Essen. . Gutes Benehmen bedeutet auf der ganzen Welt nicht dasselbe. Hier erfahren Sie die Tischmanieren von Spanien, Italien oder der Türkei.

Schlürfen und Olivenkerne auf den Boden werfen? Das geht gar nicht. Zumindest nicht in Deutschland. Aber andere Länder, andere (Tisch-)sitten:

Russland: Brot als ständiger Begleiter

Ein typisches russisches Menü besteht ohnehin schon aus mindestens vier Gängen, von der Vorsuppe bis zum Dessert, bei besonderen Anlässen auch in mehreren Runden. Deswegen sollte man strategisch vorgehen – und immer etwas auf dem Teller lassen, denn sonst legt der Gastgeber sofort nach. Er möchte schließlich als guter Gastgeber gelten. Also, los geht’s: Gabel in die rechte Hand, Brot in die linke. Brot? Ja, Brot. Es ist ständiger Begleiter bei jedem Gericht, das Messer kann gerne liegen bleiben. Und bitte nicht wundern: Auch wer auf die Frage, ob er noch etwas möchte, mit „Njet“ antwortet, erhält selbstverständlich noch etwas aufgetischt. Wer dem „kleinen Imbiss“ entkommen möchte und sich absichtlich verspätet, sollte sich auch nicht zu früh freuen. Ohne Strafschnaps kommt man nicht davon.

USA: Zinken nach oben!

Schnell muss es in den USA zugehen. Meist wird auch nur mit der Gabel gegessen, nachdem man das Fleisch vorher kleingeschnitten hat.
Schnell muss es in den USA zugehen. Meist wird auch nur mit der Gabel gegessen, nachdem man das Fleisch vorher kleingeschnitten hat. © istock/jgroup

An den Tisch, Messer in die rechte Hand, Gabel in die linke Hand, „Enjoy your Meal!“ – und los geht’s. Regel Nummer eins beim Essen überm großen Teich ist: Keine Zeit verlieren.

Regel Nummer zwei: Erst einmal alles klein schneiden, Messer ablegen, mit der Gabel einhändig aufessen, dabei zeigen die Zinken nach oben („American Style“). Die andere Hand kann dann zum Beispiel auf dem Colt im Gürtel ruhen – tatsächlich soll diese Sitte im Wilden Westen entstanden sein.

Doch dass US-Amerikaner gerne das Messer beim Essen ablegen, kann auch mit einer alten europäischen Sitte zusammenhängen, die von den Siedlern in die Neue Welt gebracht wurde und dort erhalten blieb. Teller leer? Aufgepasst, gleich kommt der Kellner und nimmt ihn weg, dafür liegt dann die Rechnung auf dem Tisch. Tja, Time is Money!

Italien: Schaufeln und schlurpsen

Was in „Bella Italia“ nicht geht, ist bekannt: kein Cappuccino am Nachmittag, keine entblößten Schultern in der Basilika, keine freie Tischwahl im Ristorante, kein Small Talk über Mafia und Camorra, basta!

Zum Aufrollen der Spaghetti braucht man in Italien keinen Löffel. Das wusste schon Alberto Sordi in den 1950ern.
Zum Aufrollen der Spaghetti braucht man in Italien keinen Löffel. Das wusste schon Alberto Sordi in den 1950ern. © picture alliance/Kenzo/GPS/ROPI

Bei der Spaghettinudel indes hat in Italien die Etikette Pause. Natürlich sollte man die unpraktische Teigware „al dente“ kochen können, möglichst nicht mit dem Messer schneiden und idealerweise auf den Esslöffel als Drehhilfe verzichten. Drüber hinaus aber ist alles erlaubt: Schaufeln, schlurpsen, mit lang gestrecktem Arm von oben in den Mund fallen lassen – alles „va bene“. Zahllose italienische Nationalheilige von Fernandel über Alberto Sordi (Bild) bis Sophia Loren haben sich so auch als Spaghettiesser tief ins italienische Wir-Gefühl gefuttert – wussten aber vermutlich auch von der einzigen Langnudel-Todsünde: Gibt’s Spaghetti Vongole, niemals, niemals, niemals nach Parmesan fragen!

Japan: Zurückhaltendes Schlürfen

Wer in Japan, und vor allem mit Japanern, am Tisch essen möchte, muss mehr können als nur Stäbchen geschickt zum Munde führen. Es gibt nämlich eine Menge Regeln zu beachten, deren Verletzung als unhöflich gilt. Es geht erst los, wenn auch der Koch oder die Köchin am Tisch sitzt und die Erlaubnis zum Speisen gibt. Guten Appetit heißt im Land der aufgehenden Sonne „Itadakimasu“ – dabei faltet man die Hände. Vorsicht mit dem Holzbesteck: Bitte nicht mit Stäbchen auf andere oder das Essen zeigen, nicht das Geschirr mit den Stäbchen verschieben, und auf keinen Fall Stäbchen in die Reisbällchen stecken. Das ist nur beim Leichenschmaus erlaubt. Gut zu wissen, oder?

Nudeln und Suppen darf man zurückhaltend schlürfen, auch im Restaurant. Am Ende sagen alle zusammen „Gochisousama deshita“, in etwa: „Vielen Dank für die wunderbare Mahlzeit“.

China: Nicht das Taschentuch zücken

Als Faustregel für chinesische Tafeln gilt: Erlaubt ist eigentlich alles, was bei uns am Tisch verboten ist. Schmatzen und Rülpsen, Schlürfen und Kleckern, Rauchen und Fleischreste aus den hinteren Zahnzwischenräumen herauspulen – alles kein Problem. Im Gegenteil, zeigt dies doch nur anschaulich, wie lecker das Essen schmeckt. Die groben Sitten hängen aber auch mit Mao Zedong zusammen. Während seiner Kulturrevolution hieß es, dass in einem Bauernstaat auch bäuerliche Sitten gelten müssten – so übernahmen viele Chinesen die bäuerlichen Essgewohnheiten, um sich nicht verdächtig zu machen.

Allerdings sollte man sich nicht alles bei Tisch erlauben. Für Chinesen gibt es kaum etwas Ekelhafteres als öffentliches Naseputzen. Außerdem als unappetitlich empfunden: das benutzte Taschentuch anschließend in die Hosentasche zu stecken. Bedenken sollte auch jeder Gast, dass man seinen Teller oder seine Schale nicht leer essen, sondern immer Anstandsreste übrig lassen sollte. Ansonsten versetzt man den Gastgeber in größte Verlegenheit und er wird für Nachschub alles in Bewegung setzen.

Spanien: Unter den Tisch fallen lassen

Mmmh Tapas. Da darf in Spanien schon mal etwas daneben gehen – zumindest, wenn man nicht zu Hause tafelt.
Mmmh Tapas. Da darf in Spanien schon mal etwas daneben gehen – zumindest, wenn man nicht zu Hause tafelt. © picture alliance/Global Travel Images

Paella hin oder her: Für nichts ist die spanische Küche so bekannt wie für ihre Tapas. Das Konzept, Gerichte im Miniformat zu servieren, ist längst um die Welt gegangen. Seinen Ursprung hat der Spaß in den Bars des Landes, wo zu jedem Drink ein Teller oder eine Schüssel mit Kleinigkeiten gereicht wird – je nach Etablissement kann das von Oliven übers Bratkartöffelchen bis zum Eintopf alles Mögliche sein. Praktisch, und damit sind wir bei den Manieren: Die unzähligen Servietten, Olivenkerne, vielleicht auch den einen oder anderen Hühnerknochen darf man hier lässig auf den Boden fallen lassen.

In Privatwohnungen hat sich diese Sitte allerdings nicht durchgesetzt – vermutlich, weil man seinen Mist dort dann ja doch selbst aufkehren muss. Und noch ein Tipp: Bei aller im Süden gern gelebten Geselligkeit gehört es sich nicht, sich an einen ohnehin schon gut besetzten Tisch dazuzudrängeln. Würden wohl zu viele Olivenkerne.

Türkei: Mit vollem Magen lobt man nicht

Wer in einem Privathaushalt in der ländlichen Türkei eingeladen ist, kann ganz unten anfangen: Gegessen wird nämlich nicht selten auf dem Boden. Aber keine Sorge, es sitzt sich durchaus gemütlich auf Teppichen und Kissen. Allerdings sollte man dabei keinesfalls die Fußsohlen zeigen – auch die Schuhe hat man höflicherweise schon an der Haustür ausgezogen. Im empfehlenswerten Schneidersitz ruhend, isst man dann am besten nur noch mit der rechten Hand, ähnlich wie in Indien gilt die linke nämlich als unrein.

Unfein ist auch das Schnäuzen – das sollte man in gehörigem Abstand zur Tafel tun. Jetzt kann richtig zugeschlagen werden. Je mehr von den meist lauwarm aufgetischten Köstlichkeiten verschlungen wird, desto glücklicher die Gastgeber. Aber Achtung – hat man sich einmal sattgegessen, sollte man das Essen nicht loben, sonst riskiert man noch eine Extraportion. Stattdessen rückt man sein Besteck deutlich vom Teller weg und sagt „Afiyet olsun“. Das heißt „Guten Appetit“ und wird auch in der Türkei gewünscht – allerdings erst nach dem Essen.

Noch nicht fit bei den deutschen Tischmanieren?
Dabei gibt es Benimmkurse.