Europa. . Auf den Tisch kommt Fisch und in England ein Knallbonbon, Geschenke bringen Engel, Hexe oder Troll: Fest-Traditionen sind in jedem Land anders.
In Ungarn steigen die Engel vom Himmel, in England kommt der Santa durch den Kamin, in den Niederlanden ist der Sinterklaas schon wieder weg, und in Italien lässt eine hässliche Hexe noch bis nächstes Jahr auf sich warten: Ganz Europa feiert Weihnachten, ganz Europa wird beschenkt – aber jeder anders.
Beim Weihnachtsbaum fängt es schon an, der zog aus Deutschland aus und allerorten ein, nur ist Spaniern und Italienern ihre Krippe viel wichtiger. Und den Engländern Kitsch und Knallbonbon. Und den Finnen die Deko für den Friedhof.
O Tannenbaum! Die Deutschen legen ihre Geschenke darunter, die Skandinavier stellen den „Julbock“ davor, fassen sich an den Händen und tanzen um die Tanne.
Und überhaupt können die Europäer sich ja nicht einmal auf ein Datum einigen für das Fest. Jedenfalls nicht auf eines für die Bescherung. In den Niederlanden zum Beispiel – ist sie schon vorbei. Da reiste bereits Ende November der Sinter-klaas, verwandt mit dem Nikolaus, mit dem Schiff aus Spanien an, an seiner Seite der „Zwarte Piet“, als dunkelhäutiger Helfer seit Jahren umstritten. Gemeinsam füllten sie die Schuhe der Kinder, die sich allabendlich mit Selbstgebasteltem und Möhren revanchierten, was gipfelte im „Pakjesavond“: Am Abend des 5. Dezember lieferte „Sint“ die Päckchen ab, steckte lustige Gedichte dazu – fertig.
Nusskuchen, warm aus dem Fenster gereicht
In Island kamen 13 Tage vor Weihnachten die „Yulemen“, 13 gefürchtete Trolle, die aber auch Geschenke bringen, bei den Schweden gingen mit ihrer Lucia bereits am 13. Dezember die Lichter an, für die Spanier beginnt das Fest am 22., wenn sie die Lose ihrer millionenschweren Lotterie ziehen. In den Heiligabend schließlich starten die Rumänen schon in der Nacht zuvor: Da singen Kinder Weihnachtslieder, dafür gibt es Nusskuchen, warm aus dem Fenster gereicht.
Morgens sind dann die Isländer die Frühstarter: Sie streben auf den Friedhof, die Ahnen zu ehren. Auch die Griechen stehen zeitig auf. In aller Frühe ziehen die Kinder mit Triangeln und Glöckchen von Haus zu Haus und singen die „Kalanda“: Lobgesänge, für die sie Süßigkeiten bekommen. Auf Malta und der Nachbarinsel Gozo sind die Menschen ebenfalls schon früh unterwegs, auf Prozessionen wird das Jesuskind gezeigt (das um diese Zeit doch noch gar nicht geboren ist).
Vom Friedhof in die Sauna
Mittags um zwölf sind die Finnen dran: Sie verlesen in ihrer alten Hauptstadt Turku den Weihnachtsfrieden, ein Ereignis, das live im ganzen Land übertragen wird. Danach geht es, den Isländern gleich, auf den Friedhof und dann, wohin wohl: in die Sauna. Derweil die Osteuropäer kochen, brutzeln, backen – aber nichts essen. In vielen Ländern wird am Heiligabend gefastet, bis der erste Stern am Himmel steht: Es könnte ja der von Bethlehem sein.
In den meisten Ländern wird an diesem Abend beschert, wobei es eine Glaubensfrage ist, die Familien entzweien kann: erst essen oder erst auspacken? In Frankreich, Bulgarien und England stellt sich die Frage nicht, da werden die Geschenke von Père Noël, Djado Koleda oder Santa Claus erst für den nächsten Morgen angeliefert.
In Italien kommt eine alte, hässliche Hexe geflogen
Und manche Kinder in Europa müssen sich noch länger gedulden. Zu den Griechen kommt der Heilige Vassilius als Paketbote erst am 1. Januar, dafür bringt er Kuchen mit, in den als Glücksbringer eine Münze eingebacken ist. In anderen Ländern halten sie es mit den Heiligen Drei Königen, die schließlich auch erst am 6. Januar am Stall anrückten, um ihre Gaben zu überbringen. In Spanien kommen sie auch heute noch persönlich, in Italien kommt eine alte, hässliche Hexe geflogen: Die Befana bringt Süßes für die lieben Kinder und Kohle für die, die es nicht sind. Aber da es nicht liebe Kinder natürlich gar nicht gibt und in jedem Haus das Jesuskind wohnen könnte, wie die Italiener glauben, ist die schwarze Kohle in Wirklichkeit – ein Zuckerblock.
Überhaupt wird allerhand Zuckriges gegessen an den Weihnachtstagen. Süßer Reisbrei in Skandinavien, „Turron“ aus Mandeln, Zucker und Honig in Spanien, Königskuchen in Portugal mit eingebackenem Geldstück, der „Bûche de Noël“ in Frankreich. Ein Weihnachtsbaumkuchen ist das, der an eine alte Tradition erinnert: Danach wurde am Weihnachtsabend einst ein Baumstamm verbrannt und seine Asche auf den Feldern verstreut, auf dass sie Fruchtbarkeit brachte.
Frankreich speist gefüllten Truthahn
Zum Hauptgang wird in England der Truthahn Gregor serviert, in Portugal Eintopf oder Stockfisch, in Norwegen Dorsch, in Tschechien Karpfen (und falls sich eine Schuppe findet, gehört sie als Zeichen für gutes Geld ins Portemonnaie). In Bulgarien gibt es gleich zwölf verschiedene Gerichte, für jeden Monat eines. Müßig zu sagen, dass besonders die Franzosen vom Feinsten schlemmen. Zum Abendmahl, „le réveillon“ genannt, kommt gefüllter Truthahn auf den Tisch, aber auch Austern, Pasteten und Champagner. Die Finnen essen Schinken, den sie „gebackenen Schweden“ nennen, die Polen brechen zuvor Oblaten und teilen sie miteinander, als Zeichen der Gemeinschaft. Auf dem Tisch steht dort ein Gedeck für die Verstorbenen oder für unerwarteten Besuch, darunter liegt etwas Heu zur Erinnerung an das Kind im Stall.
Eines immerhin haben alle Europäer gemeinsam: dass überall die Kerzen brennen. Und in Griechenland sogar ein ganzes Feuer, das am Heiligen Abend entfacht wird und 13 Nächte brennt. Es soll die „Kalikanzari“ vertreiben, kleine Kobolde, die just zu Weihnachten ihr Unwesen treiben. Christlich ist das Feuer, wie so viele Traditionen, also nicht – gehört aber trotzdem zu Weihnachten.