will sie bei den Kunden erzielen.

Frauen haben meist eine regere Fantasie, weiß sie. Stehen diese bei Besichtigungen im leeren Zimmer, sehen sie vor dem inneren Auge bereits die Couch, Regale und den Tisch drin stehen. Männer brauchen dabei ein bisschen Hilfe, so Susanne Hempel. Etwa, wenn ein Raum besonders groß ist, gestaltet sie mit Regalen unterschiedliche Bereiche.

Das Haus von außen.
Das Haus von außen. © Fabian Strauch

Ist die Küche leer, würden die meisten sofort darüber nachdenken, die abgewetzten Fliesen zu entfernen. Mit Deko wirkt’s plötzlich Vintage. Die Küchenzeile ist übrigens auf Pappe, ein italienisches Modell. „Jeder sieht ja, dass es keine echte Küche ist, deshalb habe ich mich für die stilisierte Variante entschieden“, erklärt sie.

Einen Riss verdeckt sie nicht

In Zeiten steigender Immobilienpreise ist es eigentlich kein Problem, Häuser an neue Besitzer zu bringen. Dennoch gibt es schwierige Fälle, weil zum Beispiel die Lage nicht stimmt oder viel am Gebäude gemacht werden muss. Oft hängen für die Verkäufer Erinnerungen an den vier Wänden. Wenn Omas altes Häuschen noch nicht leer geräumt ist, geht sie behutsam vor und entfernt persönliche Bilder und Gegenstände.

Eine Sache versteht sich für Susanne Hempel von selbst: Vor einen Riss in der Wand wird kein Bild gehängt, kein Wasserschaden mit einem Teppich verdeckt. „Im Gegenteil. Ich bin auch Gutachterin und weise deshalb ausdrücklich auf Mängel hin. Aber die Erfahrung zeigt, dass viele das gar nicht schlimm finden, wenn sie sich erst einmal in ein Objekt verliebt haben.“

Das könnte ein Kinderzimmer werden. Mit Elefant und Tipi hat der potenzielle Käufer direkt ein Bild dazu im Kopf.
Das könnte ein Kinderzimmer werden. Mit Elefant und Tipi hat der potenzielle Käufer direkt ein Bild dazu im Kopf. © Fabian Strauch

Der erste Eindruck zählt. Ein verwohntes Haus im Duisburger Süden bekommt man schneller los als ein schönes im Duisburger Norden. Mülheim und Essen sind oft stärker nachgefragt als Duisburg. Der Immobilienverband West, zu dem Nordrhein-Westfalen, das Saarland und Rheinland-Pfalz gehören, hat im Frühjahr bekannt gegeben: „Der Markt für Wohnimmobilien in Nordrhein-Westfalen ist im neunten Jahr in Folge von teils deutlichen Wertsteigerungen gekennzeichnet.“ In Essen muss man derzeit pro Quadratmeter im Schnitt 4.600 Euro zahlen, ein Plus von fünf Prozent.

Wer sein Haus vor dem Verkauf herrichten lässt, zahlt für den Service, der sich erfahrungsgemäß über den Kaufpreis wieder einspielen lässt, sagt die Maklerin: „Bei Bedarf streichen wir vorher auch.“ Ihr Job liegt im Trend. 2010 gründeten zehn Homestager die „Deutsche Gesellschaft für Home Staging und Redesign“. Inzwischen zählt der Verband in Wiesbaden mehr als 250 Mitglieder.

Susanne Hempel überlässt nichts dem Zufall, drapiert im Badezimmer noch Kosmetika neben dem Waschbecken: eine Anti-Aging-Maske. Später werden die Bilder samt Anzeige ins Internet gestellt. Bald können die ersten Interessenten kommen. Ausgeräumt wird erst wieder, wenn der Schlüssel übergeben ist.

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