Mülheim. Das Museum des Klosters Saarn in Mülheim an der Ruhr eröffnet überraschende Einsichten ins Leben von Ordensschwestern im Mittelalter.
Napoleon war ja vielleicht nicht an allem schuld, doch aber wohl daran, dass viele Klöster die Säkularisation nicht überstanden. So ist es ein glücklicher Zufall, dass die Abtei „Mariensaal“ in Saarn jene schwierige Zeit zumindest als Gemäuer überstanden hat, auch wenn das Kloster selbst 1808 vom kleinen großen Kaiser aufgelöst wurde.
Was hätten die 36 Äbtissinnen, die hier ab anno domini 1214 Generation um Generation wirkten, wohl gesagt, wenn sie gewusst hätten, dass in den heiligen Mauern dereinst Gewehre fabriziert würden?
Weckzeit mitten in der Nacht
Wer einen Eindruck vom Verstreichen der Jahrhunderte erhalten will, muss nur den stillen, weißen Kreuzgang entlanggehen, an dessen Wände die Namen und Amtszeiten der geistlichen Damen zusammen mit ihren Wappen verzeichnet sind. Alle wurden sie hier beigesetzt, bei manchen sind die verfallenen Grabplatten unter den Namen angebracht. Fast 600 Jahre dauerte ihre Ära – und das Leben in einem mittelalterlichen Kloster war eines, das den Ordensfrauen nicht viel Zeit für Schlaf gelassen hat. Weckzeit war gegen 1.45 Uhr in der Nacht, dann begann der Tag mit dem Vigil, dem Nachtgebet, ehe gegen 4 Uhr das Laudes zum Anbruch des Tages gebetet wurde. So ging es weiter, insgesamt sieben Gebetszeiten gab es bis etwa 19 Uhr – und in späteren Zeiten kam noch eine achte um Mitternacht hinzu.
Der Mann, der solche Dinge zu erzählen weiß, jede der 36 Äbtissinnen mit Namen kennt und vielleicht sogar noch eine Nummer 37 entdeckt hat, heißt Wolfgang Geibert. Der 76-Jährige ist die gute Seele des Hauses in Mülheim und übernimmt die Führungen. Er hat mit dem Verein der Freunde und Förderer des Klosters Saarn nicht unwesentlich dazu beigetragen, dass 2008 in den Kellern das Museum eröffnet werden konnte.
Vom Heiligen Benedikt schnell gelöst
Doch bevor es hinabgeht, führt er in die Pfarrkirche St. Mariä Himmelfahrt, der man ansieht, dass sie aus zwei Teilen besteht. Alt ist jener Teil mit der sogenannten Nonnenempore, auf der die Ordensschwestern früher beim Gebet saßen – abgeschirmt vom Rest der Gemeinde. Der andere, neuere Teil wurde erst Anfang der 1980er-Jahre mit Elementen einer Zisterzienserkirche erbaut.
Dort findet sich auch eine Figur des Heiligen Benedikt, der einst strenge Klosterregeln verfasste. „Hier hat man sich jedoch von den Regeln des Benedikt gelöst. Man hat etwa Fleisch von Vierfüßlern gegessen und kannte sich hervorragend mit Gewürzen aus, während Benedikt nur Salz erlaubte“, sagt Geibert.
Das Leben der Zisterzienserschwestern war auch sonst von menschlichen Befindlichkeiten geprägt. „Eine Äbtissin war so eitel, dass sie unbedingt weiß glänzende Zähne haben wollte. Dann hat sie sich bei einem Apotheker hier in Saarn eine Paste anrühren lassen. Die Zähne wurden auch weiß, aber nach wenigen Monaten sind sie alle ausgefallen. Wahrscheinlich war da eine Bleiverbindung drin.“
Eine andere Äbtissin, Theresia von Reuschenberg (1720 - 41) hatte sich ein Äbtissinnenhaus außerhalb des Klosters bauen lassen. Was Missgunst weckte – und das Gerücht, sie habe eine Liebschaft. Heute kennt man es als Otto-Pankok-Haus – der Künstler wurde darin 1893 geboren.
Eine begnadete Schreiberin
Wer Geibert folgt, erfährt, dass von 30.000 Fundstücken gut zwei Drittel Scherben waren. Dass es eine Schreibstube mit einer begnadeten Schreiberin gab („Sie schrieb besser als ein Mann!“). Und dass Forscher die besten Stücke aus dem Müll gezogen haben. Die Verwebung von geistlichem und weltlichem Leben war also immer eng – auch im Kloster Saarn.