Herne. . Häuser schaurig schmücken für Halloween: Ein Trend erfasst die Nachbarschaften. In Herne bereiten sich gleich fünf Familien aufs Gruselfest vor.
Für viele wäre dies ein absoluter Alptraum auch ohne Halloween, ohne Kunstblut und Bauschaum-Innereien, ohne Fratzenmasken, Plastiknarben und rotgesprenkelte Gummiaxt: eine Baustelle, oh Horror, oh Horror! Und das echte Gerüst am Halloween-Haus in Herne-Holsterhausen ist auch noch mit ein paar nicht ganz so echten, schwer verletzten Bauarbeiter-Rümpfen gespickt. Fünf Familien ziehen in dieser hübschen Zechenhäuschen-Nachbarschaft alljährlich am selben schaurig-schrecklichen Strang.
Stellen wir mal die kühne These auf, dass Herne die Halloween-Hauptstadt an der Ruhr ist. Ein Beleg? Auf dem Stadtgebiet finden sich gleich zig verschiedene Halloween-Häuser, eins schröcklicher geschmückt als das andere. Ein selbstangebrachtes Straßenschild hier an der Bielefelder Straße weist den Weg in die richtige Richtung: „Halloween Town 666“ ist da zu lesen… Ob das der Pizzabote findet, wenn er mal wieder eine „Diavolo“ extrascharf oder eine „Inferno“ mit Nachbrenner ausliefern muss?
200 Mitglieder klicken auf „Halloween Häusern Herne“
Dass hier der Quell von allerlei halloweenigem Übel sitzen muss, das kann Sascha Giersch (35) nur bestätigen, denn mit ihm und seinem Bruder Daniel Schmidt (37) hat die große Gänsehaut ihren Anfang genommen. „Erst hat mein Bruder zu schmücken begonnen, ganz klein hinten im Garten, für die Kinder, weil die vor fünf Jahren noch klein waren“, sagt Giersch, „aber mittlerweile hat er eine Facebook-Gruppe gegründet, Halloween Häuser Herne, die hat 200 Mitglieder. Wer in Herne seit Jahren schmückt, wundert sich nun selber, wie viele Verrückte jetzt die Puppen aus den Häusern hängen lassen.“
Zwei Wochen vor Halloween beginnen viele der geschmückten Häuser, den Strom in den Abendstunden einzuschalten, der ganze Aufwand muss sich ja lohnen. Und in der hübschen Hofeinfahrt in Holsterhausen wuselt es bei unserem Besuch schon ganz gehörig, allerdings nicht vor haarigen Spinnen und sonstigem Getier, sondern vor Kindern, die gehörigen Spaß daran haben, sich ein wenig zu gruseln, ganz unabhängig vom Alter … „Unsere Kinder wachsen damit auf. Wir haben am Anfang geschaut, dass es nicht ganz so gruselig wird. Aber selbst meine Nichte, die ist jetzt vier, die hat gar eine Angst davor. Die findet das cool“, sagt Giersch.
Passanten erschrecken sich beim Vorbeigehen
Offenbar verpacken die Kinder, weil sie’s ja schon kennen, den Schrecken besser als mancher Passant. „Wie viele Leute sich abends hier erschrecken, weil wir auch Ton dabei haben, das tut mir total leid“, sagt Nachbarin Simone Brinkmann (37) lächelnd.
Die Herner Nachbarschaft hat voll aufgefahren: Nebel quillt aus den Gullys, vier Nebelmaschinen sind im Einsatz, mehrere Beamer zeigen rotierende Kürbisse, Zombies, die sich durch die Hauswände graben, Gespenster mit einem niedlichen Buh-Effekt. Und jeder trägt etwas bei: Aaron Brinkmann (8) etwa ist ganz stolz auf seinen selbstgeschnitzten und mit Horrorclown-Gesicht verzierten Kürbis.
Fängt Halloween heutzutage fast schon im Kindergarten an? Hier sind die Nachbarinnen Simone Brinkmann und Jeanette Wilkening (36) eher skeptisch. Kindergartengruppen machen zumindest nach ihrer Erfahrung eher selten etwas in dieser Richtung, auch die Schulklassen bleiben meist davon verschont, schon allein wegen der Herbstferien, die an diesem Wochenende zu Ende gehen.
Ein Fest für die ganze Nachbarschaft
Bei aller Skepsis, die man Halloween als neuzeitlichem, aus den USA importiertem Brauch entgegenbringen kann, hinter dem gemeinsamen Feiern in der Holsterhausener Zechensiedlung steckt etwas zutiefst Deutsches, zutiefst Reviertypisches, nämlich: Zusammenhalt unter Nachbarn. Fünf Familien sind es, die miteinander befreundet sind, an schönen Abenden zusammen im Garten sitzen, die ihre Kinder gemeinsam spielen lassen. Man will ja nicht gleich von Ruhr-Idyll und heiler Welt schreiben, aber so einen hübschen Halloween-Spuk gäbe es ohne diese gegenseitigen Sympathien nicht. „Nach den Sommerferien treffen wir uns gemütlich abends beim Grillen, da besprechen wir ausführlich, was wir wofür ausgeben wollen“, erzählt Brigitte Könker (54). Giersch: „Wir haben eine Nachbarschaftskasse, da zahlen wir jeden Monat mit fünf Familien Geld ein. Davon werden die Sachen gekauft.“
Horrorfilme? Lieber nicht!
Höhepunkt ist die Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November, dann lodert Feuer in der Einfahrt, die Kinder rösten Stockbrot, die Erwachsenen essen Würstchen und trinken Bier, eine Badewanne voller Süßigkeiten beglückt die Kinder. Und nebenbei ist’s unheimlich. Am 1. November ist der Spaß vorbei: In drei, vier Stunden wird abgebaut, was wochenlang aufgebaut wurde, abends ist nichts mehr zu sehen.
Am Ende noch kurz die Frage: Herr Giersch, stehen Sie selbst auf Horrorfilme? „Nee, eher nicht so…“, wehrt der Familienvater ab. Er hat eher nebulöse Pläne fürs Jahresende: Weihnachtszauber. „Tja, das habe ich letztes Jahr schon angesprochen, dieses Jahr ein bisschen intensiver. Aber das wird für alle dann wohl doch zu viel…“