Essen. . 14 Millionen Rindviecher beiderlei Geschlechts leben in Deutschland, aber nur ein Drittel davon sind Kühe. Dies und noch mehr Wissenswertes...
„Raufuttermittelverzehrende Großvieheinheit“ – was für ein herzloser Name für ein Tier, das den Menschen schon seit Tausenden Jahren begleitet. Sagen wir doch lieber: Kuh. 14 Millionen Rindviecher beiderlei Geschlechts leben allein in Deutschland, darunter ein Drittel Kühe. Weltweit werden mehr als 1,5 Milliarden der Wiederkäuer gehalten. Bei solchen Massen kann die Kuh als Wesen schnell mal aus dem Blick geraten. Meist kommen wir Städter ohnehin nur in Kontakt mit den Ergebnissen der Rinderzucht: Wir genießen Milch oder Käse, essen saftige Steaks oder freuen uns über die neuen Schuhe aus Rindsleder oder eine Tasche aus Kuhfell. Und auch das Gemüse auf dem Teller wurde wahrscheinlich mit Kuhmist gedüngt.
Doch was ist mit den Kühen selbst? Die Paarhufer mit dem schönen Augenaufschlag hätten uns viel zu erzählen – zum Beispiel den Anfang der gemeinsamen Geschichte: Im Nahen Osten wurde schon vor 10.000 Jahren der wilde Auerochse gezähmt und gezielt zum Haustier weitergezüchtet. Inzwischen haben Wissenschaftler dank Gen-Analysen festgestellt, dass alle heutigen „taurinen“ Rinder (von Taurus, Ochse) von etwa 80 weiblichen Tieren aus dem „Fruchtbaren Halbmond“ abstammen, also dem Gebiet von Syrien, Libanon und dem nördlichen Irak.
Schon im alten Ägypten verehrt
Wer einen ungefähren Eindruck von den Eva-Kühen bekommen möchte, muss nach Südeuropa fahren, zum Beispiel nach Spanien – die dortigen Rinder sehen noch sehr urtümlich aus, sie sind robust genug, um das ganze Jahr auf der Weide leben zu können, und brauchen kaum Zufütterung. Sie haben längere Beine und kleinere Euter als die Hochleistungskühe, die in unseren nordeuropäischen Kuhställen stehen.
Wie wichtig Kühe schon für unsere Vorfahren waren, zeigt die religiöse Verehrung der Tiere in vielen Kulturen, etwa im alten Ägypten – der Himmel insgesamt wurde als Nahrung spendende Kuh angesehen, deren Beine die vier Säulen des Himmelsgewölbes darstellten. Von da aus ist es nicht mehr weit bis zur Idee der „Milchstraße“. Heilige Kühe gibt es aber auch heute noch, das bei uns nur sprichwörtliche „Schlachten einer heiligen Kuh“ ist bei den Hindus in Indien tatsächlich tabu, meist werden die Vierbeiner bis zu ihrem natürlichen Lebensende durchgefüttert.
Im engeren Sinn sind natürlich die wenigsten Rinder wirklich Kühe – was nicht nur daran liegt, dass es ja auch die Bulle oder Stier genannten männlichen Exemplare gibt. Auch bei den weiblichen Rindern gibt es eine Einteilung, je nach Alter des Tieres. Jungtiere nennt man zunächst Kälber, ab anderthalb Jahren dann Färsen, erst wenn die Färse ihr erstes Kalb geboren hat, heißt sie offiziell Kuh. Und das auch schon seit Urzeiten, bereits im Indogermanischen gab es den Ausdruck „ghou“.
Kühe stehen eher auf Slow Food
Durch die ständige Züchtung wurden Kühe immer weiter spezialisiert. So gibt es heute „Fleischrassen“ wie Hereford, Angus oder Galloway, sowie „Milchrassen“ mit Bezeichnungen wie Schwarzbunte, Rotbunte oder Fleckvieh. Da man deren Fleisch ebenfalls nutzen kann, spricht man auch von „Zweinutzungsrassen“.
Eine Kuh wiegt heutzutage im Durchschnitt zwischen 500 und 800 Kilogramm und lebt bei guter Pflege bis zu 20 Jahre. Sie gilt als guter Kostverwerter, aber steht eher auf Slow Food. Anders als wir hat die Kuh gleich vier Mägen, und macht beim Wiederkäuen Tag für Tag mehr als 30.000 Kaubewegungen. Auch trinkt sie gerne viel Wasser, pro Tier muss man 180 Liter am Tag rechnen. Dafür kommt am Ende auch eine Menge Milch heraus: Bis zu 10.000 Liter geben moderne Hochleistungskühe jedes Jahr.
Leider keine gute Klimabilanz
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Um die Klimabilanz des Milchviehs ist es leider nicht so gut bestellt. Kühe rülpsen nämlich sehr viel und setzen eine Menge Kohlendioxid und Methan frei, also Gase, die den Treibhauseffekt verstärken. Besonders schlimm ist das beim Verzehr von Raufutter, etwa Getreidespreu oder Maisstroh. Mit Frischfutter von der Wiese lässt sich die Ökobilanz des lieben Viehs immerhin ein wenig verbessern.
Apropos Verbrauchswerte. In der Fachsprache werden die Tiere – siehe oben – tatsächlich als „Raufuttermittel verzehrende Großvieheinheiten“ (GVE) bezeichnet. Je nach Durchschnittsgewicht der jeweiligen Rasse sogar mit einer Stelle hinterm Komma, denn je schwerer, desto höher der Futterverbrauch. Als Grundwert sind 500 Kilogramm festgelegt. Eine Holsteiner Milchkuh wiegt im Schnitt 750 Kilogramm, sie wird also betriebswirtschaftlich als 1,5 GVE veranschlagt. Das klingt tatsächlich ganz schön taktlos, aber der Bauer muss ja auch genügend Futter im Voraus kaufen.
Prominente Wiederkäuer
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Viele Landwirte kennen ihre Kühe quasi „persönlich“, weil sie jeden Tag durch den Stall gehen – aber Eigennamen haben die Tiere nur noch in Kleinbetrieben. Dafür besitzen sie eine europaweit gültige Registriernummer, die auch auf einer in die Ohren gestanzten Plastikplakette abzulesen ist – sicherheitshalber findet man diese „Lebendohrmarkennummer“ in beiden Ohren. Schon kurz nach der Geburt werden Kälber auf diese Weise gekennzeichnet. Schmerzhaft ist das für die Tiere zum Glück kaum, man kann es mit dem Ohrlochstechen beim Menschen vergleichen.
Manche Kühe werden trotzdem mit einem echten Namen berühmt, siehe Yvonne, ein Simmentaler Fleckvieh, das 2011 nach dem Ausbruch von der Weide erst durch die spektakuläre dreimonatige Flucht durch Südbayern in aller Munde war. Im Jahr darauf wurde Yvonne dann sogar zum EM-Orakel – sie sagte die Verlierer aller Spiele mit deutscher Beteiligung voraus, auch die Nationalelf wurde ganz korrekt ausgemuht.
>>>Wissenswertes über den Weltmilchtag
Der internationale Tag der Milch (1.Juni) wurde 1957 von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen und dem Internationalen Milchwirtschaftsverband ins Leben gerufen. Der Tag wird in mehr als 30 Ländern veranstaltet und soll für den Konsum von Milch werben. Veganer und Tierrechtler führen an diesem Tag die Kampagne „Sag Nein zu Milch“ durch und verweisen unter anderem auf pflanzliche Alternativen .