Oberhausen/Xanten. . In der Kita oder in der Schule läuft es nicht rund – das kennen Eltern. Aber was kann man dagegen tun, neben Kind und Karriere? Zwei Beispiele:
Pauline konnte gerade laufen, als die Schaukel auf dem Spielplatz verschwand. Die Fläche unter der schönen Buche war plötzlich leer. Nie würde Lene Burkhards Tochter dort das Schaukeln lernen wie die vielen anderen Kinder in den vergangenen 50 Jahren zuvor: mit den Füßen voran, mit dem Blick zum Feld und hinauf in den Himmel. Das durfte nicht wahr sein, dachte sich die Mutter in Xanten – und packte das Problem an.
Ein Spielplatz, der geschlossen wird. So etwas macht Eltern wütend. Genauso wie solche Sorgen: Noch immer keinen Platz bei einer Kita. Die Toiletten in der Schule sind so schäbig, dass die Tochter sie meidet. Und wie soll man Beruf und Familie miteinander vereinbaren, wenn es für den Sohn nachmittags keine Betreuung gibt?
Heute Elternabend, morgen Gitarrenunterricht
Aber nicht jeder steht auf, und unternimmt etwas dagegen – wie im Xantener Spielplatz-Fall. Vielen Eltern fehlt dafür die Zeit neben Kind und Karriere. Wann sollen sie sich engagieren, Missstände beseitigen, wenn sie an einem Tag den Sohn zum Arzt bringen, am nächsten zum Elternabend gehen, das Kind vom Gitarrenunterricht abholen und am vierten Tag nur noch Kraft für Sofa und Fernseher haben? Dann sind sie froh, wenn sie bis zur Kommunalwahl informiert sind, um das Kreuzchen an der hoffentlich richtigen Stelle zu machen.
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Und selbst, wenn sie sich Zeit freischaufeln: Wie fängt man an? Unterschreibt man online Petitionen, geht man am Wochenende zu Demonstrationen? Manche packen das Problem spontan an, so wie Lene Burkhard.
Ein Treffpunkt für die Kleinsten
Der in die Jahre gekommene Spielplatz sollte weg. Für die Kinder gebe es schließlich einen großen zentralen Platz, so die Stadt Xanten. Aber keinen, den Kleinkinder aus der Nachbarschaft zu Fuß erreichen können. „Es ist doch wichtig, dass Kinder miteinander in Kontakt kommen, selbst wenn sie einen Sandkasten im Garten haben“, sagt Lene Burkhard. Als dann auch noch ein Bagger die kleine Wippe herausreißen wollte, war die 32-Jährige schockiert.
Mit drei anderen Familien schlossen Lene Burkhard und ihr Partner sich zusammen und stellten einen Bürgerantrag. „Das kann in NRW jeder machen, der wird dann im Stadtrat verhandelt“, so die Mutter. „Ich wollte meiner Tochter nicht erzählen müssen: ,Da war immer ein Spielplatz. Und als du auf die Welt kamst, wurde er abgerissen.’“
Anfangs hat sie nicht damit gerechnet, wie viel Arbeit es ist, einen Spielplatz zu retten. „Es war sehr zeitaufwändig. Ich habe mich schon gefragt: Kriege ich das neben dem Job hin?“, sagt die Fotoredakteurin, die eine halbe Stelle hat. Sie sammelt Unterschriften. Abends nach der Arbeit, wenn die Kleine schläft, setzt sie sich oft noch mal an den Computer. „Es sind sehr viele E-Mails, die man schreibt.“ Außerdem sprechen die Nachbarn sie immer wieder an: Wie geht es weiter?
Jetzt wird der Spielplatz noch schöner
Die Oma passt auf, wenn die Eltern anfangs im Rat sind. Die Samstage sind oft Spielplatz-Tage, an denen sich die Familien beraten. Und wenn Lene Burkhard ihre heute zweijährige Pauline zur Tagesmutter bringt und dann zur Arbeit fährt, telefoniert sie, zum Beispiel mit einem Spielzeugbauer. Denn die Stadt hat zwar nun wieder eine Schaukel aufgestellt – ein erster Erfolg.
Aber es ist noch Platz für mehr Geräte, die die Spielplatz-Gruppe aufbauen darf. „Uns wurde die Möglichkeit gegeben, den Platz noch schöner zu machen als er vorher war.“ Darüber haben sie sich sehr gefreut – und standen schon wieder vor einer neuen Herausforderung: den Kosten. „Wir waren baff, was das für Summen sind.“ Schließlich sind die Sicherheitsbestimmungen für ein Spielplatz-Gerät höher als für eine Schaukel im Garten. „Um die 3000 Euro muss man investieren – Ende offen.“
Also sammelten sie Spenden, sprachen Leute und Firmen an. Der Heimat- und Bürgerverein half ihnen. „Über 7000 Euro haben wir zusammenbekommen“, freut sich Lene Burkhard. Sie hofft, dass die Stadt das Ganze noch bezuschusst, damit sie ein „schönes, nachhaltiges, naturnahes Holzgerät“ bekommen.
Die Spielplatzpaten mähen den Rasen
Mit den Spielgeräten endet aber nicht ihr Engagement. Lene Burkhard und ihre Mitstreiter haben mit der Stadt vereinbart, dass sie sich um den Platz kümmern. Für die Sicherheit der Geräte ist weiterhin die Stadt zuständig, aber die Spielplatzpaten mähen nun den Rasen, schneiden die Hecke, haken das Laub. „Es ist ein Modell, mit dem alle zufrieden sind.“ Am vergangenen Wochenende haben sie aufgeräumt und später gemeinsam den Grill angezündet.
„Man ergibt sich oft seinem Schicksal, nimmt Dinge einfach hin“, sagt Lene Burkhard nach diesem turbulenten Jahr nachdenklich. „Dabei ist es ein sehr gutes Gefühl, wenn man merkt, dass man doch etwas bewegen kann, dass der Einsatz belohnt wird und die Menschen einen unterstützen.“ Es sind auch Nachbarn dabei, die keine Kinder haben. „Sie haben einfach Freude daran, dass etwas Schönes passiert.“
Sein Ziel: Mehr Geld für die Kita
Menschen, mit denen man zusammen etwas erreichen kann, die sah auch Marc Peters bei der Wahl des Jugendamtselternbeirats (JAEB) in Oberhausen. „Ich habe spontan die Hand gehoben“, sagt der 36-Jährige fast ein Jahr später, weil er mit diesen Leuten, die sich ebenfalls zur Wahl stellten, etwas bewegen wollte. Er hatte schon länger den Wunsch, sich zu engagieren. „Aber ich hatte nie das Passende für mich gefunden.“
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Peters war bereits im Elternbeirat der Kita seines dreijährigen Sohnes Felix: St.Barbara im Stadtteil Königshardt. Und in dieser Funktion nahm er auch bei der Wahl des Gremiums teil, das für die Kinder und deren Eltern in der Stadt eintritt.
„Mein Ziel ist es, dass die Stadt Oberhausen mehr Geld in die Kitas investiert“, so Peters, der nun JAEB-Vorsitzender ist. Er möchte die Menschen davon überzeugen, dass Geld für Kinder kein Verlustgeschäft ist, „sondern eine lohnende Sache, eine Investition in die Zukunft“. Eine stadtweite Elternbefragung habe zudem ergeben, dass die Erzieher viel zu viel Verwaltungsaufwand betreiben müssen. Diese Zeit sollten sie lieber mit den Kindern verbringen, so Peters. Der JAEB möchte auf solche Probleme aufmerksam machen – und vermitteln, wenn Eltern allein nicht mehr weiterwissen.
In manchen Wochen gibt es nicht viel zu tun, und dann hängt sich Marc Peters wieder stundenlang rein, schreibt zum Beispiel abends Pressemitteilungen. „Ich pendel zwischen Düsseldorf und Oberhausen und mache unglaublich viel im Zug.“ Peters arbeitet eigentlich für das NRW-Innenministerium, ist dort für die Personalgewinnung zuständig. Zudem ist er freiberuflicher Redenschreiber. Manchmal plagt ihn das schlechte Gewissen, dass die Familie etwas zu kurz kommt, wenn er sich neben der Vollzeit-Arbeit auch noch privat engagiert. „Trotzdem ist es ein gutes Gefühl, das Richtige zu tun.“